Große Erwartungen an "Baby Diamond" Frankfurter Goethe-Uni holt ersten Quantencomputer nach Hessen
Der erste Quantencomputer Hessens ist an der Goethe-Universität Frankfurt an den Start gegangen. Die Hochschule spricht von einem "Schritt in eine neue Dekade" - auch wenn "Baby Diamond" aktuell noch Rechenfehler macht.
Erst nach einem Trommelwirbel und einer Konfettikanone wird die Tür zu einer kleinen Kammer der Frankfurter Goethe-Universität am Montagmorgen geöffnet. Darin steht, noch von einer Glasscheibe geschützt, "Baby Diamond", der erste Quantencomputer Hessens: ein unscheinbarer schwarzer Kasten, kaum größer als ein handelsüblicher Computer.
Einige Kabel verbinden den Kasten mit weiteren, kleineren Geräten. Was sich im Inneren des Quantencomputers abspielt, bleibt nicht nur unsichtbar, sondern selbst für einige der Anwesenden an diesem Morgen kaum begreifbar:
Ein künstlicher Diamant mit eingebetteten Stickstoffatomen, in denen es sogenannte Fehlstellen gibt, soll eine besonders hohe Rechenleistung erbringen. Irgendwann einmal soll sie um ein Vielfaches übersteigen können, was die meisten Supercomputer in Rechenzentren schon heute leisten.
Quantencomputing: schwer begreifbar, aber hochgelobt
Universitätspräsident Enrico Schleiff spricht von einem "Schritt in eine neue Dekade", den die Hochschule mit der Anschaffung des Quantencomputers bestreite. Zu Gast bei der feierlichen "Taufe des Babys", wie sie hier sagen, sind unter anderen Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) und Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD).
Dass sie große Hoffnungen in den neuen Quantencomputer setzen, wird nicht nur an ihren Zusagen für die finanzielle Förderung des Projekts deutlich.
"Die Goethe-Universität hat ihren Ruf als Pionier und Motor des Fortschritts hier wieder einmal bewiesen", sagt Minister Gremmels. Ganz genau verstanden, wie der Quantencomputer funktioniere, habe aber auch er nicht, gesteht er.
Rechenleistung soll sich exponentiell steigern
Einer derjenigen, die noch am besten verstehen, was im "Baby Diamond" vor sich geht, ist wohl Thomas Lippert. Er leitet das Projekt als Professor für Supercomputing und Quantencomputing gemeinsam mit dem Wissenschaftler Manpreet Jattana.
"Der entscheidende Punkt ist, dass man den Quantenparallelismus hier realisieren kann", erläutert der Professor. Das bedeute: Die Rechenleistung des Quantencomputers könne exponentiell gesteigert werden - irgendwann auf ein Niveau, auf dem kein anderer Computer mehr mithalten könne.
Lippert: "Noch ganz am Anfang"
Die Einheit, mit der die Rechenleistung von Quantencomputern gemessen wird, nennt sich Qubits. Im Vergleich zu Modellen großer Konzerne in den USA, die bereits mit hunderten von Qubits laufen, startet der Quantencomputer in Frankfurt zunächst mit fünf Qubits.
"Wir sind noch ganz am Anfang, diese Technologie zu benutzen", sagt Lippert. Zwar sei die Theorie bekannt, aber ob sie sich in einem Computer einsetzen lasse, hänge nicht nur von Ingenieursfähigkeiten ab. "Hochinteressant" sei für ihn und sein Team nun: "Ist die Theorie tatsächlich so, dass man sie umsetzen kann?"
Studierende sollen mitarbeiten
Mögliche Anwendungsbereiche seien beispielsweise der Finanzsektor, die Logistik oder die Pharmazie. In diesen Bereichen könnten "Quantenprobleme", wie Lippert sagt, also hoch komplizierte Rechnungen, wesentlich schneller als bisher gelöst werden. Dafür setze man auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus dem Rhein-Main-Gebiet.
In erster Linie solle "Baby Diamond" aber in Frankfurt der Forschung dienen - und der Lehre. "Dass Studierende hier selbst mitarbeiten, mitentwickeln, und das nutzen können, das macht es einzigartig", sagt Wissenschaftsminister Gremmels. Bisher gebe es so etwas in ganz Deutschland nicht.
Energieeffizienter Betrieb auf Raumtemperatur
Quantencomputer gibt es zwar schon an anderen Orten, beispielsweise in Hamburg oder Jülich (Nordrhein-Westfalen).
Anders als die meisten existierenden Modelle, könne der Frankfurter Quantencomputer jedoch bei einer Raumtemperatur von 20 Grad arbeiten. Damit sei er deutlich energieeffizienter als andere Modelle, die mit flüssigem Helium auf den absoluten Nullpunkt gekühlt werden müssen.
Standort mit symbolischer Bedeutung
Gebaut wurde "Baby Diamond" nicht in Hessen, sondern von Unternehmen in Ulm und Leipzig. Dass er nun am Frankfurter Campus Bockenheim steht, hat auch einen symbolischen Grund: Wie Wissenschaftler Manpreet Jattana erklärt, sorgte vor rund 100 Jahren das sogenannte Stern-Gerlach-Experiment wenige Meter entfernt für grundlegende Erkenntnisse, auf denen das Quantencomputing heute aufbaue.
An diesem Ort mit "Baby Diamond" neue grundlegende Antworten auf aktuelle Fragen der Quantentheorie zu finden - das wäre sein Traum, sagt Manpreet Jattana. Davon sei der Quantencomputer aber noch weit entfernt. Momentan mache er manchmal sogar noch Rechenfehler.