Betriebsversammlung in Baunatal VW-Mitarbeiter entsetzt über Sparpläne und sauer auf Chefs

Begleitet von Pfiffen ist die Betriebsversammlung von Volkswagen in Baunatal abgelaufen. Viele Mitarbeiter protestierten gegen den umfassenden Sparplan. Der Betriebsrat macht die Konzernführung für die Krise beim Autohersteller verantwortlich.

Mitarbeiter von VW sitzen in einem Saal.
VW-Mitarbeiter bei der Betriebsversammlung in Baunatal. Bild © hr

Buhrufe, Pfiffe und Plakate begleiteten am Mittwochmittag die Betriebsversammlung bei Volkswagen in Baunatal (Kassel). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter protestierten gegen die von VW angekündigten Sparmaßnahmen. Der Betriebsrat sprach von etwa 7.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

"Vor allem Zeitarbeiter haben Angst"

Europas größter Autobauer hatte am Montag angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden Lage am deutschen Automobilmarkt den bisher eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch mal zu verschärfen. Auch Werksschließungen in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen schließt die Konzernleitung nicht länger aus. Laut Betriebsrat verlangt das Management zudem Einschnitte beim Haustarif.

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Emotionale Betriebsversammlung bei VW Baunatal

VW-Mitarbeiter
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"Es ist ein mulmiges, bedrückendes, beklemmendes Gefühl", sagte eine Mitarbeiterin dem hr nach der Betriebsversammlung. "Viele Mitarbeiter sind sehr sauer über das, was die Vorstände da vorhaben." Konkrete, neue Informationen für die Mitarbeitenden habe es bei der Betriebsversammlung nicht gegeben. Es sei nur von Einsparungen und möglichen Werksschließungen die Rede gewesen. Welche Werke davon betroffen sein könnten, sei bislang unklar.

"Es wird in den nächsten Tagen noch mehr Reaktionen der Belegschaft geben", sagte ein anderer Mitarbeiter. Ihn freue die Kampfbereitschaft der Belegschaft. "Alle reden nur über das Thema im Werk. Vor allem Zeitarbeiter haben Angst, dass ihre Beschäftigung demnächst nicht mehr verlängert wird", berichtete ein weiterer Beschäftigter. Angst sei aktuell ein vorherrschendes Thema.

VW-Betriebsrat ist gesprächsbereit

Diese Aussagen unterstützt auch der Betriebsrat. "Es gab viele Redebeiträge, die geprägt waren von Enttäuschung über das einseitige Vorgehen des VW Vorstandes bis hin zu Wut, dass man jetzt in die Situation kommt, die man vorher noch vollkommen ausgeschlagen hätte", sagte Carsten Büchling, Vorsitzender des VW-Betriebsrats in Baunatal. Der Betriebsrat sei seit Montag empört von der Idee, den wichtigen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung aufzukündigen.

"Wir haben dem Vorstand heute noch mal deutlich signalisiert, dass wir als Gesamtbetriebsrat gesprächsbereit sind. Aber wir können uns nur einlassen auf ernstzunehmende Gespräche, wenn die angedrohte Kündigung des wichtigen Tarifvertrags zurückgezogen wird", so Büchling. Ansonsten werde es keine Gespräche geben, sondern einen großen Tarifkonflikt.

Schuld an der Krise bei Volkswagen seien nicht die Mitarbeiter, sondern die Konzernführung, sagte auch die Betriebsratschefin Daniela Cavallo laut Redemanuskript bei einer weiteren Betriebsversammlung im VW-Stammwerk in Wolfsburg (Niedersachsen). Sie nannte klare rote Linien: Werksschließungen dürfe es nicht geben, die Job-Garantie dürfe nicht angetastet und müsse verlängert werden.

Auch Einschnitte bei den Tariflöhnen lehnte die Betriebsratschefin ab. "Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht", sagte Cavallo. Dafür dürfe man nun nicht die Belegschaft zur Verantwortung ziehen.

Landesregierung will Beschäftigte unterstützen

"Die Nachricht hat viele schon hart getroffen", sagte Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) am Mittwoch: "Einseitig anzukündigen, dass Werke geschlossen werden und es Massenentlassungen gibt, ist eine Umgangsform, die wir von Volkswagen nicht gewohnt waren." Dies passe nicht zur Wirtschaftsordnung in Deutschland.

Das Ministerium wünsche sich nun Gespräche auf Augenhöhe. Mansoori sicherte den Beschäftigten bei der Versammlung die Unterstützung der Landesregierung zu: "Es ist wichtig, Solidarität auszustrahlen und Signale der Unterstützung zu senden." Der Minister zeigte sich überzeugt davon, dass es vielen Beschäftigen gut tue, wenn sie wüssten, "dass sie zwar einen harten Weg vor sich haben, dass sie diesen Weg aber auch nicht alleine gehen müssen".

Der VW-Standort Baunatal sei an sich gut aufgestellt für die Zukunft, findet Mansoori. Viele Fähigkeiten für die Elektromobilität gebe es dort bereits. Viele Bauteile und Komponenten könnten dort gefertigt werden.

Auch der SPD-Bezirk Hessen-Nord zeigt sich bestürzt. "Volkswagen ist für die Region Kassel prägend. Das VW-Werk in Baunatal und seine Beschäftigten sind ein Job- und Innovationsmotor. Wir unterstützen den Betriebsrat sowie die Gewerkschaften", teilte Timon Gremmels mit, der Bezirksvorsitzende der SPD Hessen-Nord.

Die Partei stehe solidarisch an der Seite der über 15.000 Beschäftigten bei VW Baunatal. "Wir wenden uns klar und deutlich gegen mögliche Pläne für eine Standortschließung, gegen die Aufkündigung der tariflich vereinbarten Beschäftigungssicherung und gegen betriebsbedingte Kündigungen", hieß es.

VW-Spitze verteidigt Sparkurs

Die VW-Spitze verteidigte auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ihren verschärften Sparkurs. "Wir haben noch ein, vielleicht zwei Jahre Zeit, um das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen", sagte Konzern-Finanzchef Arno Antlitz. "Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!"

Mit den Einsparungen wolle VW die Mittel freisetzen, die man für neue Produkte brauche. "Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren", sagte Markenchef Thomas Schäfer. "Wenn wir es jetzt schaffen, unsere Kosten nachhaltig zu reduzieren und in ein Modellfeuerwerk zu investieren, wie es der Wettbewerb und die Kunden noch nicht gesehen haben, dann werden wir es sein, die die Voraussetzungen geschaffen haben, damit auch die nächsten Generationen hier in Deutschland für Volkswagen arbeiten können."

Redaktion: Michelle Goddemeier

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: Silvia Ritter