Bundesverwaltungsgericht erlaubt Klage Rewe-Logistikzentrum bei Wölfersheim steht auf der Kippe
Im Rechtsstreit um den geplanten Bau des Logistikzentrums von Rewe bei Wölfersheim hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt - und dem BUND recht gegeben. Damit könnte das Projekt noch gestoppt werden.
Es ist ein Urteil mit weitreichenden Folgen, denn es geht um das Klagerecht von Verbänden und Umweltorganisationen: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag entschieden, dass der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegen eine so genannte "Zielabweichung" klagen darf. Eine solche Klagemöglichkeit für Verbände gab es bislang nicht.
Mit der Zielabweichung können Kommunen Ausnahmen von Regionalplänen beschließen. Regionalpläne sollen die Nutzung und die Bebauung von Flächen in den Kommunen steuern. Dafür erarbeiten die Bundesländer aufwendige Pläne mit verbindlichen Vorgaben für die Flächenentwicklung im Land, Vereine oder Verbände und die Öffentlichkeit müssen gehört werden.
Wenn dann in einer Kommune beispielsweise ein Neubaugebiet, eine Straße oder ein Windrad gebaut werden soll, muss dies mit dem vor Ort gültigen Regionalplan vereinbar sein.
BUND kritisierte nicht-öffentliches Verfahren
Wenn Entscheidungsträger vor Ort ein Projekt trotzdem umsetzen wollen, haben sie zwei Möglichkeiten: Entweder muss der Regionalplan geändert werden. Oder es kommt zu einem Zielabweichungsverfahren, das eine Art Ausnahmeerlaubnis vom Regionalplan ermöglicht - das aber nicht öffentlich ist.
Konkret ging es um ein geplantes Rewe-Logistikzentrum in Wölfersheim (Wetterau). Hier ist die umstrittene Fläche eigentlich als landwirtschaftliches Vorranggebiet ausgewiesen. Um das zu ändern, hatte die Gemeindevertretung 2017 fast einstimmig eine Zielabweichung beschlossen - die der BUND nun gerichtlich überprüfen lassen darf (BVerwG 4 C 6.21).
Urteil der Vorinstanz aufgehoben
Das Bundesverwaltungsgericht hat damit ein Urteil des Verwaltungsgerichtshof Kassel aufgehoben und an diesen zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Zielabweichung sei ein statthafter Klagegegenstand, wenn eigentlich - wie vom BUND gefordert - der gesamte Regionalplan hätte geändert werden müssen, der Weg zur Genehmigung also nicht korrekt war.
"Das ist insbesondere der Fall, wenn die Zielabweichungsentscheidung Grundzüge der Planung berührt, weil erhebliche Umweltauswirkungen auf Raumordnungsebene nicht ausgeschlossen werden können", schreibt das Gericht in seiner Begründung.
Fläche von 25 Hektar soll umgewandelt werden
Hintergrund: Der Handelskonzern Rewe will auf einem 25 Hektar großen Areal zwischen Wölfersheim und dem Ortsteil Berstadt ein riesiges Logistikzentrum bauen, unterstützt von der SPD-dominierten Gemeindevertretung. Seit sechs Jahren aber laufen Umweltschützer Sturm gegen das Projekt.
Der BUND klagt seit 2017 dagegen, unterstützt von Landwirten, den evangelischen und katholischen Dekanaten der Region und von der Bürgerinitiative (BI) "Schatzboden".
Rund 550 Arbeitsplätze geplant
Die Lagerhalle zwischen der A45 und der B455 an der Autobahn-Auffahrt in Berstadt soll 625 Meter lang, 175 Meter breit und bis zu 36 Meter hoch werden - 90.000 Quadratmeter Platz für Hochregale.
Das Zentrum soll die alten Lager in Rosbach und Hungen ersetzen und bis zu 550 Arbeitsplätze bringen. Von hier aus sollen nach Angaben des Konzerns Supermärkte in der Rhein-Main-Region und Oberhessen beliefert werden.
In der Hoffnung auf eine hohe Gewerbesteuer unterstützte die Gemeinde Wölfersheim das Projekt, kaufte Land, setze eine Umnutzung des Ackerlandes durch, Archäologen begannen mit Routineuntersuchungen.
Vorläufiger Baustopp erreicht
Naturschützer wiederum fürchten negative Folgen für die Tierwelt, die BI "Schatzboden" kritisiert die drohende Versiegelung von fruchtbarem Boden. Der BUND klagte und erreichte 2020 mit einem Eilantrag einen vorläufigen Baustopp.
Ein Argument war damals unter anderem das mögliche Vorkommen von Feldhamstern auf der Fläche.
Sendung: hr-iNFO, 28.09.2023, 18.35 Uhr
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