Corona-Impfstoffhersteller Biontech baut in Marburg Hälfte der Stellen ab
Der Corona-Impfstoff brachte Biontech Milliardengewinne ein. Doch inzwischen schreibt das Unternehmen hohe Verluste. Am Produktionsstandort in Marburg werden massiv Stellen gekürzt.
Vor vier Jahren begann das Mainzer Unternehmen Biontech in seinem neuen Werk in Marburg mit der Produktion des Corona-Impfstoffs, der um die Welt ging. Da inzwischen die Umsätze deutlich zurückgegangen sind, baut Biontech drastisch Stellen ab.
In Marburg sollen nach Unternehmensangaben etwa die Hälfte der Arbeitsplätze wegfallen. Aktuell gibt es dort 670 Vollzeitstellen. Davon sollen 250 bis 350 abgebaut werden.
Nachfrage nach Covid-Impfstoff gesunken
Biontech verweist auf eine geringere Nachfrage des Covid-Impfstoffs. Gleichzeitig investiert das Unternehmen massiv in die Forschung an Krebs-Medikamenten. Vor allem klinische Studien dafür sind teuer.
Die Folge: Es muss an anderen Stellen gespart werden. Neben Marburg ist auch der Standort im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein betroffen. Insgesamt sollen über drei Jahre hinweg bis Ende 2027 in Europa und Nordamerika 950 bis 1.350 Beschäftigte weniger werden.
Mehr Jobs in Mainz
Vorgesehen sind neben einem Abbau von Stellen auch Stellenverlagerungen. Der Stammsitz Mainz soll gestärkt werden. Hier sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Unter dem Strich stand laut Biontech-Quartalsbericht 2024 ein Nettoverlust von rund 700 Millionen Euro. 2022 hatte der Gewinn noch etwa 9,4 Milliarden Euro betragen. 2023, als die Nachfrage nach Corona-Impfstoffen bereits sank, schrumpfte der Gewinn dann schon auf nur noch etwa 930 Millionen.
Biontech: Marburg bleibt wesentlicher Bestandteil
Auf hr-Anfrage teilte das Unternehmen mit: Obwohl sich die Kapazitäten verschieben könnten, werde die Mitarbeiterzahl im Gesamtunternehmen in dem kommenden drei Jahren "relativ stabil" bleiben.
Biontech betonte zudem die Bedeutung des hessischen Werks. "Marburg bleibt ein wesentlicher Bestandteil des BioNTech-Netzwerks." Man wolle den Standort zu einem sogenannten Exzellenzzentrum weiterentwickeln. Dabei gehe es um die Herstellung von größeren Chargen mRNA für fortgeschrittene klinische Studien. "Wir sehen mRNA weiterhin als eine wichtige Säule in unserer Pipeline", so Biontech.
Große Investitionen in Marburg
Biontech hatte das Werk in Marburg mitten in der Pandemie vom Schweizer Pharmakonzern Novartis übernommen und grundlegend umgebaut. Der Standort liegt auf historischem Grund, auf dem Gelände der ehemaligen Behringwerke, wo noch weitere Pharmaunternehmen angesiedelt sind.
Laut Biontech zählt der Standort in Marburg zu einer der größten Produktionsstätten für mRNA-Impfstoffe in Europa. 2023 hatte das Unternehmen für eine neue Herstellungsanlage für Plasmid-DNA, ein zentrales Ausgangsmaterial für die Impfstoffe, weitere 40 Millionen Euro in den Standort investiert.
Oberbürgermeister bedauert Stellenabbau
Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) teilte auf hr-Anfrage mit: Die Stadt bedauere den angekündigten Stellenabbau sehr und die damit verbundene Belastung für die Mitarbeitenden in Marburg, die jetzt Sorge hätten, wen es im Werk trifft.
"Gleichzeitig wissen wir, dass der Standort hier in Marburg ein starker Wirtschafts- und Pharmastandort ist", so Spies. Es gebe immer Bewegung zwischen den Unternehmen. Hochqualifizierte Fachkräfte seien ohnehin "rar", so Spies. Die Stadt wolle tun, was sie könne, um hier zu helfen.
"Wir vertrauen außerdem auf die Hinweise, dass Marburg im Gesamtgefüge von Biontech weiterhin eine starke Bedeutung zukommt", führte der Oberbürgermeister weiter aus.
Gewerbesteuer-Millionen für die Stadt
Für die Stadt Marburg bedeutete die Biontech-Ansiedlung zeitweise enorme Gewerbesteuer-Einnahmen: 2021 ging es um fast eine halbe Milliarde Euro. Zwar musste die Stadt große Summen an den Landkreis und das Land Hessen als Umlage abgeben – aber selbst danach blieben noch hunderte Millionen Euro für Marburg übrig.
Schließlich investierte die Stadt 350 Millionen Euro in einem Spezialfonds mit Anleihen und Aktien - von hier soll das Geld in Schulen, Kitas, Wohnen, Sozialeinrichtungen, Kultur und Brandschutz investiert werden.
In den Folgejahren gingen die Gewerbesteuer-Einnahmen jedoch stark zurück. 2024 teilte die Stadt mit, sie müsse einen Nachtragshaushalt verabschieden, der Einsparungen von rund 15 Millionen Euro vorsehe. Schließlich beschloss die Stadt sogar eine Haushaltssperre.
2026 soll erstes Krebsmedikament kommen
Biontech hatte bereits vor Beginn der Corona-Pandemie an der Entwicklung von Krebstherapien auf mRNA-Basis geforscht. 2026 will Biontech nun eine erste Marktzulassung bekommen.
Vergleichsweise weit ist Biontech bei der Entwicklung von Präparaten gegen Blasenkrebs sowie zur Behandlung von Darmkrebs. Bei Letzterem werden für Ende dieses oder Anfang kommenden Jahres wichtige neue Studiendaten erwartet.