Betrügerische Aktiengeschäfte Cum-ex-Strippenzieher Hanno Berger zu acht Jahren Haft verurteilt

Hanno Berger, der Architekt der Cum-ex-Aktiendeals, ist wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Der 72 Jahre alte Anwalt aus Schlüchtern steht auch in Wiesbaden vor Gericht.

Hanno Berger geht in einem Flur.
Hanno Berger beim Prozessauftakt in Wiesbaden. (Archivfoto) Bild © picture-alliance/dpa
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Das Bonner Landgericht hat die Schlüsselfigur der Cum-ex-Aktiendeals, Steueranwalt Hanno Berger aus Schlüchtern (Main-Kinzig), am Dienstag zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Er sei wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig, entschied das Gericht.

Der heute 72-Jährige habe "ganz erhebliche kriminelle Energie" gezeigt und das Geschäftsmodell "in eine neue Umlaufbahn geschossen", sagte der Vorsitzende Richter Roland Zickler am Dienstag bei der Urteilsverkündung: "Sie sind nicht der Erfinder von Cum-Ex, aber Sie sind der Erfinder von Cum-Ex 2.0."

Das mögliche Höchstmaß lag bei 15 Jahren, die Anklage hatte neun Jahre Haft gefordert. Die Verteidigung hatte Fehlverhalten ihres Mandanten eingeräumt, dessen Ausmaß aber deutlich geringer gewesen sei als von der Staatsanwaltschaft dargestellt. 

Die Straftaten erstreckten sich über den Zeitraum 2007 bis 2011. Der Angeklagte bewog nach Überzeugung des Gerichts in einem Fall die Privatbank M.M. Warburg zur Aufnahme von Cum-Ex-Geschäften und half maßgeblich dabei, die nötigen Strukturen einzurichten. Das Gericht bezifferte den Steuerschaden in allen drei Fällen auf insgesamt 276 Millionen Euro.

Rückzahlung von 13,7 Millionen Euro

Berger soll nun knapp 13,7 Millionen Euro zurückzahlen. Das entspricht der Summe, die er für seine Beraterdienste erhielt. Ein früherer Kanzleipartner, der mittlerweile mit ihm gebrochen hat und als Kronzeuge fungiert, muss den gleichen Betrag zahlen.

Das Urteil gegen Berger ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 62 KLs 2/20). Er kann gegen seine Verurteilung innerhalb einer Woche Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Das werde sein Mandant prüfen, sagte der Verteidiger Richard Beyer nach Verfahrensende. Angesichts der Feststellungen des Gerichts sei es ein Schuldspruch, "den man durchaus als schuld- und strafangemessen betrachten muss", sagte der Anwalt.

Berger hat das Geschäftsmodell, bei dem Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag verschoben und gar nicht gezahlte Steuern erstattet wurden, zwar nicht erfunden. Er gilt aber als Wegbereiter dafür, dass Cum-ex in Deutschland im großen Stil betrieben werden konnte.

Durch Cum-ex büßte der deutsche Staat einen zweistelligen Milliardenbetrag ein, indem er Kapitalertragssteuern mehrfach zurückerstattete. Der Bundesgerichtshof bewertete das Geschäftsmodell im Jahr 2021 als Straftat.

Berger beriet Banken bei Cum-ex-Deals

Berger beriet Banken, Fonds und Investoren bei der Konstruktion der Geschäfte und warb über sein Netzwerk vermögende Kunden ein. Dafür kassierte er Millionen. Früher war er Beamter in der hessischen Steuerverwaltung, später wechselte er die Seiten und stellte den Finanzakteuren profunde Kenntnisse des Steuerrechts zur Verfügung. 2012 durchsuchten Steuerfahnder seine Kanzlei in Frankfurt und eine Privatwohnung.

Danach setzte sich Berger in die Schweiz ab, wo er sich neun Jahre lang dem Zugriff der deutschen Justiz entziehen konnte. Erst im Februar 2022 wurde er an Deutschland ausgeliefert. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.

Geschäfte mit reichem Immobilieninvestor

Nach dem Urteil muss sich Berger weiterhin vor Gericht verantworten: Parallel zum Bonner Verfahren läuft seit Anfang Juni in Wiesbaden ein Strafprozess gegen ihn wegen anderer Cum-ex-Vorwürfe.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft ihm vor, von 2006 bis 2008 bei komplexen Aktiengeschäften Steuern in Höhe von 113 Millionen Euro hinterzogen zu haben. Er soll Geschäfte mit einem reichen Immobilieninvestor gemacht haben und gemeinsam mit früheren Beschäftigten der Hypo-Vereinsbank in München und London sollen sie DAX-Aktien im Wert von 15,8 Milliarden Euro gehandelt haben.

Mit falschen Bescheinigungen ließen sich die Männer demnach in 61 Fällen Steuern erstatten, die sie gar nicht gezahlt hatten. Die Gewinne habe man aufgeteilt. Die Generalstaatsanwaltschaft sprach von mehrstufigen Geschäften "ohne wirtschaftlichen Zweck", die allein der Verschleierung gedient hätten.

Bürgerbewegung Finanzwende mahnt mehr Tempo an

Die Bürgerbewegung Finanzwende sieht in Bergers Verurteilung einen "Grund zu großer Freude". Es sei aber nur "der Anfang eines Marathons, an dessen Ende sich möglichst viele für diesen Griff in die Staatskasse verantworten sollten", sagte Vorstandssprecher Gerhard Schick.

"Hanno Berger war einer der zentralen Köpfe hinter den illegalen Cum-ex-Geschäften." Das Urteil gegen Berger werde wegweisend. "Er sorgte dafür, dass Cum-ex unter vermögenden Privatanlegern groß wurde", sagte Schick. Er habe als "eine Art Spindoctor" agiert.

Schick mahnte mehr Tempo bei der Aufarbeitung des Steuerskandals an. "Wir sind im Jahr 11 nach der Unterbindung solcher Geschäfte und trotz über 1.500 Beschuldigter lassen sich die Angeklagten an wenigen Händen abzählen." Die Cum-ex-Aufklärung sei über Jahre im Schneckentempo verlaufen, "weil viele das Thema lieber unter den Teppich gekehrt haben".

Eigenes Gebäude für Cum-ex-Prozesse

Mit dem Urteil kommt die Aufarbeitung des größten Steuerskandals der Bundesrepublik einen weiteren Schritt voran. Seit 2020 gab es bereits mehrere Schuldsprüche gegen Akteure in dem Geschäftsmodell, das von 2006 bis 2011 seine Hochphase hatte und den Staat etliche Milliarden Euro kostete.

Die Aufarbeitung dürfte noch Jahre dauern. Um die Flut an absehbaren Prozessen bewältigen zu können, wird in Bonns Nachbarstadt Siegburg ein neues Gebäude nur für künftige Cum-ex-Prozesse gebaut. Es soll 2024 fertig sein.

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 13.12.2022, 15 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, dpa, AFP