"Bund muss handeln" Das sind die 19 marodesten Autobahnbrücken in Hessen

Viele Autobahnbrücken sind sanierungsbedürftig. Bei einem bundesweiten Vergleich schneidet Hessen ziemlich schlecht ab. Experten warnen vor schlimmen Folgen.

Schild "Brückenschäden" auf Brücke mit Verkehr
Achtung, Brückenschäden – das gilt für mehrere hessische Brücken Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Von den 100 am meisten sanierungsbedürftigen Autobahnbrücken in Deutschland mit einer Länge von mehr als 50 Metern stehen nach einer Untersuchung von Bauexperten 19 in Hessen.

Im bundesweiten Vergleich sei Hessen damit das Bundesland mit der zweithöchsten Anzahl an schlecht bewerteten Autobahnbrücken, heißt es in einer der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Analyse der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken.

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Am schlechtesten unter den hessischen Autobahnbrücken schneidet in der Studie die Talbrücke Marköbel auf der Autobahn 45 bei Hammersbach im Main-Kinzig-Kreis ab. Die Liste der laut Bundesgütegemeinschaft sanierungsbedürftigen Brücken in Hessen:

  • A3 bei Frankfurt-Flughafen: Unterführung A5 am Frankfurter Kreuz, Fahrtrichtung Würzburg, Note 3,3
  • A3 bei Raunheim: Überführung Anschlussstelle A3 am Mönchhofdreieck, Note 3,5
  • A4 bei Bad Hersfeld: Unterführung Fulda, Note 3,5
  • A4 bei Bad Hersfeld: Unterführung B62, Note 3,4
  • A5 bei Frankfurt-Griesheim: Unterführung Bahngleise, Fahrtrichtung Darmstadt, Note 3,4
  • A5 bei Frankfurt-Griesheim: Unterführung Bahngleise, Fahrtrichtung Darmstadt, Note 3,5
  • A7 bei Niederaula-Solms: Unterführung Fulda, Fahrtrichtung Kirchheim, Note 3,3
  • A7 bei Eichenzell-Döllbach: Thalaubachbrücke, Fahrtrichtung Würzburg, Note 3,5
  • A7 bei Eichenzell-Döllbach: Thalaubachbrücke, Fahrtrichtung Würzburg, Note 3,5 (richtig, zwei Brücken dort)
  • A7 bei Eichenzell-Welkes: Unterfürhung L3307, Note 3,5
  • A44 bei Diemelstadt-Wrexen: Diemeltalbrücke, Fahrtrichtung Kassel, Note 3,3
  • A45 bei Ehringshausen: Lemptalbrücke, Fahrtrichtung Aschaffenburg, Note 3,5
  • A45 bei Hammersbach-Marköbel: Talbrücke Marköbel, Fahrtrichtung Hanau, Note 3,7
  • A66 bei Frankfurt-Rödelheim: Unterführung Nidda, Note 3,3
  • A67 bei Griesheim: Überführung A5 und A67 am Kreuz Darmstadt, Fahrtrichtung Köln, Note 3,4 
  • A67 bei Griesheim: Überführung A5 und A67 am Kreuz Darmstadt, Fahrtrichtung Köln, Note 3,5
  • A67/A672 bei Griesheim: Überführung Äste A67 zu A672 am Kreuz Darmstadt, Note 3,4
  • A67/A672 bei Griesheim: Überführung Äste A67 zu A672 am Kreuz Darmstadt, Note 3,4 (richtig, zwei Brücken dort)
  • A648 bei Frankfurt-Bockenheim: Unterführung Katharinenkreisel, Note 3,5

Schlechte Zustandsnoten für Brücken

Die Bundesregierung und die Autobahngesellschaft des Bundes müssten jetzt handeln, fordert Marco Götze, der Vorsitzende der Bundesgütegemeinschaft: "Gerade bei Autobahnbrücken dürfen wir uns nicht darauf verlassen, dass das nächste Unglück so glimpflich verläuft wie der Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden."

Unmittelbar vor dem Kollaps des zentralen Übergangs über die Elbe in der sächsischen Landeshauptstadt vor wenigen Wochen fuhr noch eine Straßenbahn darüber.

Autobahnbrücke der A45 über ein Tal bei Hammersbach-Marköbel
Die Talbrücke Marköbel bei Hammersbach ist Hessens marodeste Autobahnbrücke. Bild © hr

Die Bundesgütegemeinschaft identifizierte nach eigenen Angaben aus 3.786 Autobahnbrücken mit mindestens 50 Metern Länge diejenigen, die deutschlandweit die schlechtesten Zustandsnoten haben. Die Untersuchung stützte sich auf die regelmäßig von der Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlichte Brückenstatistik. Für Brücken der Bundesautobahnen ist der Bund zuständig.

Zustand von 43 Autobahnbrücken "ungenügend"

Demnach stehen von den 100 am schlechtesten bewerteten Brücken die meisten in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Die Bewertung basiert auf Zustandsnoten, die akute Schäden und Abnutzungserscheinungen angebe.

Zudem gibt es den sogenannten Traglastindex, der die Leistungsfähigkeit der Brücke gemessen an Alter und Material bewertet. Hessen steht bei der Zahl der Autobahnbrücken insgesamt auf dem vierten Rang der Bundesländer.

Von den 3.786 untersuchten Autobahnbrücken bekamen 1.382 von der Bundesgütegemeinschaft die Zustandsbewertung "noch ausreichend". Bei 378 wurde der Bauwerkszustand als "nicht ausreichend" eingeschätzt. 43 Autobahnbrücken erhielten die Note "ungenügend".

Erläuterungen zum Benotungssystem

Diese Noten sind nach Auskunft der Experten nicht wie die teils gleichnamigen Schulnoten zu verstehen. "Ungenügend" umfasse den Notenbereich 3,5 bis 4 und bedeute zwar: "Die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit sind erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben." Das könne freilich bereits bei fehlenden Gitterstäben in einem Geländer oder bei umfangreichen Betonabplatzungen der Fall sein, ohne dass deswegen tatsächlich die Standsicherheit gefährdet wäre.

Das Bundesverkehrsministerium erläutert, Zustandsnoten über 3,0 seien "ein Indikator dafür, dass in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme zu planen ist". Sie bedeuteten nicht, dass die Bauwerke zwangsläufig nicht mehr zu nutzen seien. Entsprechend sind alle Brücken in der 100er-Liste der Bundesgütegemeinschaft für den Verkehr freigegeben. Laut Bundesverkehrsministerium verringerte sich der Anteil der mit "nicht ausreichend" oder "ungenügend" bewerteten Brücken von etwa 15 Prozent im Jahr 2008 auf aktuell 12,1 Prozent.

In Hessen kollabierten in den vergangenen Jahren zwei Autobahnbrücken unter der jahrzehntelangen Last des Auto- und Lastwagenverkehrs: die Schiersteiner Brücke zwischen Wiesbaden und Mainz sowie mit der Salzbachtalbrücke bei Wiesbaden die zentrale Verbindung in den Rheingau.

Erstere wurde in zehn Jahren neu gebaut und vor gut einem Jahr wieder vollständig freigegeben. Die andere Brücke soll im Sommer 2025 vollständig erneuert sein. In beiden Fällen gab es über Jahre erhebliche Verkehrsbehinderungen.

ADAC: Lieber Infrastruktur erhalten statt ausbauen

Der ADAC Hessen-Thüringen sprach sich am Wochenende im Kontext der Diskussion um einen möglichen Ausbau der A5 bei Frankfurt dafür aus, lieber in die vorhandene Infrastruktur zu investieren. "In Zeiten knapper finanzieller Mittel und fehlender Fachkräfte muss der Erhalt der Funktionsfähigkeit des Autobahnnetzes oberste Priorität haben", sagte der ADAC-Verkehrsexperte Wolfgang Herda.

Marode Brücken stellten "eine akute Gefahr" dar, führte Herda aus. Nötige Vollsperrungen verursachten "volkswirtschaftliche Schäden, die deutlich über das Maß einer schlechten Verkehrsqualität auf hochbelasteten Autobahnen hinausgehen".

Bund will 400 Brücken pro Jahr sanieren

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) legte im März 2022 ein Maßnahmenpaket für eine schnellere Brückenmodernisierung vor. Bei vielen Brücken hat die intensive Beanspruchung in den vergangenen Jahrzehnten Spuren hinterlassen, vor allem durch den zunehmenden Schwerverkehr. In den kommenden Jahren sollen 400 Brücken pro Jahr saniert werden.

Das hessische Verkehrsministerium teilte mit, von den rund 5.400 Brücken auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen befänden sich 230 "in einem Bauwerkszustand, der kurz bis mittelfristig eine Instandsetzung erforderlich macht". Das heiße nicht, dass diese einsturzgefährdet seien. Bei einigen müssten lediglich die Geländer ausgetauscht oder die Schutzplanken erneuert werden. "Insgesamt kann der Zustand der Brücken im Zuge von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen als gut bezeichnet werden", so das Ministerium.

In den Jahren 2021 bis 2023 investierte das Land Hessen nach Angaben des Ministeriums insgesamt rund 82 Millionen Euro für den Bund in die Sanierung oder Erhaltung von Brücken auf Bundesstraßen. Im selben Zeitraum steckte das Land rund 79 Millionen Euro in den Erhalt der Brücken auf Landesstraßen.

Redaktion: Stephan Loichinger

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe

Ihre Kommentare Marode Infrastruktur: Wo sollte mehr investiert werden?

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32 Kommentare

  • Wundert mich nicht... seht euch mal die Straßen in Berlin an! Dort ging das Geld der Steuerzahler hin und vieles an Steuern wurde dazu zweckentfremdet, statt in die Sicherheit im ganzen Land zu sorgen.

  • Für megalomane Projekte wie den angedachten A5-Ausbau sollte kein Geld verschwendet werden, zumal erfahrungsgemäss die Kosten bei Fertigstellung mindestens doppelt so hoch als die Kosten laut Kostenvoranschlag sein werden.

    Vielmehr sollte die künftig notwendige und bereits vorhandene Verkehrsinfrastruktur vorausschauend saniert bzw reaktiviert werden.



  • Wie hiessen doch gleich die letzten Verkehrsminister?
    Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt, Christian Schmidt (kommissarisch), Andreas Scheuer - und kamen die nicht alle aus Bayern ...? Nur ein dummer Zufall?
    Wie es aussieht gibt's den Fachkräftemangel also tatsächlich schon länger ...

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