Ranking abgeschlossener Verträge Das sind die beliebtesten und unbeliebtesten Ausbildungsberufe
Bürokauffrau, Bierbrauer oder Kfz-Mechaniker? Junge Hessinnen und Hessen haben klare Favoriten, was die Wahl der Ausbildung angeht. In manchen Branchen werden Klischees voll erfüllt.
Nach dem Schulabschluss stellt sich für viele junge Hessinnen und Hessen die Frage: Und jetzt? Wer sich gegen ein Studium entscheidet, steht vor einer großen Auswahl an Ausbildungsberufen.
Die Möglichkeiten scheinen fast endlos zu sein – so ist zum Beispiel eine Ausbildung als Fachkraft für Fruchtsafttechnik möglich. Ein Beispiel, das zeigt: Es gibt Branchen mit nicht einem einzigen abgeschlossenen Ausbildungsvertrag im vergangenen Jahr. Das geht aus einer Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hervor. Andere Ausbildungsberufe haben eine deutlich höhere Nachfrage. Die am häufigsten gewählten sind:
- Bürokaufmann/-frau, mit 1.848 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen
- Verkäufer:innen, mit 1.518 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen
- KfZ-Mechatroniker:innen, mit 1.461 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen.
Dicht gefolgt vom Einzelhandelskaufmann (1.398) und dem Fachinformatiker (1.317). Für Daniela Michalek, Berufs- und Studienberaterin bei der Agentur für Arbeit in Bad Homburg, zeigen die Zahlen einen langanhaltenden Trend: "Der Klassiker ist bei den Damen Kauffrau Büromanagement, bei den Herren Kfz-Mechatroniker."
Schüler können Berufswunsch oft nicht richtig formulieren
Doch es sei für die Schülerinnen und Schüler vorher oft gar nicht klar, welche Ausbildungen es gibt und wie diese mit ihren Wünschen zusammenpassen. "Wenn die jungen Menschen zu mir kommen, können sie ihren Ausbildungswunsch nicht konkret formulieren", berichtet Michalek im hr-Gespräch. Sie würden "ins Büro" wollen oder liebten Autos, die sie dann verkaufen oder reparieren wollen. So findet Michalek mit den Schülerinnen und Schülern eine mögliche Antwort auf die Frage nach dem Berufswunsch.
Die Beraterin trifft auch auf Menschen, die gerne im Büro arbeiten wollen, allerdings eine Lese- oder Schreibschwäche haben. Das passe dann in der Regel nicht ganz so gut, sagt Michalek. Mit ihnen setzt sich die Berufsberaterin zusammen und schaut nach den Stärken der Jugendlichen.
Angebot und Nachfrage: Beliebt sind die Ausbildungsgänge nicht zwingend
Florian Volke von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt warnt davor, die genannten Ausbildungsgänge als besonders beliebt zu bezeichnen. Das Angebot an freien Plätzen sei lediglich besonders hoch – deshalb könnten auch so viele junge Menschen ihre Ausbildung darin beginnen. Andere Branchen seien nicht so groß und könnten daher gar nicht so viele Menschen ausbilden.
Im Klempner-Handwerk hingegen wird gesucht: Hier gab es nur zwölf neue Azubis in ganz Hessen, ausschließlich Männer.
Das Brauerhandwerk wollten ebenfalls nur zwölf Azubis erlernen. Einer, der gerade in einer Brauerei in Baunatal (Kassel) in Ausbildung ist, ist Elias Tóth. Den 21-Jährigen hatte Lebensmitteltechnik in Kombination mit Handwerk an diesem Beruf besonders gereizt. Tóth gesteht auch: "So eine gewisse Vorliebe für Bier bestand schon vor der Ausbildung."
Christof Riess, dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Frankfurt/Rhein-Main, bereitet es Sorge, dass sich verhältnismäßig wenige Schulabgänger für die so wichtigen Handwerksberufe entscheiden. "Wir würden gerne viel mehr junge Menschen in diesen Branchen beschäftigt haben", sagt Riess dem hr. Momentan kämen aber zu wenige von den Schulen. Immerhin habe man die Quote an Abiturienten in Ausbildungsberufen auf zehn Prozent steigern können, freut er sich.
Dringend mehr Bedarf sieht er bei den Nahrungsmittelberufen: Bäcker:in, Konditor:in und Fleischer:in. Dies seien tolle Berufe – nicht zuletzt, weil sie durch die Randarbeitszeiten sehr gut mit Familie und Privatleben vereinbar seien. Aber man brauche dafür auch Menschen, die bereit sind, früh aufzustehen.
Kann es auch an der Bezahlung liegen, dass viele Ausbildungsplätze frei bleiben? Riess widerspricht. Auch gut bezahlte Ausbildungen hätten nicht mehr Zulauf als schlechter bezahlte. Er habe den Eindruck, dass "nicht nur das Geld im Vordergrund" stehe, sondern auch die "Sinnhaftigkeit und die Erfüllung im Tun" wichtig sein soll.
Mehr Azubis – trotzdem so viele offene Stellen wie nie
Immerhin: Im Schuljahr 2021/22 haben wieder mehr junge Menschen eine betriebliche Berufsausbildung aufgenommen. Ihre Zahl stieg um 1,3 Prozent auf rund 33.000. Das bilanzierte das Wirtschaftsministerium am Ende des vergangenen Jahres. Doch noch immer hatten im vergangenen Jahr viele Unternehmen ein Problem mit der Suche nach Bewerberinnen und Bewerberin. Es gab so viele offene Stellen wie nie.
Trauriger Spitzenreiter bei der Diskrepanz zwischen offenen Stellen und Bewerberinnen und Bewerbern ist der Raum Fulda. Hier kommt nach Angaben der Regionaldirektion Hessen statistisch gesehen ein Bewerber auf 3,6 Stellen.
Kuriose Ausbildungen funktionieren nur über persönlichen Kontakt
Eher kurios anmutende Ausbildungsgänge werden kaum gewählt: Schädlingsbekämpfer:in (3), Orthopädieschuh-Macher:in (15) und Glockengießer:in (3). Immerhin ganze neun Azubis wollen Sattlerin oder Sattler werden und in Zukunft Sattel für Pferde herstellen.
Berufsberaterin Michalek sagt, sie habe schmunzeln müssen, als sie die Anzahl der Sattlerinnen und Sattler gesehen habe. "Ich hatte neulich ein Mädchen bei mir, die gerne Schmiedin werden wollte", sagt sie. "Wenn in der Nähe ein Sattler oder ein Schmied ist, der bekannt ist oder wenn die Eltern jemanden kennen, entscheiden sich junge Menschen auch mal für außergewöhnliche Ausbildungen." Das funktioniere oft aber nur über einen persönlichen Kontakt.
Zupfinstrumente sind beliebter als Holzblasinstrumente
Ein zwar selten gewählter, aber dafür mit umso mehr Leidenschaft ausgeübter Beruf ist der des Instrumentenbauers. Einen Vertrag zur Ausbildung als Zupfinstrumentenmacher haben drei Azubis unterschrieben, ebenso viele wollten lernen, wie Klavier und Cembalo gebaut werden. Immerhin sechs neue Orgelbauer-Azubis gab es in Hessen. Holzblasinstrumente wollte hingegen niemand bauen.
Florian Volke von der IHK Frankfurt betont gegenüber dem hr, dass viele Ausbildungsberufe, die seltener gewählt werden, dennoch große Chancen bieten. Jobs in der Logistikbranche etwa hätten sich in jeder Krise als sicher herausgestellt.
Alle Elektriker männlich, alle Kosmetikerinnen weiblich
Die Statistik des BIBB lässt auch Beobachtungen zu, die man sonst nur als Klischee kennt: Alle Gebäude-Elektroniker-, Elektroanlagenmonteur-, Rohrleitungsbauer- und Verfahrensmechaniker-Azubis sind männlichen Geschlechts – hier gab es keine Frauen, die einen Ausbildungsvertrag dafür abgeschlossen haben.
Umgekehrt: Die Pflanzentechnologinnen-, Modenäherinnen-, Buchbinderinnen-, Kosmetikerinnen-Azubis sind ausnahmslos weiblich. Keine Männer wählten im vergangenen Jahr diese Ausbildungsgänge. Riess von der Handwerkskammer würde sich freuen, wenn Frauen mehr technische Berufe ergreifen würden. Sie würden dringend gebraucht. "Junge Frauen können auch Technik – sie sollen es sich zutrauen und wir begleiten sie auch sehr gerne dabei."
Justiz und Luftverkehr beliebter in Hessen als anderswo
Die Ausbildung zum Justizfachangestellen ist in Hessen deutlich beliebter als anderswo in Deutschland. Die Ausbildung erreicht Platz 49 der beliebtesten Ausbildungsplätze – deutschlandweit fällt der Job aber auf Platz 95 ab. Ähnlich beim Luftverkehrskaufmann: Der kursiert hessenweit auf Platz 148, im Deutschland-Ranking dagegen noch weiter hinten auf Platz 252. Hier scheint sich der Frankfurter Flughafen als großer Arbeitgeber positiv auf die Hessen-Zahlen auszuwirken.
Sendung: hr-iNFO, 27.3.2023, 14.48 Uhr
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