Tipps von Verbraucherschützern Die Schattenseiten des Solaranlagen-Booms

Immer mehr Hessen legen sich Photovoltaikanlagen für das eigene Dach oder den Balkon zu. Das bringt die Energiewende voran, jedoch auch unzuverlässige oder gar betrügerische Anbieter auf den Markt. Verbraucherschützer raten zum Einhalten einiger einfacher Regeln.

Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Reihenhäusern
Photovoltaikanlagen auf Reihenhäusern. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Thomas Nielsen aus Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig-Kreis) will seinen Strom selbst erzeugen und hat deshalb im März eine Photovoltaikanlage für das Dach seines Hauses bestellt. Da Strom immer teurer werde, rechne sich das langfristig, überlegte er sich.

"Zu dem Zeitpunkt, als ich die Anlage und einen Stromspeicher bestellt habe, habe ich 40 Cent pro Kilowattstunde gezahlt", berichtet der 49-Jährige. Um die PV-Anlage richtig auszunutzen, entschloss sich Nielsen, auch gleich noch seine alte Ölheizung gegen eine strombetriebene Wärmepumpe auszutauschen.

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So wie Nielsen besorgen sich immer mehr Hessen eine Solaranlage zur Stromerzeugung. Sie sind verpflichtet, diese im Marktstammdatenregister zu registrieren. Darin sind derzeit rund 305.000 Anlagen auf hessischen Dächern und Balkonen angemeldet. Und es dürfte weitere nicht registrierte Anlagen geben, vermutet die Landesenergieagentur Hessen.

Installiert heißt nicht betriebsbereit

Doch es gibt Fälle, in denen Kauf und Installation dieser Anlagen nicht reibungslos verlaufen - und auch deren Zahl nimmt nach Auskunft von Experten zu. Thomas Nielsen aus Bad Soden-Salmünster beispielweise beauftragte die Berliner Firma Enpal, deren Anzeigen die meisten schon mal gesehen haben dürften.

Enpal verspricht ihren Kunden eine "schlüsselfertige" Anlage, so steht es im Vertrag. Nielsen ergänzt: "Sie haben immer gesagt, sie kümmern sich um alles. In der Realität war es anders."

Einen Monat nach der Bestellung wurde die Anlage auf seinem Dach installiert, doch betriebsbereit war sie nicht. Solarstrom konnte nicht eingespeist werden, weil die Stromleitungen in Nielsens altem Fachwerkhaus nicht darauf ausgerichtet waren und deren Kapazitäten erst erweitert werden mussten, wie sich herausstellte. Außerdem fehlte noch ein neuer, digitaler Stromzähler, der den alten, analogen ersetzte.

Kunde geht in Vorleistung

Weil Nielsen schon seine Ölheizung ausbauen hatte lassen, konnte er auch die neue Wärmepumpe nicht nutzen, da diese Starkstrom benötige, erzählt der Angestellte, der oft im Homeoffice arbeitet: "Ich hatte keine Heizung und kein Warmwasser, habe an etlichen Tagen gefroren und wurde schließlich krank."

Das sei frustrierend gewesen, sagt Nielsen - umso mehr, da er Enpal in der Zeit kaum erreicht habe, weder per Telefon und E-Mail noch über die Webseite der Firma und WhatsApp.

Seine Solaranlage zum Laufen brachte Nielsen nach eigener Aussage, indem er selbst einen Elektriker bestellte, der die Stromleitungen in seinem Haus überholte. Den Elektriker bezahlte der Verbraucher selbst.

Enpal reagiert nach hr-Anfrage

Als der 49-Jährige die Firma Enpal auffordert hatte, die Ausgaben für den Elektriker zu begleichen und eine Kompensation für die kalten Tage zu zahlen, passierte erst einmal nichts. Erst nach einer Anfrage des Hessischen Rundfunks reagierte Enpal und bot Nielsen eine Entschädigung, wie dieser auch bestätigt.

Enpal schrieb dem hr: Bei mehreren tausend Installationen im Monat komme es leider gelegentlich zu Fehlern.

In Bezug auf Solaranlagen häuften sich die Beschwerden, meldet die Verbraucherzentrale Hessen. Jede Woche gebe es etliche Anfragen deswegen. Manche Verbraucher müssten Monate oder gar Jahre auf ihre bestellten Anlagen warten, wenn diese überhaupt geliefert würden, berichtet die Juristin Olesja Jäger. Mitunter seien Anlagen defekt oder würden falsch installiert.

Verbraucherzentrale: Erst mal gründlich informieren!

"Oft sind dafür Unternehmen verantwortlich, die im Internet massiv für ihre Produkte werben, mit Internetauftritten, die häufig mehr versprechen, als sie halten", kritisiert Jäger. So stellte etwa auch Enpal ein "Rundum-Sorglos-Paket" in Aussicht, was zumindest im Fall von Thomas Nielsen unzutreffend war. Viele andere Kunden scheinen mit der Firma allerdings zufrieden zu sein und haben sie im Internet gut bewertet.

Bevor Verbraucher eine Firma zur Solaranlagen-Montage beauftragen, sollten sie sich grundsätzlich gründlich über sie informieren, rät die Verbraucherschützerin Jäger. Sie sollten Betriebe aussuchen, die einen Service vor Ort anbieten, zu dem man notfalls gehen könne. Andernfalls könne es passieren, dass Betroffene bei Firmen in der telefonischen Warteschleife hängen bleiben und auf Mails wochenlang keine Antworten erhalten.

Versicherer warnt vor Betrügern

Unzuverlässige Firmen sind das eine - unseriöse oder gar betrügerische Anbieter das andere. Den Solar-Boom in Hessen nutzten vermehrt Kriminelle aus, hat der Versicherer R+V mit Sitz in Wiesbaden beobachtet.

"Wenn sich Verbraucher bei Firmen zum Beispiel telefonisch informieren wollen, geben die sich zunächst betont seriös und setzen sie dann aber massiv unter Druck", sagt R+V-Bauexperte Jochen Löhmann. Manche behaupteten etwa, auf neu gebaute Häuser müsse eine Solaranlage, obwohl es eine solche Pflicht für Privatleute in Hessen nicht gebe.

Bei den Anlagen selbst wird nach Erkenntnissen des Versicherers auch gepfuscht. "Die sind zum Beispiel überdimensioniert und rechnen sich für die Verbraucher nicht", berichtet Löhmann: "In einem Fall hingen da nicht einmal Solarmodule, sondern Attrappen." Selbst wenn Anlagen versichert seien, heißt es bei R+V, könnten Kunden im Betrugsfall nicht mit einer vollen Entschädigung rechnen.

Tipp: Nur bezahlen, was geliefert wurde

Auch Löhmann empfiehlt Verbrauchern, sich vorher gründlich und bestenfalls unabhängig beraten zu lassen. "Ein weiterer Tipp ist, keine größeren Vorauszahlungen zu leisten", sagt der Versicherungsexperte. Man solle nur bezahlen, was geliefert wurde, sonst müsse man seiner Ware womöglich hinterherlaufen.

Die Verbraucherzentrale Hessen rät Kunden, mit den Solarfirmen schriftlich Lieferfristen zu vereinbaren, auf deren Einhaltung sie bestehen können. Gingen durch Verzögerungen Einspeisevergütungen und Förderbeträge verloren, könnten sie Schadenersatz fordern. Ganz grundsätzlich könnten Verträge innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss widerrufen werden, egal ob sie online, telefonisch, mit der Post oder an der Haustür abgeschlossen wurden.