Drohnenprojekt "Liefermichel": Funktioniert, ist aber (noch) nicht wirtschaftlich
Sechs Monate lieferten Drohnen im Odenwald Güter in entlegene Dörfer. Jetzt ist das Pilotprojekt "Liefermichel" ausgelaufen. Das Fazit, das Hersteller und Wissenschaftler ziehen, fällt ganz unterschiedlich aus.
Brot, Medikamente oder Zeitungen, die per Drohne in abgelegene Regionen geliefert werden – diese Vision soll nach den Vorstellungen des Drohnenproduzenten Wingcopter aus Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) einmal Wirklichkeit werden. Ein halbes Jahr lang hat Wingcopter gemeinsam mit der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) genau das getestet.
Auch der SV Darmstadt 98 machte mit
"Liefermichel" hieß das Projekt, bei dem Bewohner der beiden Michelstädter Stadtteile Rehbach und Würzberg (Odenwald) seit Oktober über eine spezielle Internetseite Waren bestellen konnten. Lastenräder brachten diese dann zu einem Abflugplatz, am Landeplatz nahmen wiederum Lastenräder diese entgegen und brachten sie zu den Empfängern.
Zwei Supermärkte beteiligten sich an dem Projekt, außerdem ein Baumarkt und eine Apotheke in Erbach (Odenwald). Selbst der SV Darmstadt 98 verschickte Fan-Artikel per Drohne. Ende März lief der im Oktober 2023 gestartete Versuch planmäßig aus. Insgesamt legten die Drohnen bei rund 150 Bestellungen etwa 2.500 Flugkilometer zurück.
Keine Probleme im dicht beflogenen Luftraum
Wie sieht die Bilanz aus? Welche wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse hat das Pilotprojekt gebracht? Die endgültige Auswertung soll dem Unternehmen zufolge erst im Mai vorliegen. Einige Ergebnisse zeichnen sich aber schon ab.
So habe der Betrieb im vergleichsweise vollen deutschen Luftraum reibungslos funktioniert, betont Wingcopter-Sprecher Thomas Dreiling. "Die Kommunikation mit anderen Flugteilnehmern hat wunderbar geklappt." Vertreter der Europäischen Luftsicherheitsbehörde EASA seien mehrfach vor Ort gewesen.
Noch lange nicht rentabel
Dass der Versuch in dieser Hinsicht erfolgreich war, sei insbesondere für die Erteilung zukünftiger Genehmigungen sehr wichtig, sagt Dreiling. Der Sprecher macht aber auch klar, dass man von einem rentablen Regelbetrieb der Lieferdrohnen noch sehr weit entfernt sei.
"Für einen wirtschaftlichen Einsatz muss noch an einige Stellschrauben gedreht werden", sagt Dreiling. Dazu müssten zum Beispiel Piloten gleich mehrere Drohnen gleichzeitig im Auge behalten. "Perspektivisch streben wir an, dass ein Pilot bis zu zehn Drohnen fernüberwacht." Bislang war es immer nur eine.
Drohne müsste noch autonomer werden
Bei der menschlichen Überwachung der autonom fliegenden Drohnen geht es vor allem darum, im Bedarfsfall einzugreifen. Taucht plötzlich ein nicht angemeldetes Luftfahrzeug auf oder geschieht sonst etwas Unvorhergesehenes, kann der Pilot den Flug der Drohne "pausieren". Die Drohne könnte dann beispielsweise kleine Kreise fliegen oder man lässt sie landen.
Auch die Wege per Fahrradkurier müsste man laut Dreiling einsparen, um kostendeckend fliegen zu können. Aber: "Wir dürfen noch nicht bis zum Endkunden fliegen." Dazu muss die Drohne noch eigenständiger werden, Gefahrensituationen erkennen, bewerten und gegebenenfalls mithilfe künstlicher Intelligenz eigenständig entscheiden.
Wissenschaft sehr zufrieden
Die Frankfurt UAS, die den Versuch vor allem aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet, zieht ein durchweg positives Fazit. "Wir konnten belegen, dass ein Regelbetrieb möglich ist", sagt der Projektbeauftragte Benjamin Federmann.
Es habe sich bestätigt, dass die Drohnen gerade im ländlichen Raum eine gute Ergänzung im Mobilitätsmix sein könnten, etwa beim Transport von Medikamenten. "Im Bereich Apotheke ist der Einsatz absolut sinnvoll." Lange Fahrtwege könnten dadurch vielleicht bald der Vergangenheit angehören.
Vor allem Ältere nehmen Angebot gut an
"Wir konnten auch belegen, dass das Angebot angenommen wird und die Grundlagen für die nachfolgende Forschung legen." Überraschend war für die Forscher, dass das rein digitale Angebot besonders von älteren Menschen über 50 Jahre wahrgenommen worden sei.
"Bei der Bewertung des Projekts muss man natürlich unterscheiden zwischen Hersteller, Dienstleister und Hochschule", sagt Federmann. Dass sich ein Einsatz wie im Odenwald für ein großes Unternehmen wie Wingcopter nicht rechne, sei nachvollziehbar. Es gebe aber regionale Player, für die das durchaus interessant sei.
Blick über die Landesgrenze
Der Forscher verweist zum Beispiel auf ein Projekt im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid. Dort wurde unter Beteiligung eines Bielefelder Start-Ups im Februar ein Drohnen-Linienflug zum Transport von Paketen zwischen zwei Firmen in Betrieb genommen. Für Händler biete der Drohneneinsatz ebenfalls gute Chancen.
Auch wenn das Pilotprojekt "Liefermichel" vorerst beendet ist, so läuft die Genehmigung für die Versuchsstrecke im Odenwald erst im Oktober 2025 aus. Bei Wingcopter überlegt man derzeit noch, ob man sie weiter gelegentlich nutzen will, etwa für Demo-Flüge.
Sendung: hr4, 9.4.2024, 6.30 Uhr
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