Strom mal kostenlos - mal ziemlich teuer Dynamische Stromtarife sind nicht zwingend günstiger
Die meisten Verbraucher in Hessen zahlen für Strom monatlich einen festen Betrag, dabei schwanken die Preise an den Strombörsen. Mittlerweile gibt es Tarife, bei denen die Kunden von Schwankungen profitieren können. Das ist nicht für jeden was.
Bei den dynamischen Stromtarifen kann sich der Preis für Strom in kurzer Zeit ändern. So einen Tarif hat Nabil El Kadi seit fast zwei Jahren. Wie viel er aktuell für Strom zahlen muss, kann der 34-Jährige aus dem südhessischen Oberzent (Odenwald) in einer App nachsehen.
Oft entscheidet er erst nach einem Blick in diese App, ob er die Spülmaschine oder Waschmaschine anstellt. "Vor allem das Elektroauto lade ich nach Möglichkeiten zu günstigen Zeiten, in der Regel nachts", erzählt El Kadi.
Auch am Wochenende sei der Strom oft günstig, dann werde die Waschmaschine mitunter dreimal hintereinander angeworfen, berichtet der 34-Jährige. Dieser Umgang mit dem Stromverbrauch war für den Südhessen erst einmal eine Umstellung. Immerhin erleichtert es ihm die Planung, dass er die Preise in der App schon einen Tag vorher angezeigt bekommt.
Kunde: "Das war für mich ein Schock"
Bei einem dynamischen Stromtarif richtet sich der Preis danach, wie viel der Strom beim Einkauf am Markt gekostet hat. Er kann sich mehrfach täglich, teilweise sogar stündlich ändern. Wie bei anderen Tarifen üblich, verlangen die Anbieter allerdings auch hier eine fixe monatliche Grundgebühr.
Ab diesem Jahr müssen alle Energieversorger solche Tarife anbieten. Die gibt es in Hessen etwa bei Mainova, Entega, OVAG und ESWE, zu überregionalen Anbietern zählt Tibber.
Kunde El Kadi aus Oberzent erzählt, Ende letzten Jahres sei Strom bei ihm überdurchschnittlich teuer gewesen, zeitweise habe die Kilowattstunde fast 1,30 Euro gekostet. "Das war für mich ein Schock." Aber die Familie habe an dem Tag einfach auf große Stromverbraucher, wie die Waschmaschine, verzichtet. Wenn lediglich das Licht brenne, werde man nicht gleich arm, so El Kadi.
Strom – manchmal quasi zum Nulltarif
An anderen Tagen hat es El Kadi zufolge Strom aber auch schon umsonst gegeben, da wurden nur die Netzentgelte, Steuern und Abgaben fällig. Alles in allem spart der 34-Jährige aus seiner Sicht auf jeden Fall Geld.
Bei seinem alten, klassischen Tarif habe er zu Zeiten der Energiekrise pro Kilowattstunde Strom über 40 Cents zahlen müssen, bei seinem dynamischen Stromtarif würden im Schnitt dagegen jetzt nur noch knapp 30 Cents fällig.
So wie hier seien dynamische Stromtarife damit aber auch nicht unbedingt günstiger als andere Tarife, sagt Melanie Seibt, Leiterin der Verbraucherzentrale in Kassel. Sie würden sich vor allem rentieren, wenn Kunden damit großen Aufwand betreiben. "Sie müssen sich mit ihrem eigenen Verbrauch auseinandersetzen und ihn in günstige Zeiten verlagern können", sagt die Expertin für Energierecht.
Die technischen Voraussetzungen müssen stimmen
Interessant sind die Tarife aus Sicht der Verbraucherschützerin, wenn Verbraucher zum Beispiel in der Lage sind, die Waschmaschine vom Büro aus anzustellen. Oder wenn sie programmieren können, dass der hauseigene Stromspeicher und das Elektroauto automatisch aufgeladen werden, sobald Strom günstig ist.
In der Regel sind das laut Seibt technikinteressierte Menschen, die daheim entsprechend ausgerüstet sein müssen. In erster Linie brauchen sie einen digitalen und intelligenten Stromzähler, mit dem ihr Verbrauch in sehr kurzen Intervallen gemessen werden kann. Außerdem sollten sie zuhause etwa über vernetzbare Haushaltsgeräte und andere Smart-Home-Anwendungen verfügen.
Vor dem Sparen muss Geld investiert werden
Das alles trifft auf André Scheidler zu. Der 32-Jährige wohnt in der Nähe von Marburg mit seiner Partnerin in einem Einfamilienhaus. Sie laden hier auch regelmäßig ihre beiden Elektroautos auf und kommen so auf einen Jahresverbrauch von 8.700 Kilowattstunden Strom. Dafür hat das Paar mit seinem dynamischen Stromtarif im vergangenen Jahr knapp 2.080 Euro ausgegeben.
Bei den Stadtwerken Marburg würden laut der firmeneigenen Webseite für denselben Verbrauch dagegen über 3.300 Euro fällig werden. In diesem Fall ist also eine deutliche Ersparnis zu sehen. Im Schnitt muss Scheidler pro Kilowattstunde Strom 0,24 Cents zahlen.
Begeistert ist der 32-Jährige insbesondere von seinem hauseigenen Stromspeicher. "Der wird automatisch aufgeladen, sobald Strom günstig ist", berichtet Scheidler. Und werde der Strom wieder teurer, gebe der Speicher den billigeren Strom wieder ins Hausnetz ab.
Das alles hat Scheidler selbst so eingerichtet. Zwar hilft ihm diese Technologie dabei, Geld zu sparen. Allerdings räumt er ein, dass er dafür zuvor erst mehrere tausend Euro investiert hat.
Verbraucher sollten schnell kündigen können
Ein weiterer Haken ist für Verbraucherschützerin Seibt, dass man dynamische Stromtarife kaum mit anderen vergleichen kann. "Auf den Internetvergleichsportalen wird der aktuelle Strompreis angezeigt, der kann sich aber stündlich ändern", sagt die Leiterin der Verbraucherzentrale Kassel.
Deshalb lohne es sich, auf die Webseite der Anbieter zu gehen und dort nachzusehen, wie der Preis genau berechnet werde und welche weiteren Kosten auf Verbraucher zukommen.
Achten sollten Verbraucher laut Seibt außerdem auf eine kurze Kündigungsfrist. Sie sollten den Vertrag innerhalb von vier oder gar zwei Wochen beenden können. Sollte ihnen der Strom bei einem Anbieter zu teuer werden, können sie so schnell zu einem anderen wechseln.