Probleme bei Frankfurter Traditionsläden Berger Straße wird zum Einzelhandels-Bermuda-Dreieck
Die Berger Straße im Frankfurter Stadtteil Bornheim verliert immer mehr prägende Läden und damit ein Teil ihres Gesichts. Die Lage für den Einzelhandel wird zunehmend komplizierter, immerhin von einem Traditions-Kaufhaus gibt es aber gute Nachrichten.
Im Zentrum des Frankfurter Stadtteils Bornheim klafft aktuell ein Loch. Dort, wo es sonst stets nach Pizza und Pasta roch, kann aktuell höchstens Baustaub eingeatmet werden. Die Tische, die spätestens mit den ersten Frühlings-Sonnenstrahlen vollbesetzt waren, wurden abgebaut und weggetragen.
Statt fröhlichem Geplapper und dem Klimpern von Besteck gibt es jetzt zwei Parkplätze mehr in der Oberen Berger Straße. Dolce Vita sieht anders aus.
Pizzeria macht nach 53 Jahren dicht
Der Grund dafür: Die altwehrwürdige Pizzeria "Dick & Doof" musste die Räumlichkeiten in Bornheim Mitte nach 53 Jahren verlassen. "Wir wollten nicht raus, wir mussten raus", hieß es in der kurzen Begründung. Ein weiterer Traditionsladen schließt, zurück bleiben eine ebenso hungrige wie traurige Kundschaft und die bange Frage: Geht das hier jetzt so weiter?

Die Pizzeria, die es neben Bornheim auch in Sachsenhausen gibt, hat zwar schnell eine neue Bleibe gefunden und versorgt nun auf der Mittleren Berger Straße kurz vor der Höhenstraße alle knurrenden Mägen mit Rigatoni, Calzone oder Pizzaschnecken.
Die Zahl der Einzelhändler und kleineren Restaurants, die jahrelang in Bornheim Mitte ansässig waren und der Oberer Berger Straße ihren besonderen Charme verliehen, wird aber immer kleiner. Mit den Mieten steigen die Probleme. "Da ist klar ein Trend erkennbar, die Berger Straße ist einfach nicht mehr bezahlbar", sagt Parminder Kaur, die Vorsitzende des Gewerbevereins Bornheim Mitte, im Gespräch mit dem hr.
Zahlreiche Geschäfte kämpfen oder geben auf
Spür- und sehbar ist das an vielen Orten: Das Juwelier-Geschäft Bähr, das seit 1981 in Riechweite des ehemaligen "Dick & Doof" Schmuck und Uhren an Mann und Frau brachte, wird spätestens im September dieses Jahres die Vitrinen leerräumen und für immer schließen.
Die neuen Eigentümer erhöhten die Miete, nach mehr als 43 Jahren ist Schluss. "Wenn es nach mir ginge, würde es noch Jahre weitergehen", sagte Goldschmiedin Marianne Bähr der Frankfurter Rundschau. "Dass ich irgendwann einmal aufhöre, war klar. Aber doch nicht so schnell."

Die Buchhandlung Schutt, seit den 90er-Jahren noch einmal rund 300 Meter weiter südlich in unmittelbarer Nähe des Uhrtürmchen beheimatet, ereilte bereits 2021 das gleiche Schicksal. Die Miete wurde verdoppelt, Räumung angedroht. Dass nur fünf Häuser weiter eine passende Ladenfläche frei wurde, war letztlich großes Glück und bewahrte die altehrwürdige Bücherei vor dem Untergang. "Ein 100 Quadratmeter großer Laden kostet hier 7.000 Euro Miete, das ist einfach zu viel für den Einzelhandel", so Kaur.
Das Gesicht der Berger Straße ändert sich
Weitere Beispiele gefällig? Vor ziemlich genau zwei Jahren verschwand mit dem Mystik-Kebab-Haus Frankfurts älteste Dönerbude von der kulinarischen Landkarte und der Berger Straße. Die hohe Pacht ließ über Jahre keinen Urlaub zu, das Besitzer-Ehepaar musste nach mehr als 40 Jahren kapitulieren. "Das hat uns nicht so gutgetan, wir waren rund um die Uhr da", sagte Saniye Harmanci damals der Bild.
Erst vor kurzem schloss zudem die Pizzeria Montana – im Frankfurter Bahnhofsviertel eine Institution, in Bornheim Mitte Geschichte. In den Räumen der Bar Zeitlos sorgen mittlerweile lediglich die XXL-Waschmaschinen eines Waschsalons für Umdrehungen. Dass zudem sogar ein Bio-Supermarkt in Bestlage schließen musste und die Gewerbeflächen seitdem leer stehen, ist ein eindeutiges Zeichen.
Die Berger Straße wird immer mehr zum Bermuda-Dreieck. Die Lage für Gewerbetreibende ist angespannt.
Einzelhandel hat in ganz Hessen zu kämpfen
Dass die Einzelhandels-Schwierigkeiten kein exklusives Frankfurter und schon gar kein Bornheimer Phänomen sind, ist hingegen auch klar. Laut dem Statistischen Landesamt ist die leichte Post-Corona-Erholung im vergangenen Jahr wieder deutlich abgeflacht. Landesweit stiegen die Umsätze nur noch um 0,5 Prozent an, die Zahl der im Einzelhandel tätigen Personen nahm sogar um 2,5 Prozent ab.
In Frankfurt stieg die für den Einzelhandel relevante Kaufkraft in den vergangenen Jahren zwar stets leicht an, im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie wurden 2023 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) aber immer noch rund 200 Millionen Euro weniger umgesetzt. Das geht aus Zahlen der Frankfurter Industrie- und Handelskammer (IHK) hervor.
Erst im vergangenen Jahr schlug die IHK deshalb in einem Offenen Brief Alarm. "Getrieben von der schwachen Konjunktur und der anhaltenden Konsumflaute setzt sich die Erosion der innerstädtischen Branchen Einzelhandel und Gastronomie unaufhaltsam fort - mit verheerenden Folgen für die Frankfurter Innenstadt", hieß es dort. Weniger Einnahmen, steigende Preise. Eine verhängnisvolle Mischung.
Geld regiert die (Bornheimer) Welt
Ein weiterer negativer Effekt der hohen Mieten ist zudem, dass immer mehr große Ketten oder Fast-Food-Läden auf die Berger Straße drängen. "Den Vermietern geht es um ihr Geld, nicht ums Konzept", bemängelt Kaur. Profit ist wichtiger als die Aufrechterhaltung eines heterogenen und pulsierenden Stadtbildes. Der berühmte Tante-Emma-Laden hat ohnehin schon lange ausgedient, selbst größere Einzelhändler haben gegen Schwergewichte von außerhalb aber keine Chance.
In London, wo es ähnliche Probleme gab und statt kleiner Fish-and-Chips-Stores immer mehr Donut-Vertriebe öffneten, gibt es deshalb seit einiger Zeit eine neue Regel. Sobald eine Gewerbefläche vermietet wird, muss das Konzept von Vertetern der Kommune freigegeben werden. "Das würde ich mir hier auch wünschen", so Kaur. Etwas mehr Liebe, etwas weniger Geld. Auch so kann es gehen.
Kaufhaus Meder bleibt bestehen
Bei aller Unsicherheit gibt es mitten in der Mitte Bornheims aber weiterhin immerhin ein Urgestein, das allen Widrigkeiten trotzt. Das Kaufhaus Meder, in dem es seit dem Jahr 1876 so gut wie alles gibt, was kleine und größere Frankfurter Herzen begehren, ist vom Hissen der Weißen Fahne weit entfernt. Die allgemeine Entwicklung sei zwar negativ, wie Geschäftsführer Christian Völker im Gespräch mit dem hr betonte. "Sie ist aber noch nicht dramatisch."
Und obwohl hinter vorgehaltener Bornheimer Hand schon lange über ein mögliches Ende des mehr als 140 Jahren alten Riesens getuschelt wurde, gibt es laut Völker, der den Laden in fünfter Generation leitet, aktuell keinen Grund zur Sorge. "Im Vergleich zu anderen Stadtteilen sind wir hier noch gut aufgestellt", betonte er. "Wir schauen positiv nach vorne, ich will noch 40 Jahre weitermachen."
Ihre Kommentare Wie ist das Einzelhandel-Angebot bei Ihnen vor Ort?
38 Kommentare
-
@Konstanze Wühr:
Wüstenei Preungesheim?
2 Bäcker, davon einer mit Café, Metzger, Sparkasse, Supermarkt, Eiscafé, Dönerladen, Asia-Imbiss, Asia-Restaurant, Apotheke, Pizzeria ... - ich kann hier keine Wüste entdecken.
Wohne seit 17 Jahren hier und bin zufrieden.
Dass es hier im Stadtteil kein "Kaufhaus für alles" gibt, ist doch klar. -
Das ist nicht mehr unsere Bergerstrasse es gibt kaum noch Einzelhandels Geschäfte aber ein Lokal nach dem anderen.Sie sollen sich mal ein Beispiel an der Mainzer Innenstadt nehmen, da gibt es noch viele kleine schöne Geschäfte .
-
Die hohen Mietpreise für Ladengeschäfte sind doch nur die eine Seite. Oft achten diese auf Qualität und sind damit im Einkauf unter Umständen etwas teuerer als die großen Ketten. Also würde es auch an uns als Kunden liegen in den kleinen Läden den Umsatz zu fördern. Ich habe keine Ahnung wie die rechtliche Lage ist, ob die Städte eine Handhabe für die Zusammensetzung der Ladengeschäfte haben. Vielleicht wären Markthallen pro Viertel, von der Stadt betrieben (ähnlich den PopUp-Stores die jetzt häufig eingerichtet werden) eine Lösung. Dann würde die Stadt die Miete kontrollieren. Quasi also eine deutliche Ausweitung der bereits stattfindenden Wochenmärkte.
Dieser Beitrag kann nicht mehr kommentiert werden.