Ende des Corona-Booms Fahrradhändler reduzieren Preise wegen voller Lager

Volle Lager statt schier endlosem Kundenandrang, Rabatte statt Preiserhöhungen: Nach dem Corona-Boom findet sich die Fahrradbranche auf dem Boden der Realität wieder. Die Hoffnungen ruhen auf E-Bikes.

"Mache mer schon" ("Machen wir schon") steht auf hessisch am Schaufenster eines Fahrradgeschäftes am Rande der Innenstadt Frankfurts.
"Mache mer schon" steht im April 2020 am Schaufenster eines Fahrradgeschäftes am Rande der Innenstadt in Frankfurt. (Archivfoto) Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Fahrradhändler reduzieren Preise wegen voller Lager

hs 20.06.2023
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Wenn sich Händler und Hersteller bei der Branchenmesse Eurobike von Mittwoch an in Frankfurt treffen, haben viele zwar ein schönes Geldpolster im Rücken, doch die Lage ist durchwachsen. Vorteil für Kunden: Die Zeit für den Fahrradkauf ist so günstig wie lange nicht.

Am Samstag und Sonntag ist die Messe für alle Fahrradfans und Interessierte geöffnet. Im vergangenen Jahr fand die Fahrrad-Messe zum ersten Mal in Frankfurt statt. Die Veranstalter zogen eine positive Bilanz.

Viele Kunden mussten lange auf Rad warten

"Der Corona-Boom, in dem die Leute kaufen, was sie kriegen können, ist vorbei", sagt Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV). Zudem belastet die hohe Inflation die Verbraucher. Das Segment der einfachen klassischen Räder bis etwa 700 Euro habe es schwer, sagt Stork. "Die Lager sind voll, und erste Hersteller spüren das beim Umsatz und bei den Aufträgen."

Noch in der Pandemie erlebte die Fahrradbranche goldene Zeiten. Damals konnten sie sich vor Kunden kaum retten, die den Solo-Sport Radeln entdeckt hatten und Busse oder Bahnen mieden. Doch die Produktion kam nicht hinterher - viele Kunden mussten wegen Lieferproblemen lange warten.

Lieferungen für 2022 und 2023 auf einmal

Manche bekamen ihr Modell erst, als die sommerliche Radsaison fast vorbei war - bei deutlich höheren Preisen. Im Corona-Jahr 2020 erzielte die Branche einen Absatzrekord, der Umsatz sprang laut Statistischem Bundesamt um rund ein Drittel hoch.

Also bestellten Händler noch mehr Ware. 2022 stieg die Produktion bundesweit laut ZIV auf den Höchstwert von 2,6 Millionen Rädern. Doch ab Herbst drehte sich der Markt. Hersteller lieferten plötzlich große Mengen Räder. "Teilweise kamen Lieferungen für 2022 und 2023 auf einmal", sagt Stork.

"Zehn bis 15 Prozent Rabatt sind möglich"

Das Ergebnis sind Bestände und Vorbestellungen bei den Händlern, die weit über dem Bedarf für dieses Jahr liegen. Mit Nachlässen sollen die Räder nun aus den Lagern. Pech für die Branche: Der nasse Frühling ließ die Geschäfte nur schleppend anlaufen.

"Zehn bis 15 Prozent Rabatt sind möglich", sagt ZIV-Geschäftsführer Stork. In der Pandemie seien die Produktionskosten hochgeschossen. Nun normalisierten sie sich, Lieferkettenprobleme hätten sich fast vollständig eingependelt. Räder würden aber nicht verramscht, meint er.

E-Bikes überholen bei Verkaufszahlen normale Räder

Die Hoffnungen der Branche ruhen auf E-Bikes, die dieses Jahr erstmals traditionelle Räder bei den Verkaufszahlen überholen dürften, wie der ZIV schätzt. Schon 2022 wurde mit 2,2 Millionen E-Bikes ein Absatzrekord erreicht, während der Verkauf herkömmlicher Bikes um 300.000 auf 2,4 Millionen Stück fiel.

Längst hat sich die Fahrradindustrie auf die Produktion lukrativer E-Bikes eingestellt. Dank des hohen E-Bike-Anteils hat sich der Umsatz der Branche binnen zehn Jahren auf 7,4 Milliarden Euro fast vervierfacht.

90 Prozent der verkauften Mountainbikes elektrifiziert

"Der Boom bei hochwertigen E-Bikes hält weiter an, wir sehen keine Marktsättigung", sagt Stork. Der Trend zum E-Bike gehe "quer durch alle Kategorien". Sportliche Räder wie Gravel- und Mountainbikes mit Motor seien gefragt, Lastenräder ohnehin.

Bei Mountainbikes etwa seien bereits 90 Prozent der verkauften Räder elektrifiziert. Der Trend zu technisch hochwertigen und damit auch teureren Rädern werde vom Boom der Diensträder angetrieben. "Bei den Monatsraten merkt man kaum, ob ein Fahrrad 3.000 oder 4.000 Euro kostet", meint Stork.

"Radfahren zumindest gleichstellen"

Die Gefahr einer bevorstehenden Branchenkrise mit Jobabbau sieht er nicht. Manche Hersteller hätten zwar derzeit mehr Personal als nötig, wollten das aber wegen des Fachkräftemangels halten. "Wir sehen, dass der Verkauf im Handel wieder stark anzieht und gehen davon aus, dass sich die Lage auch für die Produzenten bald wieder bessert."

Mehr Unterstützung wünscht sich der ZIV von der Politik: "Wir haben 75 Jahre lang Politik für das Auto gemacht, nun müssen wir das Radfahren zumindest gleichstellen." Es gelte, Dinge auszuprobieren, die in Ländern wie den Niederlanden längst Standard seien: wie große Parkhäuser für Fahrräder und ein Netz breiter, gut ausgebauter Radwege. Stork findet: "Wir brauchen Mut zum Umdenken der Städte."

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, maintower, 20.06.2023, 18 Uhr

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Quelle: dpa/lhe