Ohne Öl und Gas Wie Bewohner in Bioenergiedörfern Heizkosten sparen
Die Energiekrise mit hohen Preisen bereitet den Bewohnern des Bioenergiedorfs Heubach im Kreis Fulda kaum Sorgen. Die meisten von ihnen sind unabhängig von Öl, Gas und Energieversorgern - dank eigener Dorfheizung.
Die gestiegenen Energiepreise belasten viele Menschen in Hessen und bereiten nicht selten Geldsorgen. Die meisten Bewohner in Kalbach-Heubach im Landkreis Fulda können hingegen trotz vielerorts hoher Gas- und Ölpreise entspannt bleiben.
Denn 90 Prozent der Menschen in dem 700 Einwohner zählenden Ort nutzen ein dorfeigenes Nahwärmenetz. Es macht sie unabhängig von Energieversorgern und Konzernen - und spart Heizkosten.
"Dorfheizung" versorgt über 100 Gebäude
Vor Jahren haben sie in Heubach eine Bioenergie-Genossenschaft gegründet und ein Blockheizkraftwerk gebaut. In dem werden Holzhackschnitzel und Holzreste zur Wärmegewinnung verwertet.
Über ein mehrere Kilometer langes Leitungsnetz ist eine große "Dorfheizung" entstanden, wie sie es in Heubach nennen. Mehr als 100 Gebäude sind angeschlossen und nutzen erneuerbare Energie.
Weniger Heizkosten im Jahr
Johannes Peters ist Vorstandssprecher der Genossenschaft. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in einem Einfamilienhaus mit 230 Quadratmetern Wohnfläche. Wenn er mit Öl heizen würde, müsste er nach eigenen Angaben 2.500 bis 3.000 Euro pro Jahr zahlen. Bei der Dorfheizung sind es zuletzt nur rund 1.800 Euro gewesen, wie Peters vorrechnet. Aktuell koste ihn die Kilowattstunde nur 6,1 Cent.
Peters sagt: "Wir sind alle sehr froh in Heubach über die Dorfheizung. Die Energiekrise kann uns wenig anhaben. Mit Holzhackschnitzeln sind wir besser aufgestellt als mit Öl und Gas. Es war die richtige Entscheidung, das Projekt durchzuziehen."
"Jeden Abend in den Gräben gestanden"
Geboren wurde die Idee im Jahr 2008. In Betrieb gegangen ist die Heizung 2012. Bis dahin haben die Heubacher viel Eigenleistung beigesteuert. Bewohnerin Ursula Wagner erinnert sich: "Die Mitglieder und ganz besonders der Vorstand haben jeden Abend in den Gräben gestanden und Leitungen verlegt."
Einkaufen konnte sich Johannes Peters in die Genossenschaft für eine Einlage von 4.000 Euro. 3.000 Euro kamen für den Anschluss hinzu. Eine eigene Heizung hätte ein ein Vielfaches gekostet.
Besucher haben großes Interesse
Die Heubacher haben mit ihrer Dorfheizung auch Mut und Pioniergeist bewiesen. "Wir waren eine der ersten Ortschaften in der Gegend, die das umgesetzt haben."
Mittlerweile gebe es viele Interessenten, die es den Heubacher gleichtun möchten. "Es herrscht reges Interesse. Wir haben mehrmals im Jahr Besucher, die sich alles zeigen und erklären lassen. Selbst aus China war schon eine Gruppe hier", berichtet Peters.
Andere erneuerbare Quellen nötig
Am häufigsten verwendet wird in Nahwärmenetzen die Hackschnitzelverbrennung mit angeschlossener Biogasanlage, wie das hessische Wirtschaftsministerium berichtet. Es gebe aber auch Abwärmenutzung (wie bei einem Holzkraftwerk in Cölbe-Schönstadt) und Holzvergasermotoren wie in Kalbach-Heubach.
Da das Biogas-Potenzial nicht beliebig gesteigert werden kann, werden sich künftige Nahwärmenetze in Kommunen vor allem auf andere erneuerbare Quellen wie Sonnenenergie und Geothermie stützen müssen, wie das Wirtschaftsministerium einschätzt. So plant derzeit die Energiegenossenschaft Solarwärme Bracht aus Rauschenberg (Marburg-Biedenkopf) eine Kombination aus Solar- und Bioenergie.
Rund 80 Energiegenossenschaften in Hessen
Einige Dörfer und Gemeinden in Hessen haben sich bereits zum Bioenergiedorf entwickelt und versorgen sich mit Wärme und Strom aus Biomasse. Eine Karte der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe zeigt, wo in Hessen dieser Schritt vollzogen wurde.
Bioenergiedörfer haben nach Angaben des hessischen Wirtschaftsministeriums eine fast 20-jährige Geschichte im Land. Zu den ältesten zählen Schöffengrund-Schwalbach (Lahn-Dill), Wetter-Oberrosphe (Marburg-Biedenkopf), Freiensteinau-Gunzenau (Vogelsberg) und Breuberg Rai-Breitenbach (Odenwald).
Mittlerweile gibt es laut dem Landesnetzwerk Bürgerenergie-Genossenschaften rund 80 Energiegenossenschaften in Hessen. Die meisten davon nutzen Photovoltaik oder Windenergie. Nur etwas mehr als 20 haben eigene Nahwärmenetze, wie Vorstand Jürgen Staab sagt. Einen Schwerpunkt gebe es nördlich von Marburg, wo mehr als ein halbes Dutzend Genossenschaften in kleineren Orten existierten.
Kein Boom bei Gründungen
Angesichts der aktuellen Energiekrise, sagt Staab, machten sich einige Kommunen Gedanken über eine umweltbewusste und günstigere Energieversorgung. Es sei schließlich eine "hervorragende Methode" zur Wärmegewinnung und leiste einen Beitrag zur Energiewende. Dennoch könne man aktuell nicht von einem Boom zur Gründung von Energiegenosenschaften sprechen.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass ein solches Konzept sich nicht für jeden Ort eigne. Martin Grobber, Referent für Energierecht, sagt: "Es kann nur rentabel laufen, wenn weite Teile des Dorfes die Idee mittragen und sich anschließen. Wer sich gerade erst für mehrere zehntausende Euro eine neue Heizung gekauft hat, wird weniger Interesse haben." Wenn ein tragfähiges Konzept vorliege, sei es sehr begrüßenswert. "Weil dann die Wertschöpfung auch in der Region bleibt."
Von besonders großer Identifikation mit dem Projekt zeuge, wenn die Mitglieder der Energiegenossenschaft selbst mit anpacken beim Aufbau der Anlagen und des Netzes. "Das alles setzt eine funktionierende Gemeinschaft im Ort voraus", betont Grobber.
Sendung: hr4, 28.02.2023, 15.30 Uhr
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