Neues Eigenheim trotz Widrigkeiten Nach Baustopp und Zusatzkosten - Familie zieht in Idsteiner Ringgassenhöfe ein

Beim Bauprojekt Ringgassenhöfe in Idstein war im Dezember 2022 Baustopp. Dann passierte zwei Jahre lang nichts. Nun tut sich was: Es wurde Insolvenz angemeldet, und die erste Familie ist eingezogen.

Eine Frau und ein Mann stehen lächelnd in einer Türöffnung, die Frau hebt einen Arm, der Mann ballt die Faust. Zwischen ihnen steht eine weitere Person, die einen kleinen schwarzen Hund hält. Rechts im Bild steht ein kleiner Blumenständer mit Pflanzen, links hängt ein Blumenkasten mit violetten Blumen am Geländer. Ein weiterer kleiner Hund sitzt auf dem Boden.
Familie Leopold nebst Dackel ist im neuen Haus in Idstein eingezogen - auch wenn der Bau noch nicht ganz fertig ist. Bild © hr

Familie Leopold ist glücklich. Am 1. Februar ist sie in den Ringgassenhöfen in Idstein (Rheingau-Taunus) eingezogen - endlich ein Eigenheim. "Ich habe auf dem Weg viele Haare und Nerven gelassen", sagt Dennis Leopold. Und Geld.

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Zur ohnehin großen Investition bei der Ratenzahlung für das Reihenhaus kamen durch einen langen Baustopp, durch Zinsen für ungenutzte Kreditraten und auch durch Anwaltskosten bis zu 80.000 Euro hinzu, schätzt er. Freunde und der Schwiegervater hätten ihm finanziell unter die Arme gegriffen.

Baustopp zwei Jahre nach dem Richtfest

Die Ringgassenhöfe in Idstein-Wörsdorf sahen am Anfang wie ein ganz normales Neubauprojekt aus: Sechs neue Reihenhäuser, zwei kleine Häuser, acht Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Spatenstich war im September 2020. Bis zum Richtfest hat es dann bis Mai 2022 gedauert. Sieben Monate später kam das Projekt zum Erliegen - Baustopp.

Eine Baustelle mit zwei Gebäuden, die renoviert werden. Das linke Gebäude hat große Fenster; das rechte hat ein Baugerüst. Im Vordergrund parken drei Autos, eines trägt das Logo "hr". Teile des Daches fehlen. Der Himmel ist bewölkt mit einigen blauen Flecken.
Nach viereinhalb Jahren Bauzeit noch lange nicht fertig: die Ringgassenhöfe in Idstein-Wörsdorf. Normalerweise wird die Bauzeit für ein Mehrfamilienhaus auf ein bis zwei Jahre geschätzt. Bild © hr

Keine schnelle Einigung

Die Handwerker hörten auf zu arbeiten. Die Firma, die den Bau errichten ließ, die DEAG in Wiesbaden, zahlte nicht mehr. Grund laut DEAG: Durch Corona, Ukraine-Krieg und Inflation seien die Baukosten im Jahr 2022 stark gestiegen.

Es folgte ein zähes Ringen: Die DEAG versicherte den Käufern, es werde weitergehen. Die Bank schlug einen Deal vor, die Käufer waren uneins. "Bis Mitte 2024 haben sich Wohnungskäufer und Bauträger um eine schnelle Fertigstellung bemüht", so der Geschäftsführer der DEAG, Peter Koehn, in einer schriftlichen Mitteilung. "Das wäre für alle Beteiligten besser gewesen."

Hauskäufer meldet Insolvenz von Baufirma an

Schließlich meldete einer der Käufer dem Insolvenzgericht Wiesbaden, die DEAG in Wiesbaden sei insolvent. Eine solche Fremdinsolvenz, die nicht von der Firma selbst, sondern von einem Gläubiger angemeldet wird, gilt als selten. Nach einem Gutachten beschloss das Insolvenzgericht Wiesbaden, das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Firmenschild hängt noch

Die DEAG Holding wurde laut Handelsregister aufgelöst. An den ehemaligen Geschäftsräumen der Firma in der Wiesbadener Wilhelmstraße hängt noch das Firmenschild, aber Unterfirmen wie die DEAG Verwaltungs GmbH und die DEAG Consulting existieren laut Peter Koehn nur noch, um das Bauprojekt in Idstein und ein zweites Projekt in Naurod abzuwickeln. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Insolvenzverschleppung.

Familie Leopold: "Wir nehmen den Baulärm gerne hin"

Aus Sicht von Hauskäufer Dennis Leopold war am Ende das per Gericht eingeleitete Insolvenzverfahren die Rettung. Er konnte dadurch endlich selbst Eigentümer seines fast fertigen Reihenhauses werden. Die Familie konnte dann die restlichen Arbeiten in Eigenregie machen lassen.

Jetzt ist alles eingerichtet und die Familie mit Frau, Tochter und Dackel ist eingezogen. Möglicherweise sind die Leopolds jetzt die einzige Familie in Hessen, die glücklich ist, auf einer Baustelle zu leben. "Wir nehmen den Baulärm gerne hin", sagen sie.

Käufer bauen als Eigentümergemeinschaft weiter

An den anderen Häusern in der Nachbarschaft der Leopolds wie etwa dem Mehrfamilienhaus ist noch deutlich mehr zu tun. Dort war der Baufortschritt längst nicht so weit. Die Käufer können jetzt als Eigentümergemeinschaft ihre Ringgassenhöfe weiterbauen.

Es gibt gemeinsame Kosten, zum Beispiel für Fassade und Dach. Deren Aufteilung ist noch nicht abschließend geklärt. Einige Käufer sind nach eigenen Angaben zuversichtlich, dass es eine schnelle Lösung geben wird, andere sind skeptischer. Wie lange die Fertigstellung zum Beispiel des größeren Mehrfamilienhauses am Ende dauert, ist offen. Zunächst soll die Außenhülle fertig gebaut werden, dann folgt der Innenausbau.

Auch in Wiesbaden sind Käufer von der DEAG-Insolvenz betroffen

Die 16 Käufer in Idstein-Wörsdorf sind nicht die einzigen, die unter der Zahlungsunfähigkeit der DEAG leiden. Sechs Parteien in Wiesbaden-Naurod haben in das Projekt "Magnolia" investiert und leiden ebenso. Auch dort gab es vor langer Zeit einen Baustopp.

Die teure Hängepartie könnte mit dem angestoßenen Insolvenzverfahren allmählich zu Ende gehen. Denn auch in Naurod konnten die Käufer nun selbst Eigentümer werden.

Auf dem Bild ist ein im Bau befindliches Gebäude zu sehen, umgeben von einem Metallzaun. Am Zaun hängt ein gelbes Schild mit den Aufschriften „INFO HIER“, „DEAG Projektentwicklung“, der Webseite "www.deag-real.de" und der Telefonnummer "0611 7906 5422". Daneben ist ein Schild mit der Aufschrift "BAUZAUNING.DE" zu sehen. Im Hintergrund sind Betonwände und Fenster des Gebäudes erkennbar.
Mitten im Wohngebiet verwildert das Grundstück des Bauprojektes "Magnolia". Bild © hr

Rohbau ist "kein schöner Anblick"

Das kleine Dorf Naurod leidet unter dem verwildernden Grundstück und dem Rohbau mitten im Wohngebiet. "Kein schöner Anblick", sagen die Nachbarn. "Sowas im Ortsbild stört", sagt auch Ortsvorsteher Wolfgang Nickel. Der Ortsbeirat sei gleich aktiv geworden. "Wir haben die Stadt Wiesbaden mit der Baubehörde eingeschaltet und auch selbst die DEAG angerufen."

Ohne Ergebnis. Im Endeffekt sei der Ortsbeirat hier machtlos. "Mir tun die sehr leid, die da gekauft haben. Die haben sehr, sehr viel Geld investiert. Ihr ganzes Geld manchmal!", sagt Nickel.

Schutzlose Verbraucher

Die Fälle in Wörsdorf und Naurod sind nicht nur ärgerlich für die Betroffenen. Sie zeigen auch die Schutzlosigkeit von Verbrauchern, wenn der Bauträger Pleite geht. Die Familien haben investiert, ihr Geld steckt bei einem Baustopp fest.

Andere Länder regeln das besser, schreibt tagesschau.de, indem zum Beispiel die Käufer eine Versicherungspflicht haben oder die Bank einspringen muss. In Deutschland wird schon länger vom Staat mehr Schutz für die Käufer gefordert. Das wird bei einer Baukrise umso wichtiger.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue

Die DEAG-Fälle in Wörsdorf und Naurod haben eine weitere Besonderheit: Ein ehemaliger Geschäftsführer könnte Geld der Käufer veruntreut haben. Geschäftsführer Peter Koehn schreibt, dass er die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen früheren Geschäftsführer angestoßen "und mit Dokumenten und meiner Zeugenaussage unterstützt" habe. Um wieviel Geld es geht und was damit passiert sein soll, dazu macht die Staatsanwaltschaft keine Angaben.

Damit wäre in diesen Fällen nicht allein die Baukrise Schuld am jahrelangen Baustopp, sondern auch das Fehlverhalten eines Einzelnen. Es ist bislang nur ein Verdacht, es gilt die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt wegen Untreue.

Redaktion: Katrin Kimpel

Sendung: hr1,

Quelle: hessenschau.de