Weltweit größte Radmesse in Frankfurt Diese 8 Fahrrad-Trends gibt es auf der Eurobike zu sehen
Blinkende Helme, mehr Technik oder ein Ventil, das Aufpumpen revolutionieren soll: Auf der weltweit größten Radmesse Eurobike stellt die Branche in Frankfurt ihre Neuheiten vor. Ein Trend ist dabei unübersehbar.
Das Radfahren der Zukunft ist elektrisch. In den Ausstellungshallen der weltweit größten Fahrradmesse Eurobike in Frankfurt reihen sich E-Bikes an E-Bikes. Auch auf der rund dreieinhalb Kilometer langen Teststrecke überholt ein Fahrrad mit Elektro-Antrieb das andere. Mal als sportliches Mountainbike, mal als schlichtes Alltagsrad, als Lastenrad für den Einkauf, mit Platz für zwei Kleinkinder, als Paketzustellfahrzeug oder als Statussymbol.
Auf der Messe, die nach drei Fachpublikumstagen ab dem Wochenende für alle Radbegeisterten zugänglich ist, wird deutlich: Das Fahrrad ist ein Politikum - und eine teure Anschaffung.
Was Sie vor Ort erwartet und welche Innovationen die internationale Radbranche bietet - acht Trends:
- Ein E-Bike für alle
- Auto-ähnliche Räder
- Wieder leichter und schlichtere E-Bikes
- Lastenräder schrumpfen
- Das Paket kommt mit dem Rad
- Smartes Zubehör: Blinkende Helme und Fingerabdruck-Schlösser
- Luftpumpen leicht gemacht
- Nachhaltiger, austauschbarer, individueller
Ein E-Bike für alle
Ein Fahrrad, das ohne Elektro-Motor und nur noch mit Tretantrieb funktioniert, ist auf der 32. Eurobike mit rund 1.800 Ausstellern aus 60 Ländern kaum noch zu sehen. Ein Trend, der sich auch im deutschen Absatzmarkt widerspiegelt: Schon im vergangenen Jahr waren laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) erstmals mehr E-Bikes als Räder ohne E-Motor verkauft worden.
Dabei bedienen die Hersteller mit ihren neuen E-Bikes ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Zielgruppen, wie bei einem Gang durch die Messehallen in Frankfurt deutlich wird. So werden viele E-Bikes wieder Fahrrad-ähnlicher, das heißt leichter und schmaler, während andere zunehmend von der Anmutung und Technik dem Auto ähneln. E-Bikes fahren als Unterstützung zum üblichen Treten in die Pedalen bis zu 25 Kilometer pro Stunde, sogenannte S-Pedelecs sogar bis zu 45 Kilometer pro Stunde - für letztere braucht es mindestens eine Mofa-Prüfbescheinigung und ein Versicherungskennzeichen.
Die Preise für die E-Bikes unterscheiden sich dabei deutlich. Auf der Messe starten die neuesten Modelle bei etablierten Herstellern ab etwa 3.800 Euro. Der Brutto-Durchschnittspreis lag 2023 nach Angaben des ZIV für E-Bikes bei rund 2.950 Euro, Tendenz steigend, wobei Lastenräder mit E-Motor teurer als ein klassisches E-Bike sind. Nach oben ist der Preis offen: Je individueller und ausgestatteter, desto teurer. 7.000 Euro sind da keine Seltenheit.
Wieder leichtere und schlichtere E-Bikes
Die Motoren und Akkus sind wieder kleiner, die Reichweite geringer und von außen ist der im Rahmen verbaute Elektro-Motor nur noch anhand eines Ladeanschlusses zu erahnen: E-Bikes werden wieder Fahrrad-ähnlicher. "Selbst wenn die Batterie dann leer ist, kann man das E-Bike als normales Fahrrad weiterfahren", sagt ein Mitarbeiter am Stand des norddeutschen Herstellers Kalkhoff. Das Unternehmen bietet leichtere "Light"-Varianten für ihre gängigen Modelle an.
20 anstatt rund 30 Kilo wiege ein solches Rad - darunter gebe es auch ein Modell, das für den Alltag in der Stadt gemacht sei. "Die eignen sich dann vor allem für Leute, die ihr Rad in den Keller tragen müssen oder eine Treppe rauf." Der eigebaute Akku von 400 Wattstunden hat eine Reichweite von etwa 80 Kilometern, ein Fahrradkorb und Fahrradtaschen haben Platz am Radgestell. Kaufpreis: ab 3.899 Euro.
Auch am Stand des südhessischen Herstellers Riese & Müller aus Mühltal (Darmstadt-Dieburg) gibt es ein Modell ab 3.999 Euro, das zwar ein E-Bike ist, aber auf den ersten Blick kaum wie eines aussieht. Der verbaute Motor ist mit nur zwei Kilogramm kleiner, leichter und leiser, wie ein Angestellter vor Ort erklärt: "Die neue Generation an Motoren verlangt, dass der Fahrer oder die Fahrerin auch selbst wieder mehr macht." Es gebe einen Trend "zurück zum klassischen Fahrradfahrgefühl". Lange Reichweiten stünden nicht im Fokus.
Auto-ähnliche Räder
Die einen werden leichter, die anderen legen zu - an Technik, Ausstattung und Einsatzmöglichkeiten. So sind einige neue E-Bikes mit dem von Autos bekannten Antiblockiersystem (ABS) ausgestattet. Eines davon und einer der Hingucker auf der Messe ist das neue Kalkhoff-Modell "Entice 7+", das im Frühjahr 2025 auf den Markt kommen soll und auf der Eurobike präsentiert wurde - unter strengen Regeln: Nur Medien durften das Modell fotografieren.
Es gilt als der "SUV" unter den E-Bikes, es soll nicht nur als Mountainbike oder als Tourenrad genutzt werden, sondern als Allrounder, erklärt ein Mitarbeiter. Vollgefedert, mit einem zugelassenen Gesamtgewicht von 170 Kilo, 800 Wattstunden Akku, mit Schutzblech und Reifen für jedes Terrain ist es die Gegenentwicklung zum wieder leichter werdenden E-Bike. Der Preis ist doppelt so hoch wie der Brutto-Durchschnittspreis für ein E-Bike im vergangenen Jahr: ab 6.999 Euro.
Aber nicht nur die Technik ähnelt zunehmend Autos, auch immer häufiger sind Fahrräder mit vier Rädern auf der Messe zu beobachten - als Liegefahrrad wie beim Hersteller HP Velotechnik aus Kriftel (Main-Taunus) oder als Schwerlast-Fahrrad, das in anderen europäischen Ländern schon als Zustelldienst für Pakete eingesetzt wird.
Lastenräder schrumpfen
Im E-Bike-Handel ist der Verkauf von E-Lastenrädern im vergangenen Jahr laut ZIV am stärksten gestiegen. Dazu zählen Lastenräder mit Elektro-Antrieb, die Sitzmöglichkeiten für Kinder bieten oder größere Einkäufe, Instrumente oder andere Gegenstände transportieren können. Während in den Städten derzeit größere Modelle mit Boxen am Vorderrad durch die Straßen flitzen, sind die E-Lastenräder auf der Eurobike kompakter, kleiner und bieten auch Sitzmöglichkeiten für Kinder am Hinterrad mit langgezogenem Gepäckträger.
"Wir sehen, dass immer mehr Familien damit ihr Zweitauto oder ihr Auto komplett ersetzen", sagt ein Mitarbeiter von Riese & Müller. Wochenendeinkäufe und zwei Kinder könnten damit transportiert werden. Die kompakteren E-Lastenräder bräuchten wenig Platz, böten aber viel Platz für den Transport, was zum Beispiel im urbanen Raum gebraucht werde. Preis: ab 5.799 Euro.
Das Paket kommt mit dem Rad
Was auf der Messe futuristisch wirkt, ist in anderen europäischen Ländern mit einer Vorreiter-Infrastruktur fürs Fahrradfahren schon Realität. Das DHL- oder FedEx-Paket kommt mit dem E-Lastenrad zur Haustür. In Skandinavien, Frankreich oder den Niederlanden sei das Lieferwagen-Rad schon bei Paketzustelldiensten im Einsatz, wie ein Angestellter des Anbieters Fulpra auf der Eurobike sagt.
Die Auslieferung sei in der Innenstadt oder in engen Altstädten viel schneller als mit dem Transporter. Logistikdienste würden dazu Lager in Innenstadt-Nähe errichten, von dort würden die Pakete mit E-Lastenrädern verteilt. Die Folge: Mit dem E-Lastenrad könnten im selben Zeitraum mehr Auslieferungen zu geringen Kosten vorgenommen werden.
Mit bis zu 25 Kilometer pro Stunde wird das Lieferdienst-Lastenrad elektronisch unterstützt - wie ein normales E-Bike. Weil es in Amsterdam ein Tempolimit von 30 km/h gebe, fäht der Lastenrad-Lieferwagen dort auf der regulären Straße, berichtet ein Mitarbeiter. Sonst sei das Fulpra-Rad in anderen Städten aber auf dem Radweg unterwegs. 60 bis 80 Kilometer Reichweite habe der Akku, das Rad drei oder vier Räder und ein maximales Ladegewicht von 350 Kilogramm.
Blinkende Helme und Schlösser mit Fingerabdruck
Nicht nur die Räder werden smarter (Stichwort: ABS-System), sondern auch das Radzubehör. So gibt es immer mehr Fahrradhelme, die beim Abbiegen links oder rechts an der Hinterseite aufleuchten, um die nachfolgenden Rad- oder Autofahrer zu warnen.
Bei einem neuen Modell von Abus, der im rheinland-pfälzischen Rehe an der hessischen Landesgrenze nahe Herborn (Lahn-Dill) einen Produktionsstandort hat, steuert der Fahrer das Blinken an einer am Lenker befestigten Fernbedienung. Wenn man abbiegt, drückt man rechtzeitig den entsprechenden Knopf für die jeweilige Richtung. 2025 kommt der blinkende Helm auf den Markt - in drei Varianten ab 200 Euro.
Wie Smartphones können auch Fahrradschlösser per Fingerabdruck entsperrt werden. Schon jetzt sind solche Schlösser im Handel, die sich per App oder mit dem Finger öffnen lassen. Auch Marktführer Abus stellt auf der Eurobike sein neues Touch-ID-Schloss vor, das auf bis zu 20 Fingerabdrücke konfiguriert werden kann. Ab 100 Euro soll solch ein Kettenschloss ab 2025 von Abus mit Touch ID zu kaufen sein, in zwei unterschiedlichen Längen, wie ein Mitarbeiter am Stand ankündigt.
Luftpumpen leicht gemacht
Das alte Ventil ausschrauben, das neue Klick-Ventil draufsetzen - und einfacher das Rad aufpumpen. Kein Abrutschen, kein Festhalten am Ventil beim Pumpen und keine Luft, die zwischen Ventil und Luftpumpe entweicht. Das verspricht das neue Klick-Ventil vom deutschen Hersteller Schwalbe, der vor allem Reifen und Schläuche für Fahrräder produziert. "Das neue Klick-Ventil wird zum neuen Standard werden", kündigt ein Mitarbeiter von Schwalbe auf der Messe an.
Entworfen hat es ein US-Amerikaner, Schwalbe hat es zunächst für den europäischen Markt lizenziert. Das Klick-Ventil gebe es zum Aufrüsten für alle gängigen drei Ventile: Dunlop-Ventil, Autoventil und Sclaverand-Ventil. Kosten soll das neue Produkt unter 20 Euro, ab Ende August soll es in den Handel gehen. Schwalbes Vision: Statt drei unterschiedlicher Ventile gibt es in Zukunft nur noch das Schwalbe-Ventil.
Nachhaltiger, austauschbarer, individueller
Lange hat sich die Fahrradbranche laut einiger Aussteller darauf ausgeruht, dass das Transportmittel an sich umweltfreundlich ist und CO2-Emissionen einspart. Viele Fahrradhersteller setzen inzwischen aber auch auf recycelbares oder recyceltes Material: So stellt ein Unternehmen aus Köln, das aus der Lagertechnik stammt, ein zu 50 Prozent aus Fischernetzen produziertes Vollkunststofffahrrad aus. Nach einer Anschaffung eines E-Bikes gehe es mehr um Reparaturen, Austausch und Nachrüstungen, nicht um einen Neukauf von Fahrrädern, betonen Hersteller auf der Messe.
Vision: E-Bikes als Auto-Ersatz
Fraglich ist, ob der Trend zum E-Bike auch Menschen überzeugt, das Auto stehen zu lassen und alternativ aufs Rad zu steigen. Fehlende Radwege, spärliche Aufzüge an Bahnhöfen - die Infrastruktur in den Städten und auf dem Land muss mitspielen, damit die Mobilitätswende Realität wird.
Dass Potenzial im E-Bike-Boom steckt, zeigt eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts: Legt man die Strecken von bis zu 30 Kilometern zukünftig mit dem (E-)Bike zurück, könnten 19 Millionen Tonnen CO2-Emissionen im Verkehr pro Jahr eingespart werden. Zum Vergleich: Das viel diskutierte Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen würde laut Umweltbundesamt 6,7 Millionen Tonnen pro Jahr einsparen.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 06.07.2024, 19.30 Uhr
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