Fachkräftemangel: Das erwartet Hessen in den nächsten Jahren

Die Generation der Babyboomer hinterlässt große Lücken, wenn sie in den kommenden Jahren in Rente geht - nicht nur für die betroffenen Unternehmen eine Herausforderung. In welchen Branchen und Regionen die größten Engpässe erwartet werden.

Ein Handwerker flext Metall, Funken sprühen
In Hessen fehlen immer mehr Fachkräfte. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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DAS THEMA: Fachkräfte gesucht!

DAS THEMA 23.10.2023
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Um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, müssen Arbeitgeber kreativ werden. Längst sitzen in vielen Branchen nicht mehr die Unternehmen, sondern die Bewerber am längeren Hebel - und können zwischen vielen passenden Angeboten entscheiden.

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Gerade in sozialen Berufen und dem Handwerk wird oft händeringend Personal gesucht.

Doch nicht alle Branchen sind betroffen, und es gibt regionale Unterschiede. Manche Firmen scheinen außerdem für sich die passende Lösung gefunden zu haben.

Ein Überblick:

In welchen Branchen fehlen in Hessen besonders viele Fachkräfte?

Besonders betroffen sind laut einer Berechnung des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Uni Frankfurt von Januar 2023 die Sozialberufe, das Handwerk, die IT-Branche, der Lebensmittelhandel und die Logistik. Hier sieht das Institut für Hessen bis 2028 einen zusätzlichen Bedarf von insgesamt 200.000 Fachkräften - darunter 13.000 allein im Gesundheitswesen, 16.000 im Bereich Erziehung.

Die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit sieht für die kommenden Jahre Engpässe auch bei der Arzt- und Praxishilfe, im Bereich Sanitär, Heizung und Klimatechnik, im Hochbau, in der Schiffsbautechnik sowie in der Luft- und Raumfahrt. Mittlerweile sei jeder sechste Beruf betroffen.

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Was sind die Hauptgründe für den Fachkräftemangel in Hessen?

Der Fachkräftemangel in Hessen wird hauptsächlich durch die bevorstehende Pensionierung der Babyboomer-Generation und die demografische Entwicklung verursacht. Es wird erwartet, dass in den nächsten Jahren viele erfahrene Arbeitskräfte in den Ruhestand gehen, während die Anzahl der jungen Fachkräfte sinkt.

Die Folge sind ein Rückgang des Arbeitskräfteangebots und ein steigendes Durchschnittsalter der Arbeitnehmer. Da die Bevölkerung im Schnitt älter wird, steigt zusätzlich der Bedarf an Fachkräften in den Pflegeberufen, in der IT-Branche treiben Energiewende und Digitalisierung den Bedarf nach oben.

Auch der Ausbau der Kinderbetreuung spielt laut IWAK eine Rolle, denn sie ermöglicht es zwar mehr Frauen zu arbeiten. Gleichzeitig steigt jedoch der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern.

Wie sieht die Prognose für die nächsten Jahre aus?

Der Trend der massenhaften Verrentung nimmt nach Prognosen des IWAK nach 2028 zu und erreicht seinen Höhepunkt etwa 2033. Danach wird es allmählich weniger Babyboomer geben, die in Rente gehen. Aber auch 2040 werden noch etwa 10.000 Personen mehr aus dem Arbeitsleben ausscheiden als heute.

Laut dem Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHT) wird das Angebot an Fachkräften bis 2035 voraussichtlich um 28 Prozent zurückgehen. Es wird bis dahin eine Zunahme der Lücke auf 523.000 Fachkräfte erwartet.

Welche Regionen sind besonders stark betroffen?

In Hessen leidet vor allem der ländliche Raum unter Fachkräftemangel. Viele junge Menschen haben in den vergangenen Jahren die ländlichen Regionen verlassen, um in die Städte zu ziehen. Der Vogelsbergkreis, der Schwalm-Eder-Kreis und der Odenwald gelten als Regionen mit einem besonders hohen Bedarf. In den Großstädten und den angrenzenden Landkreisen ist die Situation weniger angespannt.

Grafik, die anhand einer Hessenkarte die Verteilung der prognostizierten Defizite an Fachkräften bis 2028 darstellt.
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Welche Initiativen zur Bewältigung des Fachkräftemangels gibt es?

Das Land Hessen unterstützt besonders stark betroffene Landkreise und führt Projekte zur Ausbildungsförderung, beim Übergang von der Schule in den Beruf und bei der Weiterbildung durch. Auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die verstärkte Ausbildung von Flüchtlingen sind Teil der Bemühungen.

Letztere ziehen jedoch häufig die Städte dem ländlichen Raum vor, weil es dort mehr Menschen gleicher Nationalität und mehr Netzwerke für Migranten gibt. Zum Stichtag 31. März waren in Hessen laut Regionaldirektion knapp 37.000 Geflüchtete sozialversicherungspflichtig beschäftigt - 10.000 mehr als im März 2020.

Welche Lösungen haben Unternehmen gefunden?

Um trotz des leeren Bewerbermarkts neue Mitarbeiter zu finden, lassen sich auch die Firmen selbst einiges einfallen. Der Kunststoff-Hersteller elkamet in Biedenkopf hat beispielsweise ein Haus für die Auszubildenden gekauft, wo sie für 200 Euro ein Zimmer mieten können. Andere Unternehmen setzen auf Freizeitangebote wie Sportkurse oder ein eigenes Fitnessstudio auf dem Firmengelände.

Oder sie suchen auf Jobmessen oder im Ausland nach Fachkräften. Aktuell müsse sein Unternehmen Aufträge ablehnen, sagt Christopher Reitz, Inhaber von Reitz Natursteintechnik aus Aßlar (Lahn-Dill). "Hätten wir mehr Mitarbeiter, könnten wir mehr wachsen." Die Firma baue nun eine eigene Bewerbungsplattform für ausländische Bewerber auf und biete Bewerbungsgespräche per Videocall an. "Unsere neue Unternehmenssprache ist Englisch."

Gibt es auch Branchen, die weniger vom Fachkräftemangel betroffen sind?

Die Regionaldirektion Hessen sieht für einige Branchen wie Werbung und Marketing, Tourismus und Sport, Büro und Sekretariat sowie Gebäudetechnik weniger Fachkräftemangel. Während das IWAK auch die IT-Branche als betroffen nennt, ist nach Einschätzung der Regionaldirektion zumindest in den Bereichen Software-Entwicklung und Programmierung die Lage entspannter.

Quelle: hessenschau.de/Uwe Gerritz, Jutta Nieswand