Fehlende ÖPNV-Daten Google Maps zeigt Nahverkehr in Nordhessen nicht an

Einfach die Bus- oder Bahn-Verbindung googeln? In Nordhessen unmöglich. Denn vom Nahverkehr dort hat die Navi-App des Marktführers noch nichts gehört. Statt einer schnellen Fahrt gibt es eine umständliche Empfehlung - inklusive Fußmarsch.

Im Bildhintergrund unscharf eine vorbeifahrende Straßenbahn und im Bildvordergrund Hände mit Smartphone, auf welchem eine Wegbeschreibung zu sehen ist.
Welche Tram fährt ab Kassel Rathaus? Besser nicht googeln. Bild © picture-alliance/dpa, Adobe Stock, hessenschau.de
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Wer mit dem ÖPNV vom hr-Studio im Kasseler Stadtteil Bad Wilhelmshöhe zum Rathaus fahren möchte, steigt in die Linie 1 und fährt schnurgerade die Wilhelmshöher Allee runter. 14 Minuten dauert die Fahrt, umsteigen muss man nicht. 

Eine ganz andere Route empfiehlt die Navigation-App Google Maps: Fußweg bis zum Bahnhof Wilhelmshöhe, mit der Regionalbahn bis Hauptbahnhof und dann noch mal knapp einen Kilometer Fußweg bis zum Rathaus. Dauer: 37 Minuten.

Egal, nach welcher Verbindung man sucht - Google Maps hat vom Nahverkehr in Kassel offenbar noch nie etwas gehört.

Kartenausschnitt von Kassel mit zwei unterschiedlichen Routen
14 vs. 37 Minuten: Die NVV-App zeigt die schnellere Verbindung an. Bild © OpenStreetMap-Mitwirkende

Auch in den nordhessischen Landkreisen navigiert die App nicht zuverlässig. RegioTrams (RT), die Orte wie Ahnatal oder Hofgeismar mit Kassel verbinden, kennt sie nicht, Buslinien hingegen schon. So werden aus einer knappen halben Stunde Fahrzeit mit der RT von Ahnatal-Weimar (Kassel) zum Kasseler Rathaus bei Google schnell mal 90 Minuten.

Online-Plattform mit ÖPNV-Daten

Der Grund dafür liegt offenbar bei Google. Judith Féaux de Lacroix, Sprecherin des Nordhessischen Verkehrsverbunds (NVV), betont, man stelle die Daten für alle Unternehmen auf die Online-Plattform opendata.oepnv.de - zur freien Verfügung. Diese Daten finanziere man aus Steuergeld. Sie sollten daher "nicht nur einzelnen Unternehmen monetäre Vorteile bieten, sondern für viele Menschen frei nutzbar sein", so die Sprecherin.

Anbieter wie beispielsweise Apple nutzten diese Daten, um die ÖPNV-Verbindungen in ihren Navi-Apps anzubieten. Auch Google könne diese Daten nutzen. Doch der Online-Riese bestehe darauf, diese direkt geliefert zu bekommen, so Féaux de Lacroix.

Das heißt, dass ÖPNV-Nutzer direkt in die NVV-App gucken müssen und sich nicht auf die Empfehlung von Google Maps verlassen können. Das ist nicht nur für Ortsfremde eine Hürde.

Schnittstellen ermöglichen Datenübertragung

Die meisten Verbindungen des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) hingegen sind seit 2022 auch für Nutzer von Google Maps abrufbar. Vorher wurden lediglich S-Bahn-Fahrzeiten angezeigt, die U-Bahn fehlte komplett. Man habe jahrelang erklären müssen, warum sein Verkehrsverbund die Daten nicht zur Verfügung stelle, sagt ein RMV-Sprecher. Auch heute werden nicht alle Verbindungen angezeigt, wie hessenschau.de-Nutzer berichten.

Dabei biete man - ebenso wie der NVV - allen interessierten Routing-Anbietern Schnittstellen zur Datenübermittlung an. Der Aufwand sei durch ein standardisiertes Vorgehen gering. Welche Schnittstelle Google genau nutzt, weiß man beim RMV nicht. Und wie Google die verschiedenen Daten priorisiere, könne man seitens des RMV auch nicht sagen, so der Sprecher. Neben NVV und RMV bietet auch die Deutsche Bahn AG ihre Fahrplandaten zum Abruf an.

Google lässt sich nicht in die Karten schauen

Google äußert sich nur knapp zur Frage, welche Daten in der App genutzt werden und warum es zwischen den beiden hessischen Verkehrsverbünden Unterschiede in Darstellung und Verlässlichkeit der Anzeige gibt.

"Generell haben alle Verkehrsbetriebe die Möglichkeit, in Kontakt mit Google zu treten und Daten zu ihren ÖPNV-Angeboten mit Google zu teilen", schreibt ein Sprecher des Unternehmens auf Nachfrage. Für weitere Auskünfte möge man sich an den Verkehrsverbund wenden.

Doch dort weiß man nicht, woher Google die Verbindungsdaten bezieht. Man sei aber weiter offen für eine Kooperation mit anderen Unternehmen, so die NVV-Sprecherin, jedenfalls "solange sie sich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Daten verpflichten".

Wunsch nach mehr Kooperation

Der NVV bemängelt zudem eine fehlende Kooperation seitens Google. Das Verkehrsunternehmen gab nach eigener Auskunft zeitweise Informationen über Haltestellen direkt an Google und bat darum, auf den NVV-Internetauftritt zu verlinken. So habe man sicherstellen wollen, dass Fahrgäste sich über Ausfälle und Verspätungen informieren können, erklärt die NVV-Sprecherin.  

Allerdings habe Google diese Verlinkung nicht umgesetzt. Die Sprecherin betont: "Eine faire und transparente Verlinkung zu den Ursprungsdaten liegt im Interesse aller Beteiligten." Der NVV habe die Übermittlung der Haltestellen-Daten an Google eingestellt.

NVV und RMV bieten deutschlandweite Suche

Auch beim RMV weiß man um eine fehlende Verlinkung in der App. Für Fahrgäste erschließe sich nicht, warum Google zwar das beauftragte Verkehrsunternehmen, nicht aber den Verkehrsverbund anzeige und ein Fahrkartenkauf daher nicht möglich sei. Zugleich äußerte der Sprecher aber auch, dass für Google mutmaßlich "eine Angabe des jeweils passenden Tarifgebers nicht einfach möglich" sei.

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte statt der gewohnten Google-Suche die App eines Verkehrsverbunds nutzen. So kommt man im Zweifel schneller ans Ziel - auch ohne sich für jede Region oder Stadt eine extra Verknüpfung aufs Handy zu laden. Denn nach Auskunft des RMV-Sprechers ermöglichen die Apps und Webseiten von NVV und RMV - wie auch die der Deutschen Bahn - eine haltestellengenaue, deutschlandweite Verbindungssuche.

Weitere Informationen

Sendung: hr4, 13.02.2024, 14.30 Uhr

Ende der weiteren Informationen

Quelle: Leander Löwe, Nicolas Frühling, hessenschau.de

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12 Kommentare

  • Google ist und bleibt eine Blackbox, dessen Gebahren man sich nicht beugen darf. Flexible Nutzer verwenden offene und datenschutzfreundliche Apps wie "Öffi", "Transporter" und Co, die sogar weltweit funktionieren, sofern die Anbieter - wie oben im Beispiel ja erwähnt - ihre Daten an einer standardisierten Schnittstelle bereitstellen.
    Wer es immer noch nicht verstanden hat: Bei Google sind nicht die Apps das Produkt, sondern die Nutzer.

  • Um mit dem öffentlichen Nahverkehr zu fahren, benutze ich entweder die Webseiten von RMV und der Bahn oder die App des NVV, bei der App kaufe ich meist auch direkt das Ticket. Probleme hatte ich bisher keine, weder mit den Webseiten, noch mit der App. Da ich aber wohnortbedingt nur selten den ÖPNV nutze(n kann), kommt es nur drei, vier Mal im Jahr vor, dass ich überhaupt nach Verbindungen suche und diese dann auch nutze. Falsche Angaben habe ich dabei noch nicht entdeckt.

  • Googelt man eine Stadt, empfiehlt die Suchmaschine sehr schnell Inlandsflüge. Schätzungsweise zahlt die Fliege-Lobby am meisten, und nur das zählt für Google. Für ÖPNV-Verbindungen nutze ich "Öffi". Die App berücksichtigt oft auch Verspätungen, sie greift offenbar auf die freien Verbindungsdaten zu.

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