Beteiligung an russischem Flughafen bleibt Fraport sieht keine Beweise für militärische Nutzung von Pulkovo
Noch immer hält der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport ein Viertel der Anteile am russischen Flughafen Pulkovo. Inzwischen mehren sich die Hinweise auf eine militärische Nutzung des Airports. Den Verantwortlichen reicht das für einen Vertragsrückzug nicht.
Mit gleich drei dringlichen Berichtsanträgen und insgesamt 24 ähnlich lautenden Fragen zu der Beteiligung des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport an dem russischen Flughafen Pulkovo sah sich Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) am Donnerstag im Haushaltsausschuss des Hessischen Landtags konfrontiert.
Boddenberg, auch Fraport-Aufsichtsratsvorsitzender, machte deutlich: Wenn es die Möglichkeit gäbe, "würden wir auch das letzte Band, das Fraport und Pulkovo noch bindet, sofort kappen". Das sei aber rechtlich derzeit nicht möglich, denn eine einseitige Kündigung sehe der Vertrag nicht vor.
Recherchen zeigen militärische Nutzung des Flughafens
Daran ändert laut Boddenberg auch die wiederholte Medienberichterstattung nichts. Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung hatten zuletzt den Schluss nahegelegt, dass der Flughafen Pulkovo bei St. Petersburg zumindest zeitweise auch militärisch genutzt wird. Danach sollen unter anderem im März dieses Jahres Tu-22 M3 Bomber der russischen Luftwaffe auf dem Flughafen gelandet sein. Maschinen dieser Art sollen auch einen russischen Raketenangriff auf die ukrainische Stadt Dnipro geflogen haben.
Schon im März vergangenen Jahres hatte der hr berichtet, dass der Flughafen über eine Kommandantur des russischen Verteidigungsministeriums verfügt.
Für das Land Hessen sowie die Stadt Frankfurt wäre eine mögliche militärische Nutzung des russischen Flughafens besonders heikel. Gemeinsam halten sie die Mehrheitsanteile an der Fraport AG; eine militärische Rolle von Pulkovo im Angriffskrieg gegen die Ukraine könnte ein Verstoß gegen das Völkerrecht bedeuten.
FDP: Flughafen wird von Wagner-Gruppe genutzt
FDP, SPD und Linke wollten deshalb von Boddenberg und dem Fraport-Vorstandsvorsitzenden Stefan Schulte wissen, ob ein Verkauf der Anteile nun doch nötig und möglich sei. In der Vergangenheit hatten die Verantwortlichen immer betont, ein Nachweis, dass Pulkovo unmittelbar in den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verwickelt ist, könnte möglicherweise zu einem rechtssicheren Ausstieg verhelfen.
FDP-Haushaltsexpertin Marion Schardt-Sauer hält die aktuellen Geschehnisse für aussagekräftig: "Dazu gehören auch Hinweise durch amerikanische Sanktionslisten, die belegen, dass die für ihre besonders bestialische Kriegsführung und Kriegsverbrechen bekannte Wagner-Gruppe den Flughafen Pulkovo intensiv nutzt".
Bis zu ihrem abgebrochenen Putsch-Versuch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin spielte die Wagner-Gruppe eine wichtige Rolle in der russischen Kriegsführung. Den Söldnern werden schwere Kriegsverbrechen wie Mord, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen.
Für Schardt-Sauer, deren Fraktion die Sondersitzung im Landtag gefordert hatte, ist klar, dass die Landesregierung sich nicht länger hinter der Aussage verstecken könne, es gebe keine Beweise für eine militärische Nutzung.
"Keine belastbaren Belege für militärische Nutzung"
Finanzminister Boddenberg sah das im Ausschuss anders. Man stehe in ständigem Austausch mit dem Auswärtigen Amt und demnach gebe es "keine belastbaren Belege oder gar Beweise für eine militärische Nutzung des Flughafens Pulkovo im völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine".
Er habe auch keinen Grund, an der Zuverlässigkeit, Rechtschaffenheit und Kooperationsbereitschaft des Auswärtigen Amtes gegenüber dem Land zu zweifeln, so Boddenberg.
Also bleibt es auch nach der dreistündigen Befragung im Ausschuss beim Status Quo: Seit Kriegsbeginn macht Fraport kein Geschäft mehr in Russland. Die 25 Prozent-Anteile, die der Frankfurter Flughafenbetreiber über ein Konsortium an Pulkovo hält, ruhen nach wie vor und haben wegen einer entsprechenden Abschreibung im Juli 2022 keinen Buchwert mehr in der Fraport-Bilanz.
"Und das heißt eben auch, wir haben keinerlei Einfluss, keinerlei Personal vor Ort, keinerlei Geschäftsaktivitäten, keinerlei Kapitalströme, keinerlei Vorteile und Nutzen", so Fraport-Chef Stefan Schulte. Dass es in den Pulkovo-Verträgen kein einseitiges Kündigungsrecht gebe, sei zudem international üblich.
Minister und Fraport-Chef warnen vor Schadenersatzansprüchen
Einen absichtlichen Vertragsbruch schließen sowohl Schulte als auch Boddenberg heute aus. Der eine mit Blick auf den Steuerzahler (Boddenberg), der andere mit Blick auf die Aktionäre (Schulte). Denn man müsse in einem solchen Fall auch an mögliche Schadenersatzansprüche denken, die auf das Unternehmen zukämen. "So moralisch hart das ist", so Schulte.
Die Kritik der Opposition bleibt dennoch. Die SPD findet es ein Dilemma, dass man zwar keine Beweise für eine militärische Nutzung des Flughafens habe, es aber auch nicht ausschließen könne.
Und von den Linken kommt der Hinweis, dass für künftige Verträge dieser Art doch gleich eine rechtssichere Ausstiegsklausel verhandelt werden sollte. Fraport-Chef Schulte hat darauf nur eine kurze Antwort: "Das kann man so pauschal vorneweg nicht sagen".
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 27.07.2023, 19.30 Uhr
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