Verkehrsfreigabe, Festakt und Proteste Freie Fahrt auf umstrittenem letzten A49-Abschnitt

Erst gab es wochenlange Demos und Räumungen im Dannenröder Forst, dann mehr als vier Jahre Bauarbeiten: Nun ist der letzte Abschnitt der A49 eröffnet. Für die einen ist das ein Grund zum Feiern, für andere noch mal Anlass für Protest - der schnell wieder zu einer Sperrung führte.

Auf dem letzten freigegebenen Teilstück der A49 fahren die ersten Auto und Lkw.
Das letzte Teilstück der A49 in Mittel- und Osthessen wurde in der Nacht zum 21. März für den Verkehr freigeben. Die aus Kassel kommende A49 knüpft am Ohmtal-Dreieck an die A5 an, die weiter nach Gießen und Frankfurt führt. Bild © picture alliance/dpa | Christian Lademann

Einer der umstrittensten Autobahn-Abschnitte Deutschlands ist in der Nacht zum Freitag für den Verkehr freigegeben worden: das neue Teilstück der A49 in Mittel- und Osthessen.

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Die neue 31 Kilometer lange Strecke verbindet Schwalmstadt (Schwalm-Eder) mit dem Ohmtal-Dreieck bei Homberg/Ohm (Vogelsberg). Sie soll für eine bessere Verbindung zwischen Kassel und der Region Gießen sorgen und umliegende Straßen und Autobahnen entlasten.

Der Abschnitt führt durch den Dannenröder Forst, wo es im Jahr 2020 Waldrodungen, heftige Demonstrationen und wochenlange Polizei-Einsätze gab, die ihresgleichen suchten.

Auf einer Karte von Hessen ist die Strecke der A49 zwischen Stadtallendorf und dem Ohmtal-Dreikeck, die demnächst eröffnet werden soll eingezeichnet. Außerdem sieht man die Autobahnen A5 und A7.
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Minister: "Großer Gewinn für Mittelhessen"

Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori bezeichnete den Lückenschluss als großen Gewinn für Mittelhessen. "Wir schaffen damit nicht nur eine neue Anbindung für die Menschen in der Region, sondern entlasten auch die bereits vorhandenen Autobahnen A5 und A7", sagte der SPD-Politiker. Der Wirtschaftsstandort profitiere von der Anbindung, ebenso die Einwohner der umliegenden Städte und Dörfer.

Anlässlich der Verkehrsfreigabe fand am Freitagnachmittag ein Festakt in der Stadthalle von Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) für rund 400 geladene Gäste statt.

Proteste zur Eröffnung

Am frühen Nachmittag zogen Ausbaugegner in einem "Trauerzug" durch Stadtallendorf. Das "Netzwerk Tatort A49 – Danni lebt!" hatte zu der Protestaktion aufgerufen.

A49-Ausbaugegner zogen in einem "Trauerzug" durch Stadtallendorf.
A49-Ausbaugegner zogen in einem "Trauerzug" durch Stadtallendorf. Bild © hessenschau.de/ Jörn Perske

Der Trauerzug endete vor der Halle mit einem symbolischen Leichenschmaus. Nach Polizeiangaben beteiligten sich daran rund 80 Demonstrierende. Einige von ihnen nahmen an einer langen Tafel Platz. Die Teilnehmenden sangen Lieder mit bissigen Texten, mit denen sie den Autobahn-Ausbau in Zeiten des Kliamwandels kritisierten. 

Das Netzwerk bezeichnet den Bau als ökologisches Verbrechen. Auf einer Fläche von umgerechnet 515 Fußballfeldern sei Natur vernichtet worden. Das sei in Zeiten des Klimawandels inakzeptabel.

Sperrung kurz nach Freigabe

Bereits am Donnerstagabend, früher als offiziell verkündet, war damit begonnen worden, den Autobahn-Abschnitt stückweise freizugeben. In der Nacht zum Freitag war das neue Teilstück dann zunächst komplett befahrbar. Die Freigabe sei ohne Zwischenfälle verlaufen, sagte ein Polizeisprecher in Gießen.

Zunächst - denn schon am Freitagmittag musste die Autobahn zwischen Ohmtal-Dreieck und Stadtallendorf in beiden Richtungen gesperrt werden. Nach Angaben der Polizei seilten sich zwei Menschen von einer Brücke ab und blieben mitten in der Luft hängen. Höhenretter mussten anrücken, um sie wieder auf den Boden zu bringen.

Neben ihnen waren laut Polizei weitere drei Personen vor Ort. Alle fünf sollten in Gewahrsam genommen werden. Nach rund zwei Stunden gab die Polizei die Strecke wieder frei.

Eilantrag vor Eröffnung

Kurz vor der Eröffnung des letzten Abschnitts hatte eine Aktionsgemeinschaft noch versucht, die Inbetriebnahme zu verhindern. Laut Verwaltungsgericht Gießen reichte sie am späten Mittwochabend einen Eilantrag ein. Dabei habe sie in ihrer Begründung vor allem "gewässerbezogene Gefahren" angebracht.

Einer Gerichtssprecherin zufolge ging es dabei um viele einzelne Punkte, zum Beispiel zur Entwässerung und zu Regenrückhaltebecken. Den Eilantrag lehnte das Gericht am Freitagmorgen ab, weil sich der Antrag auf einen Planungszwischenstand und nicht den jetzigen Zustand bezog. Um welche Aktionsgemeinschaft es sich handelt, wollte die Sprecherin nicht sagen. Die Antragsteller könnten noch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.

Achterbahn-Autobahn mit besonderem Profil

Bereits in der vergangenen Woche konnten sich Medienvertreter ein Bild vom neuen A49-Abschnitt machen. Aufgrund des kurvigen und welligen Profils ist er so etwas wie die Achterbahn unter den hessischen Autobahnen.

Der Autobahnabschnitt umfasst nach Angaben der Planungsgesellschaft Deges sechs Talbrücken, vier Anschlussstellen, einen Parkplatz mit WC und eine Autobahnmeisterei bei Schwalmstadt. 

Weitere Informationen

Zahlen zum Ausbau

Rund 85 Hektar Wald wurden für das Projekt gerodet. Bei dem Bau wurden rund 4,1 Millionen Kubikmeter Erde bewegt und 163.000 Kubikmeter Beton sowie 240.000 Tonnen Asphalt verbaut. Rund 38.000 Quadratmeter Irritationsschutzwände sollen dafür sorgen, dass etwa Fledermäuse die Autobahn sicher überfliegen können.

Ende der weiteren Informationen

Bessere Verbindung zwischen Kassel und Gießen

Mit der Freigabe ist der Lückenschluss der A49 vollzogen. Die Autobahn soll für eine bessere Verbindung zwischen Kassel und der Region Gießen sorgen. Wer von Kassel nach Gießen fahren möchte, muss nicht mehr den Umweg über die A7 fahren, sondern kann die schnellere Route über die A49 nehmen, die zur A5 und weiter in Richtung Rhein-Main-Gebiet führt.

Doch sonderlich viel Strecke und Zeit sparen Autofahrer nicht, wie die Projektgesellschaft mitteilt. Die Distanz von Lohfelden im Norden bis zum Ohmtal-Dreieck im Süden ist über die A49 nur 13 Kilometer kürzer als die Route über A7 und A5. Die Fahrzeit verkürzt sich nur geringfügig.

Sabotage und Baumängel

Der umstrittene und von Sabotage begleitete Bau des neuen Abschnitts dauerte etwas mehr als vier Jahre. Wegen Baumängeln und Restarbeiten konnte das Teilstück nicht wie geplant bis Ende 2024 eröffnet werden. Die Bau- und die Betriebskosten für die nächsten 30 Jahre werden pauschal mit 1,45 Milliarden Euro veranschlagt.

Bis mit dem Ausbau der A49 in Mittel- und Osthessen begonnen wurde, hatte es im Herbst und Winter 2020 massive Proteste von Umweltschützern gegeben. Sie sahen das Projekt im krassen Widerspruch zu einer umweltfreundlichen Verkehrswende und Klimapolitik.

Besonders heftig trafen Demonstrierende und Polizei im Dannenröder Forst bei Homberg (Ohm) aufeinander - er wurde zum Symbol des Konflikts. Die Polizei war dort über Wochen mit einem Großaufgebot präsent, um die Waldrodungen zu sichern. Allein ihr Einsatz verschlang Dutzende Millionen Euro.

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In diesem Beitrag aus dem Oktober 2021 sind die Luftaufnahmen der umstrittenen Rodungen zu sehen
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Redaktion: Jörn Perske

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe

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28 Kommentare

  • Das Projekt wurde vor Jahrzehnten beschlossen und wäre aufgrund der Eingriffe heute nicht mehr durchführbar. Die vorhandene Bundesstraße ausbauen und ggfs. Ortumgehungen planen (Zubringer zur Autobahn gibt es ja zusätzlich) wäre eine gute Alternative ohne große Eingriffe.

  • Man sollte auch über den Tellerrand schauen und das Ganze betrachten. Gequälte Anwohner von überlasteten Straßen sollten auch das Recht auf Milderung durch den Neubau der Autobahn haben. Wir leben in einen kleinen Staat mit 80 Millionen Einwohner. Da kann man nicht auf alle Bedürfnisse eingehen.

  • Für die paar Kilometer hätte der Dannhoferforst nicht gerodet werden müssen/sollen.Die alten Bäume und den Wald hätte man besser erhalten ! ImZeitalter der Klimawende sind alte bestänbeb sonders wichtig .Schlechte Maßnahme alles nur wegen den Autos zwecks anbindungen. LG.aus Hu

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