GDL gegen Deutsche Bahn Hier erzählen Lokführer, warum sie streiken
Wieder einmal herrscht Stillstand auf Deutschlands Schienen, weil zahlreiche Lokführer streiken. Was treibt die GDL-Mitglieder an? Hier berichten sechs von ihnen, weshalb sie den Arbeitskampf als alternativlos sehen.
Kurz nach 8 Uhr im Streiklokal der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) im Frankfurter Hauptbahnhof am Mittwochmorgen. Die ersten Lokführer kommen herein. Sie setzen ihre Unterschrift, um später ihr Streikgeld zu erhalten. "Ich rege mich auf", sagt Lokführer Andreas Michel, "dass wir nicht die Wertschätzung kriegen, die wir verdienen."
Am Dienstagabend hatte der vierte Arbeitskampf der GDL im laufenden Tarifstreit begonnen. Der sechstägige Streik umfasst erstmals im aktuellen Konflikt auch ein komplettes Wochenende.
Für viele Lokführer im Streiklokal dreht sich die Auseinandersetzung neben finanziellen Forderungen vor allem um das Thema Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter. Die GDL will diese von 38 auf 35 Stunden bei gleichbleibendem Gehalt verringern. Warum sie streiken, berichten sechs Lokführer aus dem Rhein-Main-Gebiet.
Karl Nienholdt (41), Lokführer bei der S-Bahn Rhein-Main
"Wir müssen den Beruf attraktiver machen, nur dann bekommen wir wieder mehr Personal. Aufgrund der Arbeitsbelastung ist für uns die Absenkung der Arbeitszeit auf die 35-Stunden-Woche wirklich wichtig. Bei der S-Bahn fahren wir durch Tunnel, hier sind kurze Halteabstände, wir haben es oft mit Menschen im Gleisbereich zu tun. Da ist viel Aufmerksamkeit wichtig.
Ich engagiere mich seit den ersten Streiks 2007 bei der Gewerkschaft. Für mich ist das eine Verpflichtung, hier teilzunehmen. In diesem Land kriegt man nur etwas, wenn man dafür kämpft."
Andreas Nehring (54), Lokführer bei DB Regio
"Mittlerweile ist es so, dass die Dispo mich fast täglich anruft und meine Schichtpläne über den Haufen wirft, und ich dadurch mein Privatleben nicht mehr planen kann. In meinem Alter ist der Lohn nicht mehr ganz so wichtig - aber die 35-Stunden-Woche. Dass man wieder mehr Planung und Zeit für sich hat, dass man wieder zum Schlafen kommt.
Ich hätte heute eine Schicht gehabt von 5.45 Uhr bis 16.58 Uhr, da ist noch nicht die An- und Abreise von Darmstadt nach Frankfurt und zurück drin. Ich bin dann ungefähr 13 Stunden für meinen Arbeitgeber unterwegs. Wenn man verheiratet ist, gibt man sich quasi die Klinke in die Hand."
Fabian Günther (26), Lokführer bei DB Fernverkehr
"Wir wollen unser Berufsbild attraktiver machen für die Zukunft. Es ist ja nicht, dass wir nur für unseren Geldbeutel streiken. Es sind auch die Arbeitsbedingungen, die deutlich verbessert werden müssen, um an jüngeres Personal ranzukommen.
Ich war als Kind schon fasziniert und jetzt selbst die Züge durch Deutschland fahren zu dürfen - auch mit den erhöhten Geschwindigkeiten in Anführungszeichen: Du hast schöne Aussichten da vorne. Es sind die Arbeitszeiten, die die Laune drücken. 38-Stunden-Woche klingt gar nicht so viel, aber meistens sind es 40 bis 50. Deswegen ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass wir auf den Putz hauen müssen."
Mohamed Elmas (38), Lokführer bei der Bahn
"Wenn man sich die Inflation anschaut und was wir momentan verdienen und was wir an Sicherheit zu verantworten haben. Das ist nicht richtig ausgewogen. Wir sind verwundert, dass wir wieder streiken müssen, dass da nichts Handfestes von der Deutschen Bahn kommt. Man muss nicht zu 100 Prozent alles übernehmen, was von der GDL kommt, aber dass es wenigstens annähernd in die Richtung geht.
Wir haben Arbeitszeiten, die fangen schon um 2.30 Uhr an - bis 14 Uhr manchmal. Das ist nicht einfach mit einer Familie, das zu schaukeln. Deswegen wäre es gut, wenn wir die 35-Stunden-Woche durchkriegen. Dass man nach dem vierten oder fünften Dienst Zeit hat, sich zu erholen und dass man wieder mit einem klaren Kopf starten kann bei Dienstbeginn."
Marius Merten (39), Lokführer bei der S-Bahn Rhein-Main
"Ich bin erst seit einem Jahr bei der Bahn. Ich streike aus Solidarität mit denen, die schon länger dabei sind. Bei mir persönlich geht es nicht unbedingt um mehr Geld, sondern um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es kommt immer wieder mal vor, dass wir viele, viele Arbeitstage hintereinander haben. Dann kommen zwar zwei freie Tage. Die werden einen dann aber gerne wieder weggezogen.
Das wäre alles nicht so schlimm, wenn man nicht unter anderem durch den Personalmangel Schichten hätte, die extrem lange sind. Gerade an Wochenenden und Feiertagen sind die Schichten elf bis zwölf Stunden lang."
Andreas Michel (46), Lokführer bei DB Regio
"Wir beklagen uns, dass wir zu wenig Lokführer haben. Das Geheimnis ist ganz einfach: Jeder geht für Geld arbeiten - und nicht für einen feuchten Händedruck. Wenn die Bezahlung stimmt, kommen auch die Leute.
Wir haben keine andere Möglichkeit, einen Arbeitskampf zu führen, ohne dass die Gesellschaft mitbetroffen ist. Das war aber schon immer so. Ich bin aufgewachsen im Ruhrpott. Wenn da die Müllwerker gestreikt haben, ist denen niemand in den Rücken gefallen. Man hat denen Kaffee rausgebracht."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau extra, 24.01.2024, 20.15 Uhr
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