550 Jobs in Gefahr Goodyear-Mitarbeiter stemmen sich gegen Stellenabbau
Rund 1.000 Menschen haben in Fulda gegen die Pläne des Reifenherstellers Goodyear demonstriert, jede zweite Stelle zu streichen. Die Gewerkschaft spricht von "Willkür". Und der Betriebsrat zweifelt an den vorgelegten Unternehmenszahlen.
Seit rund 30 Jahren arbeitet Heiko Krois bei Goodyear in Fulda. Jetzt ist er richtig sauer. "Überall herrscht großer Unmut. Ich traue hier keinem mehr", sagt er.
Zusammen mit rund 1.000 Kolleginnen und Kollegen hat er am Montag auf einem Parkplatz vor der Reifenfabrik seinen Unmut zum Ausdruck gemacht. Die Mitarbeiter forderten auf einer Betriebsversammlung den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.
Der Fuldaer Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU), der als einer der anwesenden Politiker unter anderem zu den Beschäftigten sprach, sagte: "Der angekündigte Stellenabbau ist ein schwerer Schlag für die betroffenen Mitarbeiter und die Region." Goodyear sei schließlich nicht irgendein Unternehmen, sondern ein besonders wichtiges und namhaftes am Industrie-Standort Fulda. In Fulda wird der Reifenhersteller auch "die Gummi" genannt.
Unterstützt werden die Mitarbeitenden in ihrem Kampf um ihre Jobs von Betriebsrat und Gewerkschaft. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso jede zweite Stelle abgebaut werden solle, heißt es dort. Goodyear hatte Anfang Juni angekündigt, insgesamt 550 Jobs zu streichen. Zugleich hatte das Unternehmen eine Standortgarantie für das Werk in Fulda ausgesprochen.
Zweifel an den vorgelegten Zahlen
Dieser Zusicherung sei aber nicht zu trauen, sagte Anne Weinschenk von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE). Die Gewerkschaft fordert "ordentlich begründete Zahlen" zur wirtschaftlichen Entwicklung und Zukunftsplanung. Gegenwärtig müsse man von Willkür sprechen, dass der Kahlschlag nur das Werk in Fulda betreffen solle. "Ich stelle mir die Frage: Ist das ein Sterben auf Raten?"
Laut Goodyear basiert die Entscheidung auf einer Analyse zur Wirtschaftlichkeit der Standorte in Deutschland und darüber hinaus. Ein Unternehmenssprecher bekräftigte hingegen noch einmal, dass das Werk in Fulda erhalten bleibe.
Bereits im Jahr 2019 wurden 450 Stellen in Fulda gestrichen. Danach wurde mächtig investiert. 40 Millionen Euro allein in den traditionsreichen, seit mehr als 50 Jahren bestehenden Standort in Fulda. "Danach hieß es: Das Werk ist produktiv und zukunftssicher. Die Zahlen sind gut, laut der Betriebsversammlung im April. Und nun eine 180 Grad-Kehrtwende. Das ist nicht zu verstehen", schimpfte Gewerkschaftlerin Weinschenk.
Die Fuldaer Betriebsratsvorsitzende Ines Sauer sagte dem hr: "Ich bin total enttäuscht - wütend sowieso." Auch sie kritisiert die Geschäftsleitung des US-Unternehmens. "Nach den Investitionen hieß es: Wir sind wettbewerbs- und zukunftsfähig." Daher müsse sie nun annehmen, dass das Management "Fehlentscheidungen getroffen" habe und die "aktuelle Situation zu spät erkannt" habe. "Auch wir Betriebsräte zweifeln an den vorgelegten Zahlen."
Damit dürfte für einigen Zündstoff gesorgt sein, wenn sich die Geschäftsleitung am kommenden Freitag (7. Juli) zu ersten Gesprächen mit den Arbeitnehmer-Vertretern trifft. Der Arbeitgeber habe bereits ein Angebot vorgelegt, sagte Sauer. "Ein komplettes Paket mit Sozialplan, Interessenausgleich und so weiter."
Das Angebot werde derzeit von Anwälten und Wirtschaftsprüfern unter die Lupe genommen. Weinschenk kritisierte die "Überfall-Taktik" von Goodyear. "Jetzt will man am besten innerhalb weniger Wochen eine Unterschrift von uns."
Sendung: hr-iNFO, 03.07.2023, 16.38 Uhr
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