Drohende Werksschließungen Große Verunsicherung bei VW-Belegschaft in Baunatal

Nach dem angekündigten Sparkurs beim VW-Konzern ist im nordhessischen Werk in Baunatal die Verunsicherung groß. Der Betriebsrat kündigte "erbitterten Widerstand" an. Zunächst soll es eine Betriebsversammlung geben.

Zufahrt zum VW-Werk in Baunatal (Kassel)
Am Morgen nach der Schockmeldung: das VW-Werk in Baunatal (Kassel) Bild © Nicolas Frühling (hr)
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Pfiffe bei Betriebsversammlung in Baunatal

Mitarbeiter von VW sitzen in einem Saal.
Bei der Betriebsversammlung in Baunatal war der Unmut der Belegschaft groß. Bild © hr
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Schockmeldung für die 15.500 Beschäftigten des Volkswagen-Werks in Baunatal (Kassel): Der Konzern will noch mehr sparen als zuletzt im vergangenen Jahr festgelegt. Damit seien Werksschließungen nicht mehr ausgeschlossen und die Beschäftigungssicherung von 1994 werde aufgekündigt, wie der Autobauer am Montag mitteilte.

Die Autoindustrie befinde sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage, sagte VW-Chef Oliver Blume bei einer Tagung der Führungskräfte. "Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nochmals verschärft, neue Anbieter drängen nach Europa", erklärte der Manager laut einer Mitteilung. Der Standort Deutschland falle bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück. "In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren."

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Mitarbeiterin: "Einige wird es treffen"

Entsprechend groß sind Sorge, Wut und Unverständnis bei vielen in der Belegschaft des Werks in Nordhessen. Kurz nach Schichtwechsel am Dienstagmorgen äußerten sich einige zu den angekündigten Sparmaßnahmen.

Viele von ihnen machten sich Gedanken über ihre Zukunft und fühlten sich überrumpelt, berichteten Beschäftigte vor den Werkstoren. "Eigentlich sind wir gut aufgestellt als Standort. Aber man weiß ja nicht, was auf den Chefetagen so geredet wird", sagte ein Mitarbeiter.

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VW-Werk Baunatal

Das Werk in Baunatal (Kassel) ist das weltweit größte Komponentenwerk von Volkswagen und zugleich der größte Arbeitgeber in Nordhessen. Neben der auslaufenden Fertigung von Abgasanlagen werden hier Getriebe und E-Getriebe gefertigt. In dem Werk sind 15.500 Menschen beschäftigt.

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Eine Kollegin berichtete, sie habe Angst arbeitslos zu werden. Ihre Abteilung werde eventuell Ende des Jahres schliessen, mutmaßte sie. Die Stimmung in der Belegschaft sei sehr schlecht: "Einige von uns wird es treffen. Da gibt es kein 'Warum?'."

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Kämpferisch gab sich Carsten Büchling, der Betriebsratschef des Werks in Baunatal. Gegen Werksschließungen werde man sich wehren, kündigte er an. Für Mittwochvormittag ist eine Betriebsversammlung geplant. Seit 30 Jahren seien Beschäftigte vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt, das sei jetzt in Gefahr, sagte Büchling.

Gesamtbetriebsrat: "Mit uns keine Standortschließungen"

VW-Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo und die IG Metall kritisierten den "unverantwortlichen Plan" der Konzernleitung scharf und kündigten "erbitterten" Widerstand an. Cavallo erklärte, damit stehe "VW selber und somit das Herz des Konzerns infrage". Sie betonte: "Mit uns wird es keine Standortschließungen geben."

Auch IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger kritisierte, der Vorstand drohe "das Herz von Volkswagen zu zerstören". Statt Spardiktat müsse der Vorstand eine nachhaltige Strategie entwickeln, die Volkswagen langfristig wettbewerbsfähig mache und Arbeitsplätze sichere. Wichtig sei eine attraktivere Produktpalette, die Reduzierung von Komplexität und die Optimierung von Abläufen. "Wir brauchen keine kurzfristigen Rendite-Rambos. Das Missmanagement der vergangenen Jahre darf nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen ausgetragen werden." 

Tarifverhandlungen im Herbst

Das 2023 aufgelegte Sparprogramm für die Volkswagen-Kernmarke sollte insgesamt zehn Milliarden Euro bis 2026 einsparen. Laut Handelsblatt sollen vier Milliarden Euro zusätzlich eingespart werden. Die Marke VW mit Modellen wie Golf und Passat gilt seit einigen Jahren als Sorgenkind im Konzern.

Bei VW stehen im Herbst auch Tarifverhandlungen an. Die IG Metall fordert sieben Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die IG Metall forderte VW am Montag auf, die Tarifverhandlungen bereits im September zu beginnen und nicht erst im Oktober. 

Bei VW arbeiten weltweit rund 680.000 Menschen, bei der Kernmarke VW AG in Deutschland sind es rund 100.000. Der Nettogewinn des Konzerns betrug im vergangenen Jahr fast 18 Milliarden Euro. 

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Redaktion: Meliha Verderber

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de mit Informationen von Nicolas Frühling, AFP, dpa/lhe