Green Pioneers Hanf-Start-up gibt Staatsanwaltschaft Fulda Schuld an Insolvenz
Das einst viel beachtete Start-up Green Pioneers aus Fulda hat Insolvenz angemeldet. Die strafrechtlichen Ermittlungen wegen einer möglichen Rauschwirkung ihrer Cannabis-Öl-Produkte hätten ihr Geschäft zerstört, sagen die Gründer.
2018 gründeten drei junge Männer in Fulda ein Unternehmen, um eigene Nutz-Hanf-Produkte zu vertreiben. Der Start verlief sehr gut für die Green Pioneers. Die Öffentlichkeit nahm Notiz, das Start-up stieß ins Halbfinale des Wettbewerbs um den Hessischen Gründerpreis vor.
Sogar die damalige Europaministerin Lucia Puttrich (CDU) kündigte ihren Besuch bei den Green Pioneers an - sagte ihn dann aber ab. Das hatte damit zu tun, was in den vergangenen drei Jahren mit dem einst hoffnungsvollen Start-up passierte. Wer die Gründer heute besucht, mag kaum glauben, was er sieht.
Produkte in der Asservatenkammer
Philipp Gärtner und Kerim Viebrock stehen vor den halbleeren Regalen ihres ehemaligen Warenlagers. Sie wirken abgekämpft und entmutigt. Traurige Erinnerungen werden wach, als sie die letzten Flaschen mit CBD-Ölen, Seifen-Päckchen und Dosen mit Lippenbalsam einpacken. Sie müssen entsorgen, was abgelaufen und nicht mehr verkäuflich ist.
Philipp Gärtner sagt: "Es steckt so viel Arbeit drin, bis man so ein Produkt in die Apotheke bekommt. Wir haben das begutachten lassen, eine Zertifizierung gemacht." Kerim Viebrock ergänzt: "Die Produkte waren schon verkauft. Und konnten nicht ausgeliefert werden, weil die jetzt in der Asservatenkammer der Polizei stehen."
Wie bitter sie das finden, ist ihnen anzuhören. Schließlich haben sie soeben Insolvenz für ihr Unternehmen Green Pioneers angemeldet. Was ist passiert?
Ermittlungen seit 2021
Die Staatsanwaltschaft Fulda hegt den Verdacht, dass man sich mithilfe der Nutz-Hanf-Produkte des Start-ups berauschen könne - nähme man nur genug davon ein. Vor allem das CBD-Öl der Green Pioneers weckte den Argwohn der Ermittler. Es enthält den Stoff Cannabidiol, der entspannend wirkt.
Der berauschende Wirkstoff THC ist nach Darstellung der Green Pioneers in ihren speziell gezüchteten Nutz-Hanf-Pflanzen nur noch in Spuren enthalten. Die Gründer sind sich sicher, dass sie die - auch damals geltenden - gesetzlichen Grenzwerte eingehalten haben. Die Staatsanwaltschaft begann dennoch, gegen die Green Pioneers zu ermitteln. Das war 2021, wenige Jahre nach Firmengründung. Im Juli 2022 erhob die Behörde Anklage wegen fahrlässigem Cannabis-Handel.
Im folgenden Prozess sprach das Amtsgericht Fulda die Gründer frei. So viel CBD-Öl zu schlucken, dass es für einen Cannabis-Rausch reichen würde, sei faktisch und damit auch im Sinne des Gesetzes ausgeschlossen. Schon allein, weil die nötige Menge viel zu teuer wäre.
Ein Freispruch ohne Bedeutung
Die Fuldaer Staatsanwälte legten jedoch gegen das Urteil Berufung ein – ein neuer Prozess vor der nächsthöheren Instanz, dem Landgericht, steht noch an.
Erst der Verdacht des illegalen Cannabis-Handels, dann die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Produkten, schließlich die Anklage, der erste Prozess mit Freispruch, gefolgt von Berufung und zweitem Prozess: eine Ereigniskette, die auch den Rechtsanwalt der Green Pioneers verwundert. Kai-Friedrich Niermann hat viel Erfahrung mit der Cannabis- und Hanf-Rechtsprechung.
Für gewöhnlich werde der Streit um Nutzhanf auf Verwaltungsebene geführt, berichtet Niermann. Dabei gehe es meist um die Bewertung von CBD-Produkten im Lebensmittelrecht. Dass man mit dem Strafrecht die Hersteller verfolgt, sei eher ungewöhnlich. Niermann hält fest: "Die Konstellation, wie wir sie in Fulda hatten, würde ich sagen, ist ein Einzelfall."
Der Anwalt bringt klar zum Ausdruck, dass er das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Fulda nicht nachvollziehen kann: "Wenn man zu wenig zu tun hat, dann kann man natürlich versuchen, das gerichtlich klären zu lassen - ob das eine strafrechtliche Relevanz hat oder nicht."
Imageschaden – der tiefe Fall
Doch selbst wenn die Green Pioneers auch im zweiten Verfahren Recht bekommen sollten: Es dürfte ihnen nicht mehr viel nutzen. Die Gründer beklagen sich von Anfang an öffentlich über den nicht wieder gut zu machenden Imageschaden für ihr Unternehmen aufgrund der Ermittlungen.
Philipp Gärtner glaubt, dass er und seine Partner dafür jetzt einen hohen Preis zahlen müssen - in Form der Insolvenz: "Ich habe das Gefühl, dass wir denen auf die Füße getreten sind und dass deswegen an uns auch ein Exempel statuiert werden soll." Seiner Meinung nach werden die Ermittler "deswegen auch jedes Rechtsmittel, das sie gegen uns ausschöpfen können, ausschöpfen".
Die Staatsanwaltschaft habe sogar eine ganze Reihe ihrer Handelspartner angezeigt. Einer nach dem anderen habe sie daraufhin fallen gelassen. Ihr mühsam aufgebautes Netzwerk sei zusammengebrochen. Das alles habe zur Pleite ihres Start-ups geführt.
Staatsanwaltschaft weist Vorwürfe zurück
Und das genau zu der Zeit, da das neue Cannabis-Gesetz in Kraft trat. Das berauschende THC gilt seit 1. April nicht mehr unbedingt als illegales Betäubungsmittel. Anbau und Besitz von Cannabis sind unter Auflagen erlaubt. Nach Lage der Dinge spielt diese Teillegalisierung für das Verfahren gegen die Green Pioneers keine Rolle und kommt für sie zu spät.
Es scheint paradox: Gerade als der Umgang mit dem Rauschmittel offener wird, sind die Pioniere für harmlosen Nutzhanf am Ende. Wegen ihrer Pflegeprodukte.
Die Staatsanwaltschaft Fulda äußert sich auf hr-Anfrage schriftlich zu dem Fall und zu den Vorwürfen der Gründer. Ihr Handeln sei "in keiner Weise von dem medialen Auftreten der Beschuldigten beeinflusst", sondern "stets objektiv".
Außerdem sei es ihr eben nicht freigestellt, in einem Fall wie dem der Green Pioneers zu ermitteln oder nicht, legt die Behörde dar. Wenn sich Anhaltspunkte für einen möglichen Missbrauch von CBD-Produkten ergäben, sei sie verpflichtet, dem nachzugehen. Die Teilliberalisierung von Cannabis ändere daran nichts.
Redaktion: Stephan Loichinger
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 12.05.2024, 19.30 Uhr