Monopole und fehlerhafte Abrechnungen Fernwärme ist erwünscht, aber aus Sicht von Mietern zu teuer
Fernwärme gilt als umweltfreundliche Alternative zu Gas und Öl und soll bei der Energiewende in Hessen eine zentrale Rolle spielen. Aber es gibt viel Kritik an dieser Heizmethode. Zuletzt stiegen die Preise - gegen den allgemeinen Trend - deutlich.
Bernd Butzbach heizt seine Wohnung in Liederbach (Main-Taunus-Kreis) mit Fernwärme. Seine jüngste Heizkostenabrechnung, noch aus dem Jahr 2022, kann er nicht nachvollziehen. Obwohl er weniger geheizt hat als im Vorjahr und auch beim Warmwasser gespart hat, muss er deutlich mehr Geld nachzahlen, wie er berichtet. Laut Abrechnung sind es rund 780 Euro.
Pro Kilowattstunde verlangt sein Vermieter Vonovia von ihm 37 Cent, während es bei anderen Mietern etwa 10 Cent weniger sind. "Die ganze Siedlung wird doch von derselben Heizstation versorgt", sagt Butzbach: "Da kann es doch nicht sein, dass die Vonovia dafür unterschiedliche Preise verlangt."
Auf hr-Anfrage heißt es bei Deutschlands größtem Wohnungskonzern, man sei dabei, diesen Fall zu überprüfen. Bislang weigert sich Bernd Butzbach, den nachträglich verlangten Betrag zu bezahlen.
Mieterbund: Viele überzogene Rechnungen
"Die Abrechnung ist viel zu hoch", kritisiert Sieghard Pawlik, der Vorsitzende des Mieterbunds Höchster Wohnen: "Und wie die Preise berechnet werden, ist nicht transparent." Er hat nach eigener Aussage hunderte Fernwärmeabrechnungen, auch für das Jahr 2023, geprüft.
Viele seien ähnlich wie im Fall des Liederbacher Mieters überzogen, hat Pawlik beobachtet. Immer wieder komme es vor, dass die für das vergangene Jahr geltende Energiepreisbremse nicht berücksichtigt worden sei. Bis Ende 2023 waren die Preise für den Großteil des Verbrauchs bei 9,5 Cent je Kilowattstunde gedeckelt.
Auch andere Fernwärmekunden sind über ihre Abrechnungen verärgert. Thomas Eichhorn aus Hanau beispielsweise kritisiert: "Dabei werden komplizierte Formeln benutzt, die für den Normalbürger nicht verständlich sind."
Statt 3.000 Euro Vorauszahlung von 5.000 Euro verlangt
Ähnliches gelte für die Vorauszahlungen, sagt der 63-Jährige, der sein Haus jahrelang mit Fernwärme geheizt hat. Früher habe er jährlich etwa 3.000 Euro zahlen müssen, Anfang dieses Jahres hätten es plötzlich mindestens 5.000 Euro sein sollen, berichtet Eichhorn.
Die Fernwärme stammt von den Stadtwerken Hanau. Deren Geschäftsführerin Martina Butz erklärt den jähen Preisanstieg zum Jahresanfang unter anderem damit, dass die Energiepreise nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 grundsätzlich gestiegen seien, insbesondere die Preise für Gas. Das habe auch die daran gekoppelten Preise für Fernwärme in Deutschland stark nach oben getrieben.
Zwar habe es vom Bund Unterstützungsmaßnahmen wie die Preisbremse gegeben, sagt die Geschäftsführerin: "Aber als die Anfang 2024 ausgelaufen sind, hat das die Preise für Fernwärme wieder in die Höhe steigen lassen." Diese Preisbremse berechneten die Stadtwerke nach eigenen Angaben zunächst nicht richtig, was ebenfalls zu erhöhten Abschlägen geführt habe, die aber später korrigiert worden seien.
Stadtwerke Hanau: Fernwärme ist kompliziert
Zwischenzeitlich war der Arbeitspreis für Fernwärme in Hanau durch die Energiekrise in Spitze bis auf 28,84 Cent brutto pro Kilowattstunde gestiegen. Die Stadtwerke verringerten ihn dann wieder, seit Juni liegt er bei 17,41 Cent. Der Hanauer Versorger begründet das damit, dass zur Erzeugung von Fernwärme Gas genutzt werde und die Beschaffungskosten dafür gesunken seien.
Für den Kunden Eichhorn ist dies zwar eine Erleichterung, da sich seine jährliche Zahlung dadurch auf 4.000 Euro verringerte, wie er sagt. Aber das seien immer noch 1.000 Euro mehr als in früheren Jahren.
Das Thema Fernwärme sei eine komplizierte Materie, räumt Stadtwerke-Geschäftsführerin Butz ein: "Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind für die Kunden schwieriger zu verstehen als bei Strom und Gas." Sie beteuert, dass die Stadtwerke sich den Verbrauchern gegenüber um Transparenz bemühten und bei der Berechnung der Preise die vorgesehenen Formeln nutzten. All das lasse man jährlich durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer kontrollieren - damit sei man in Deutschland führend.
Preissenkungen beim Gas kommen verzögert an
Generell bleibt Fernwärme in Hessen aber vielerorts eine teure Angelegenheit. Seit Anfang des Jahres sind die Preise dafür nach Auslaufen der Energiepreisbremse deutlich gestiegen. Wie das Statistische Landesamt meldete, gab es im Oktober im Jahresvergleich einen Preissprung von 38 Prozent. Und das, obwohl Gas, Öl und Brennholz im selben Zeitraum billiger wurden.
"Das alles nutzen die Versorger zwar zur Erzeugung von Fernwärme, aber sie haben lange Lieferverträge und ändern oft nur einmal im Jahr ihre Preise", erklärt der Frankfurter Fernwärmeexperte Werner Dorß. Deshalb kämen Preisrückgänge beim Gas bei der Fernwärme häufig erst mit erheblicher Verzögerung an.
Fernwärmeversorger sind meist Monopolisten
Dorß kritisiert, dass sich die Fernwärmepreise zwar an den Energiepreisen orientierten, aber jeder Versorger seine eigene Formel habe und oft nicht klar sei, welcher Brennstoff anteilig zum Einsatz komme. "Im Detail ist die Berechnung oft selbst für Profis nicht nachvollziehbar, und mitunter wird da auch unseriös gearbeitet", so Dorß.
Das Problem dabei ist, dass viele Fernwärmeversorger in ihrer Region Monopolisten sind und ein Wechsel zu einer anderen Art des Heizens technisch schwierig und rechtlich nicht immer möglich ist. Nur in Ausnahmefällen gelingt Kunden wie Thomas Eichhorn ein Ausstieg. Der Hanauer heizt mittlerweile mit einer Wärmepumpe.
Nach Angaben des Bundesverbands für Energie und Wasserwirtschaft wurden zwar im vergangenen Jahr die meisten Wohnungen in Hessen immer noch mit Gas und Öl geheizt. Nur etwa sechs Prozent bezogen Fernwärme. Allerdings soll diese Art der Versorgung bei der Energiewende eine wichtige Rolle spielen. Die Landesregierung geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Fernwärmenetze wie zum Beispiel in Frankfurt massiv ausgebaut werden.
Ministerium: Preise werden zu wenig kontrolliert
In Bezug auf die Preise hofft der hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD): "Durch den Bau der Rechenzentren wird uns in Zukunft mehr Wärme zur Verfügung stehen. Das kann dazu beitragen, dass die Fernwärme preiswerter wird." Gleichzeitig räumt sein Ministerium ein: Wie die Preise gebildet werden, werde gegenwärtig noch zu wenig kontrolliert.
Wegen überteuerter Preise beschwerten sich knapp 100 Fernwärmekunden aus Schwalbach (Main-Taunus) bei der hessischen Landeskartellbehörde. Diese reichte die Fälle weiter an das Bundeskartellamt. Die Behörde führt nach eigenen Angaben derzeit Verfahren gegen verschiedene Fernwärmeversorger aus dem ganzen Bundesgebiet.