Bund der Steuerzahler prüft Hebesätze Hessens Kommunen kassieren mehr Grundsteuer als empfohlen

Wer eine Wohnung oder ein Haus besitzt, muss Grundsteuer zahlen. Als die Steuer reformiert wurde, befürchteten viele Immobilienbesitzer, künftig mehr zahlen zu müssen - und behielten Recht, wie eine Umfrage in Hessens Kommunen jetzt zeigt.

Mehrere Einfamilienhäuser in einem Wohngebiet.
Einfamilienhäuser in einem Wohngebiet. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)

Für Frührentnerin Elke Scheliu war es ein Schock: Ab diesem Jahr muss sie für ihr Haus in Königstein (Hochtaunus) fast sieben mal so viel Grundsteuer zahlen wie bisher: 851 Euro statt 127 Euro. "Ich muss Abstriche im privaten Leben machen", sagt die 65-Jährige.

Ein Ausnahmefall ist das nicht: Tendenziell müssen die Hessen nach der Reform mehr Grundsteuer zahlen. Das zeigt eine Umfrage, die der Bund der Steuerzahler unter allen 421 Kommunen des Landes durchgeführt hat.

Darin nahm er den sogenannten Hebesatz unter die Lupe - also den Kostenpunkt, den jede Kommune selbst festlegen darf. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Kommunen erhöht ihren Hebesatz - und bricht damit ein Versprechen der Bundesregierung.

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60 Prozent der Kommunen haben erhöht

"Das Steueraufkommen insgesamt soll dadurch nicht steigen", hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), damals noch Bundesfinanzminister, 2019 zum Grundsteuer-Reformgesetz im Bundestag gesagt. Kommunen sollten die Reform nicht für versteckte Steuererhöhungen nutzen, forderte er außerdem.

Das Land Hessen rechnete für alle seine Kommunen einen passenden Hebesatz aus, damit sie nach der Reform nicht mehr Steuern einnehmen als vorher. Doch das war nur eine Empfehlung. Die Realität sieht oft anders aus, wie die aktuelle Umfrage zeigt.

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Einige Kommunen haben ordentlich zugelangt. Zitat von Jochen Kilp, Bund der Steuerzahler Hessen
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Rund 60 Prozent der Kommunen hielten sich nicht daran, sondern setzten ihren Hebesatz mindestens fünf Prozentpunkte höher an, als vom Land empfohlen. "Es sind einige Kommunen dabei, die ordentlich zugelangt haben", sagt Jochen Kilp, Steuerexperte und Vorstandsmitglied beim Bund der Steuerzahler.

"Zugelangt" hat demnach auch eine Kommune, die mit ihren Finanzen fortwährend für Schlagzeilen sorgt: Löhnberg (Limburg-Weilburg) gehört zu den Kommunen, die die Grundsteuer am stärksten erhöht haben. Die Gemeinde kämpft seit Monaten mit einem Finanzskandal um falsche Haushaltszahlen, fehlende Jahresabschlüsse, hohe Schulden und verschwundene Akten.

Ebenfalls vorne dabei, wenn es um die Erhöhung des Hebesatzes geht, sind Lindenfels (Odenwald) und Elke Schelius Wohnort Königstein.

Oft sehen die Städte und Gemeinden keine andere Möglichkeit, als die Hebesätze zu erhöhen, weil sie - wie Löhnberg - knapp bei Kasse sind. Wegen zusätzlicher Aufgaben, gestiegener Kosten und Mitarbeitergehälter hätten viele Gemeinden Probleme, ausgeglichene Haushalte zu planen, hatte der Hessische Städte- und Gemeindebund im Dezember mitgeteilt.

Viele Städte und Gemeinden zweifeln außerdem laut der Umfrage des Steuerzahlerbundes die Berechnungen des Landes an und halten sich auch deshalb nicht daran - mit erheblichen Auswirkungen für einige Bürgerinnen und Bürger.

Reform hinterlässt Verlierer und Gewinner

Während Frührentnerin Elke Scheliu in Königstein nun schon geplante Reparaturen in ihrem Haus noch einmal überdenken und durchrechnen will, braucht Ärztin Kirsten Tenscher sich nicht umzustellen. Sie hat eine Eigentumswohnung in Friedrichsdorf (Hochtaunus) und sagt, für sie seien die Kosten nach der Grundsteuerreform "ziemlich gleich geblieben".

So hinterlässt die Reform Verlierer und Gewinner. Es gibt sogar Kommunen, die die Hebesatz-Empfehlung des Landes unterboten haben, wie die Umfrage zeigt. Insgesamt neun Städte und Gemeinden haben demnach einen Hebesatz mindestens fünf Prozentpunkte unter der Empfehlung beschlossen. Deutliche Entlastungen zeigen sich zum Beispiel in Rüsselsheim (Groß-Gerau) und Neuberg (Main-Kinzig).

Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid?

Wer mit seinem neuen Grundsteuerbescheid unzufrieden ist, hat allerdings nur begrenzte Möglichkeiten. Denn "bei den Hebesätzen sind die Kommunen sehr frei", erklärt Steuerexperte Kilp. "Dagegen vorzugehen, hat wenig Aussicht auf Erfolg."

Vielversprechender sei es, sich noch einmal genau anzusehen, ob der Wert des eigenen Grundstücks und der Immobilie richtig berechnet wurde.

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Redaktion: Malena Menke

Sendung: hr INFO,

Quelle: Informationen von Ursula Mayer, hessenschau.de