Hessische Stahlindustrie unter Druck Buderus Edelstahl in Wetzlar wird verkauft
In Mittelhessen soll erneut eine ehemalige Buderus-Tochterfirma weiterverkauft werden. Nach der Gießereisparte trifft es nun Buderus Edelstahl mit rund 1.250 Mitarbeitern. In der Region sorgt man sich um die Zukunft der hessischen Stahlindustrie.
Buderus Edelstahl mit Sitz in Wetzlar (Lahn-Dill) soll weiterverkauft werden. Das hat der österreichische Mutterkonzern Voestalpine mitgeteilt.
Vonseiten der Voestalpine hieß es: Man reagiere damit auf den wirtschaftlichen Abschwung und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland. Auch die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine hätten dem Tochterunternehmen zugesetzt.
Einen Zeitplan für den Verkauf von Buderus Edelstahl gebe es nicht, doch Gespräche mit Interessenten seien bereits angelaufen, hieß es. Buderus hatte bereits im vergangenen Jahr rund 15 Prozent der Belegschaft abgebaut, insgesamt 180 Stellen.
Einziges Stahlwerk Hessens
In Mittelhessen ist es bereits das zweite Tochterunternehmen des ehemaligen Großunternehmens Buderus, das innerhalb kurzer Zeit verkauft wird. Erst kürzlich war der Verkauf der Buderus Guss GmbH bekannt geworden, die vorher zu Bosch gehörte. Hier wird ebenfalls ein Stellenabbau erwartet.
Buderus Edelstahl hat nach eigenen Angaben derzeit rund 1.250 Mitarbeiter und produziert etwa 300.000 Tonnen Rohstahl. Der Jahresumsatz beläuft sich auf rund 350 Millionen Euro. Es ist laut IG Metall das einzige Stahlwerk Hessens.
Die Stahlindustrie in Deutschland ist aufgrund ihres hohen Energiebedarfs derzeit besonders unter Druck. Unternehmen wie Buderus Edelstahl sind gezwungen, die Dekarbonisierung voranzubringen, um eine Zukunftsperspektive zu haben.
IG Metall: Wir brauchen einen mutigen Investor
Stefan Sachs von der IG Metall Mittelhessen sagte auf hr-Anfrage: Die Verkaufsankündigung von Buderus Edelstahl an sich bewerte die Gewerkschaft zunächst weder negativ noch positiv. Dennoch gebe es in der Belegschaft natürlich Sorgen und viele Fragen dazu, was dies für die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen, einen möglichen weiteren Stellenabbau und die Zukunft des Standorts bedeuten könnte, so Sachs.
Die Frage sei vor allem, wer kauft. "Wir brauchen einen mutigen Investor, der zeigt, dass grüner Stahl ab 2030 in Deutschland produziert werden kann."
Aus Sicht der IG Metall sei es von großer Bedeutung für Hessen, das Stahlwerk zu erhalten. "Es kann ja nicht sein, dass von den ganzen Windrädern, die gebaut werden sollen, keins mit in Deutschland hergestelltem Stahl produziert wird", meint Sachs.
IHK gibt deutscher Wirtschaftspolitik die Schuld
Dietmar Persch, Hauptgeschäftsführer der IHK Lahn-Dill, gibt vor allem der aktuellen Politik in Deutschland die Schuld dafür, dass Bosch das Stahlwerk verkaufen will. "Das ist für uns das erste negative Signal der aktuellen Wirtschaftspolitik, das hier jetzt ganz konkret in der Region sichtbar wird." Der geplante Verkauf zeige aus seiner Sicht, dass internationale Industriekonzerne den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr attraktiv fänden.
Die Politik müsse schnellstmöglich für Bürokratieabbau und Deregulierung sorgen, forderte Persch. "Wir merken insbesondere im Mittelstand, wie das die Unternehmen schwächt."
Mittelhessen habe die höchste Industriedichte in Hessen und sei einer der industriestärksten Standorte Deutschlands, so der IHK-Geschäftsführer. Buderus Edelstahl sei ein wirtschaftliches Schwergewicht, biete aber auch hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten. Wenn sich solche Unternehmen zurückziehen oder geschwächt werden, habe dies Folgen für die Region.
Regionalmanagement: Auch Betriebe müssen sich anpassen
Ähnlich äußerte sich auch Manuel Heinrich vom Regionalmanagement Mittelhessen, das unter anderem Netzwerkarbeit betreibt, um den Wirtschaftsstandort voranzubringen.
Heinrich sagte: Man brauche einerseits eine Wirtschaftspolitik, die die richtigen Rahmenbedingungen schaffe und den Industriestandort stärke und nicht schwäche. Für eine produzierende Region wie Mittelhessen sei es "beängstigend", dass inzwischen teilweise schon von "Deindustrialisierung" die Rede sei.
Andererseits brauche es aber auch eine "clevere Transformation" der Unternehmen, so dass auch traditionelle Betriebe eine Zukunft haben. "Und wir haben durchaus Beispiele von Unternehmen, die es schaffen sich zu wandeln und den neuen Zeiten anzupassen."
Sendung: hr-fernsehen, die hessenschau, 15.03.2024, 19:30 Uhr
Redaktion: Rebekka Dieckmann, Marc Klug, Alina Leimbach