Hohe Gebühren, Zweitkarten, fehlende Lesegeräte Debitkarten sorgen bei Kunden und in Geschäften für Verdruss
Viele Jahre lang war die Girokarte die Standardkarte zum Bankkonto. Doch mittlerweile setzen immer mehr Banken stattdessen auf Debitkarten, weil die sogar noch mehr können sollen. Im Alltag sind viele Hessen damit aber aufgeschmissen.
Debitkarten sind seit diesem Jahr ein regelrechter Trend auf dem deutschen Bezahlmarkt: Etwa die DKB, die Santander Bank, die Targobank, die Comdirect und die ING, eine Direktbank mit Deutschlandsitz in Frankfurt, bieten sie mittlerweile standardmäßig und kostenlos zum Girokonto an. Definiert werden die Debitkarten dadurch, dass bei einer Zahlung die Summe direkt vom Konto abgezogen wird. Im Gegensatz dazu wird bei Kreditkarten einmal im Monat Kassensturz gemacht.
Ein Sonderfall, der viele Jahre lang von den meisten Bankkunden benutzt und von den Banken ausgegeben wurde, ist die so genannte Girokarte. Deren Bezahlfunktion im Ausland, "Maestro", läuft allerdings aus. Die Girocard bekommt mit den neuen Debitkarten nun massive Konkurrenz. Allein die ING hat davon bundesweit nach eigenen Angaben bereits fast vier Millionen Stück verteilt.
"Innovative Begleiter" im finanziellen Alltag?
Alexander Baumgart, Pressesprecher der ING in Frankfurt, lobt die Debitkarten: Sie seien weltweit verwendbar und würden mittlerweile von den meisten Händlern vor Ort akzeptiert. Für viele Banken seien sie deshalb eine gute Alternative zur gewohnten Girokarte. Außerdem könnten Kunden mit der Debitkarte im Internet einkaufen – mit der Girokarte ist das nicht möglich. In Werbetexten schreibt daher zum Beispiel auch die Targobank, Debitkarten seien "innovative Begleiter durch den finanziellen Alltag".
"Zum Glück hatte ich Bargeld dabei"
Die Frankfurterin Ursula H. ist trotz der Werbeversprechen ernüchtert. Sie hat seit einigen Monaten eine solche Debitkarte und ist damit aber alles andere als zufrieden. "Die hatte mir meine Hausbank, die Targobank, einfach so zugeschickt und geschrieben, das sei der neue Standard", meint die 53-Jährige. "Seitdem ärgere ich mich mit dieser Karte herum, weil ich damit längst nicht überall bezahlen kann."
Im Blumengeschäft Böhning in Königstein etwa wollte die Verbraucherin einen Geburtstagsstrauß kaufen, doch das ging mit der Karte nicht. Das Kartenlesegerät akzeptierte sie nicht. "Zum Glück hatte ich Bargeld dabei", so Ursula H. So wie sie regen sich in Online-Foren viele Leute darüber auf, dass sie in diversen Geschäften wie auch Restaurants mit ihren Debitkarten nicht weiterkommen.
Verbrauerschützer raten zur Zweitkarte
Solche Beschwerden sind auch der Verbraucherzentrale Hessen bekannt. "Verbraucher sollten sich nicht nur auf die Debitkarten verlassen", sagt Bankenexpertin Katharina Lawrence, "sondern entweder noch Bargeld mitnehmen oder sich eine zweite Karte zulegen, zum Beispiel eine Girokarte oder eine Kreditkarte." Für diese dürften in der Regel zwar Extra-Gebühren fällig werden, aber in den sauren Apfel dürften Betroffene beißen müssen.
Hohe Gebühren, Lesegeräte Mangelware
Viele Geschäfte wollen es den Kunden ermöglichen, auch mit den neuen Karten problemlos zu zahlen. Der Inhaber des Königsteiner Blumengeschäfts Frank Böhning etwa erklärt, er habe bereits ein neues Gerät bestellt, das die Debitkarten auslesen könne. Darauf müsse er allerdings seit Monaten warten, weil die Geräte begehrt seien. Wer auf seine Debitkarte nicht zurückgreifen könne, könne bei ihm aber zum Beispiel im Laden auch mit dem Bezahlsystem Paypal zahlen. Oder er könne sich bei Banken nebenan Bargeld besorgen.
Hohe Gebühren schrecken Händler ab
Nach Angaben des hessischen Handelsverbandes lehnen andere Händler die Debitkarten allerdings auch ab, weil für sie dabei hohe Gebühren anfallen. "Teilweise sind die vier Mal so hoch wie bei der Girokarte", meint der Vizepräsident des Verbandes Joachim Stoll. Bei 100 Euro Umsatz würden die Gebühren bei der Girokarte 20 Cents betragen, mit einer Debitkarte seien es bis zu 80 Cents.
Ihr Kartenlesegerät würde ihr fälschlicherweise mitunter sogar noch höhere Gebühren berechnen, erzählt die Inhaberin der Frankfurter Buchhandlung Eselsohr Grischa Götz. Wegschicken möchte sie die Kunden mit Debitkarten trotzdem nicht. "Denn wir sehen diese Debitkarten mittlerweile ganz häufig." In einem Frankfurter Möbelgeschäft heißt es, man nehme die Debitkarten trotzdem nur ungern an und frage die Kunden, ob sie noch andere Karten dabei hätten.
Geld abheben an der Supermarktkasse geht oft nicht
Auch in manchen Supermärkten sorgen die Debitkarten für Durcheinander. Denn viele Verbraucher gehen davon aus, dass sie diese Karten genau wie die gewohnten Girokarten nutzen können. Aber zum Beispiel bei Rewe, Nahkauf und Penny heißt es, man könne dort zwar mit beiden Kartenmodellen den Einkauf bezahlen, aber nur mit den Girokarten obendrein noch an der Kasse Geld abheben, mit den Debitkarten dagegen nicht. "Das ist schade, denn jetzt muss ich dafür wieder extra zum Geldautomaten", meint die Frankfurterin Ursula H.
Verbraucher fühlen sich schlecht informiert
Selbst in manchem Darmstädter Parkhaus ist der Verbraucher Stefan L. mit seiner Debitkarte gescheitert. „Über die Probleme hätte uns die Bank vorher informieren sollen“, meint der 65-Jährige, der sein Konto bei der ING hat.
Es sei die Entscheidung der jeweiligen Unternehmen, ob sie die Karte ablehnen, oder akzeptieren, heißt es dazu von der ING. Mit der Funktionalität der Karte habe das nichts zu tun. Das Unternehmen verweist außerdem darauf, dass Geld abheben weiter problemlos etwa bei Aldi und DM möglich sei. Außerdem weist die ING darauf hin, dass sie zu den Debitkarten zusätzlich Girokarten ausstellen könne - für 0,99 Euro im Monat.