Bürgerentscheid ein Muster ohne Wert? Hoteliers drohen im Streit um Kasseler Übernachtungssteuer mit dem Gericht

Die geplante Übernachtungssteuer in Kassel ist nach Ansicht der Stadt nur noch Formsache. Ein angestoßenes Bürgerbegehren könne das auch nicht ändern. Das sehen Hoteliers anders - und sammeln fleißig Unterschriften.

Blick in ein Hotelzimmer. An der Türklinke hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Bitte nicht stören". Im Hintergrund ein Doppelbett und ein Fenster mit Gardinen.
Kommt es in Kassel zu einem Bürgerentscheid zur Übernachtungssteuer? Bild © picture alliance / imageBROKER | Arnulf Hettrich

"Liebe Gäste, heute wenden wir uns mit einem besonderen Anliegen an Sie!" So beginnt ein Instagram-Post des Renthofs in Kassel. Dazu das Bild eines KI-erzeugten Waschbärs, der ein Plakat in den Pfoten hält: "We're against it" steht darauf - "wir sind dagegen".

Das Hotel am Ufer der Fulda nahe der Innenstadt hat gemeinsam mit 18 weiteren Hoteliers ein Bürgerbegehren mit einer Unterschriftenliste gestartet. Damit wollen sie einen Bürgerentscheid erreichen und so die geplante Übernachtungssteuer der Stadt stoppen.

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Ziel: 4.501 Unterschriften für Bürgerentscheid 

4.501 Menschen müssen in einem ersten Schritt unterschreiben - erst dann könnte es zum Bürgerentscheid kommen. In der Theorie. Denn die Stadt ist überzeugt, dass selbst ein solches Votum nichts an der Einführung der Bettensteuer ändern könnte.

Ein Sprecher verwies gegenüber dem hr auf § 8b der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Demnach sei ein Bürgerentscheid zu Gemeindeabgaben nicht möglich. Das beinhalte auch die geplante Übernachtungssteuer, teilte die Stadt mit.

Das Engagement der Hoteliers nehme man zur Kenntnis und respektiere dieses, sagte der Sprecher. Sobald die Listen vorlägen, werde man diese prüfen. Mehr aber demnach wohl nicht.

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Jurist: Bürgerbegehren nicht möglich

Dieser Einschätzung folgt auch Rechtsanwalt Christian Franz. Die Übernachtungssteuer sei eine Gemeindeabgabe wie auch Verbrauchssteuern oder Gebühren für Müll und Wasser. Hierüber könne die Stadt nach §7 HGO eine Satzung erlassen.

"Daher gehe ich auch davon aus, dass ein Bürgerbegehren nicht möglich ist", sagte der Fachanwalt für Verwaltungsrecht auf Nachfrage des hr. Gleichwohl könne man eine Bürgerbefragung durchführen, um auf andere Weise auf die Stadt einzuwirken.

Steuer soll ab 1. Juli eingeführt werden

Am Sonntag werden die gesammelten Stimmen ausgezählt, um sie vor der Sitzung der Stadtverordneten zu übergeben. Am 5. Mai wird dort dann über die Abgabe entschieden, die Zustimmung gilt als gewiss. An dem Termin hält die Stadt fest. Zuletzt hatte sie eine Entscheidung verschoben, um sich noch einmal mit den Kritikern der Maßnahme auszutauschen.

Ab dem 1. Juli sollen dann fünf Prozent auf den Netto-Übernachtungspreis erhoben werden. Die Stadt will mit dem Geld Besucher unter anderem an den Kosten für touristische Infrastruktur beteiligen.

Hoteliers: Satzung ist "rechts- bzw. verfassungswidrig"

Ist das das Aus für das angestrebte Bürgerbegehren der Hoteliers? Renthof-Direktorin Jasmin Ohlendorf und ihre Mitstreiter sagten: Nein.

Die gesetzliche Anordnung beziehe sich allenfalls auf bestehende, "nicht aber neu zu beschließende, Gemeindeabgaben", erklärte die Hoteldirektorin ihre Auslegung der Gemeindeordnung.

Sollten die Stadtverordneten dem Vorhaben dennoch zustimmen, werde man "selbstverständlich erwägen, das zuständige Verwaltungsgericht anzurufen", so Ohlendorf. Die vorgeschlagene Satzung halte man von Seiten der Initiative für "rechts- bzw. verfassungswidrig", unter anderem weil es keine Härtefallregelung für kleinere, finanzschwache Betriebe enthalte.

Kritik aus den Reihen der Opposition

Kritik an den Plänen gibt es auch aus den Reihen der Opposition. Die SPD teilte am Donnerstag in einer Stellungnahme mit, die erneute scharfe Kritik und den "Wunsch der Branche nach einem Bürgerbegehren" zu unterstützen.

Die Pläne bezeichnete der SPD-Stadtverordnete Wolfgang Decker als "Irrweg". Magistrat, Grüne, CDU und FDP verhielten sich "stur und unbelehrbar". Der Magistrat müsse die Satzungsvorlage beerdigen und sich mit den Beteiligten "über einen wesentlich sinnvolleren Tourismusbeitrag" austauschen. Dieser müsse dann unmittelbar für die Tourismusförderung genutzt werden - und "nicht einfach zum Stopfen von Haushaltslöchern".

IHK: Nachhaltige Schwächung des Standorts

Unterstützung bekommen die Hoteliers auch von der Industrie- und Handelskammer Kassel-Marburg (IHK). Bei einer IHK-Umfrage von Mitte April gaben 71 Prozent der befragten Betriebe an, bei einer Übernachtungssteuer von fünf Prozent nach Zimmer-Alternativen außerhalb Kassels zu suchen. Auf diese Gruppe entfallen laut IHK 75.000 von insgesamt 87.000 geschäftlichen Übernachtungen.

Die Steuer drohe den Standort Kassel nachhaltig zu schwächen, so die IHK. Nicht nur Hotels, sondern auch Branchen wie Gastronomie, Einzelhandel oder das Taxigewerbe seien betroffen, heißt es in der Stellungnahme der Kammer.

Hoteliers geben sich kämpferisch

Die Hoteliers werden jetzt weiter Unterschriften sammeln und sie vor der Entscheidung an die Stadt übergeben, so die Renthof-Direktorin. Man gebe alles, "um die erforderlichen 4.501 Stimmen bereits in der nächsten Woche zusammenzutragen".

Ob das ganze Engagement umsonst war, wird sich dann zeigen.

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de