Bundesweiter Protesttag Hunderte Apotheker demonstrieren für höhere Honorare
Wegen eines deutschlandweiten Streiktags blieben am Mittwoch in Hessen viele Apotheken geschlossen. In Wiesbaden kamen Hunderte zu einer Demonstration für bessere Arbeitsbedingungen zusammen. Ihre Forderung: Die Apotheken dürften nicht kaputtgespart werden.
"Apotheken kaputtsparen? Mit uns nicht!" steht auf ihren Protestschildern oder "Wir hängen uns rein, die Regierung lässt uns hängen": Mehrere hundert Apothekerinnen und Apotheker sind am Mittwoch zu einer Demonstration zusammengekommen.
Laut hessischem Apothekerverband beteiligten sich fast alle Apotheken an dem bundesweiten Protesttag. Viele Kunden dürften am Mittwoch deshalb vor geschlossenen Apotheken gestanden haben.
Die Arzneimittelversorgung laufe an diesem Tag nur noch über Notdienst-Apotheken. Insgesamt sollen laut Landesärztekammer 97 Apotheken einen Notdienst anbieten, das entspräche in etwa dem Schnitt an einem Sonn- oder Feiertag.
Zahl der Apotheken sinkt
Die Apotheker wollen nach eigenen Angaben auf die schwindende Zahl von Apotheken aufmerksam machen. Gab es 2019 noch 1.454 Apotheken in Hessen, waren es zum ersten Quartal 2023 nur noch 1.377.
Gründe dafür sind laut den Initiatoren des Protests "überbordende Bürokratie, Unterfinanzierung und mangelnde Wertschätzung seitens der Bundesregierung".
Der Vorsitzende des hessischen Apothekerverbandes, Holger Seyfarth, kündigte bei der Kundgebung in Wiesbaden weitere Proteste an. "Das heute hier wird nicht eine einmalige Aktion bleiben", sagte er.
Nächtlicher Run auf Medikamente
"Die Situation ist prekär", sagte der Sprecher des hessischen Apothekerverbands, Alexander Schopbach. Die Grundversorgung mit Antibiotika, Insulin und Hustensäften für Kinder sei "in einigen Bereichen mehr als gefährdet".
Er rechnet damit, dass die Engpässe noch über Jahre bestehen bleiben. Derzeit würden Apotheken-Teams, "mitunter nachts am PC sitzen und auf kurze Zeitfenster hoffen, in denen beim Großhändler wieder Medikamente lieferbar sind."
10-Punkte-Forderungskatalog
Die Apotheker-Verbände verlangen in einem 10-Punkte-Forderungskatalog unter anderem eine Anhebung der Honorare für verschreibungspflichtige Arzneimittel von 8,35 Euro auf 12 Euro pro Packung. Dieser Festzuschlag wurde zuletzt vor zehn Jahren um 25 Cent erhöht.
Zudem wollen die Apotheker mehr Mitsprache in der Patientenversorgung, wenn Medikamente knapp werden. Außerdem fordern sie eine höhere "Engpass-Pauschale", wenn die Suche nach vergriffenen Arzneien länger dauert.
Ministerpräsident zeigt nach Berlin
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) äußerte Verständnis für die Apotheken. "Dass Eltern für ihre Kinder teils nicht einmal mehr den passenden Hustensaft bekommen, hätte ich mir vor ein paar Jahren nicht vorstellen können", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Seit Monaten fordere er Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu einem Medikamentengipfel auf. "Bund, Länder, Apotheken und Pharmaindustrie gehören an einen Tisch."
Sozialminister: Produktion jetzt im Ausland
Auch Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) wirft der Bundesregierung vor, in der Medikamenten-Produktion nicht schnell genug tätig geworden zu sein: "Es ist sehr viel in den letzten Jahren auch an Produktion ins Ausland gewandert, insbesondere nach Fernost." Die Folge seien die Engpässe auf dem Markt.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach erteilte inzwischen den Forderungen der Apotheker nach höheren Honoraren eine Absage. Dafür sehe er "in Ermangelung von Steuermitteln und bei steigenden Beitragssätzen" keinen Spielraum.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 14.06.2023, 16.45 Uhr
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