Nachwuchsmangel und Vandalismusschäden Immer mehr Grüne-Soße-Betriebe in Frankfurt geben auf
Es ist ein Frankfurter Kulturgut: die Grüne Soße mit den typischen sieben Kräutern. Die Stadt schmückt sich damit, doch die Gärtnereien fühlen sich von ihr im Stich gelassen. Fehlender Nachwuchs ist nur eines der Probleme.
Thomas Jung wäre das beste Aushängeschild für die Frankfurter Grüne Soße: Jung und motiviert wirkt der 46 Jahre alte Gemüsebauer, als er mit seiner Familie auf den Feldern im Stadtteil Oberrad Schnittlauch, Pimpinelle und Sauerampfer schneidet. Tatsächlich war es einmal Jungs Traumjob, mittlerweile rät er seinen beiden Söhnen aber davon ab.
"Denn als Gärtner bist du morgens, abends und auch am Wochenende auf dem Feld. Der Job ist anstrengend und wird immer komplizierter", sagt Thomas Jung. "Mich interessieren Autos ohnehin mehr", stellt sein 16 Jahre alter Sohn Moritz fest.
An der Gärtnerei stört Jung junior auch, dass das Arbeiten kaum planbar sei. Zum Beispiel werde das Wetter immer wechselhafter und extremer. Dieses Jahr habe der viele Regen die Felder mehrmals unter Wasser gesetzt. Dadurch verlor die Gärtnerei nach Angaben von Thomas Jung einen Teil ihrer Ernte.
Vandalismus und Diebstahl
Was dem Familienbetrieb aber vor allem zu schaffen macht, sind die Frankfurter. Neben Kräutern auf den Feldern wurden schon Netze zum Schutz der Pflanzen, Schläuche und Bewässerungsanlagen gestohlen, wie Thomas Jung berichtet. Gewächshäuser seien beschmiert und mit Steinen beworfen worden. Mit zerbrochenen Scheiben seien sie für die Gärtnerei nutzlos. Ähnliche Probleme haben auch andere Gärtner im Frankfurter Stadtteil Oberrad.
"Wir brauchen Unterstützung von der Stadt Frankfurt bei der Überwachung der Anbauflächen, denn die sind leicht zugänglich", fordert Thomas Södler vom Gartenbauverband Hessen. Dazu müsste die Stadt Passanten besser aufklären. Vielen sei gar nicht bewusst, dass nur einen Steinwurf von den Frankfurter Hochhäusern entfernt Lebensmittel erzeugt würden.
Laut Södler hat sich bei den Frankfurter Gärtnern über die Jahre viel Frust angesammelt. Sie hätten das Gefühl, dass viele Spaziergänger ihre Arbeit nicht wertschätzen würden. "Es ist schon vorgekommen, dass sie achtlos mitten in den Feldern picknicken", sagt der Verbandssprecher: "Mal laufen sie mit ihren Hunden quer über die Felder, mal fahren sie mit ihren Quads mitten darüber."
Stadt sieht kaum Handlungsmöglichkeiten
Die Stadtverwaltung schickt zwar nach eigenen Angaben hin und wieder die Ordnungspolizei vorbei, einen dauerhaften Feldschutz bietet sie dagegen nicht. "Grundsätzlich ist Diebstählen und Vandalismus nur schwer vorzubeugen. Hier gilt es einer konsequenten Strafverfolgung nachzugehen. Ein Feldschutz konnte nicht realisiert werden", schreibt ein Sprecher auf Anfrage des hr. Die Stadtpolizei kontrolliere, wo sie könne, habe aber nur begrenzte Möglichkeiten.
Dabei feiert Frankfurt die Grüne Soße als "Nationalgericht" mit jahrelanger Tradition. Es gibt ein eigenes Grüne-Soße-Festival und in Oberrad sogar ein Denkmal: Die sieben Kräuter werden repräsentiert durch ebenso viele Gewächshäuser in unterschiedlichen Grüntönen, die in der Dämmerung leuchten.
Zahl der Betriebe schrumpft
Seit 2016 ist die Frankfurter Grüne Soße ein von der EU anerkanntes Kulturgut und hat das Gütesiegel "Geografisch geschützte Angabe". Dafür müssen Betriebe die sieben Kräuter in Frankfurt und Umgebung anbauen. Nur die Petersilie darf außerhalb der Saison im kleinen Rahmen dazu gekauft werden.
"Für die EU-Patentierung haben sich damals 16 Betriebe eingesetzt, die die strengen Vorgaben erfüllen konnten und hauptsächlich Grüne Soße produziert haben", berichtet Södler vom hessischen Gartenbauverband. Davon seien ganze zwei übrig.
Einen ähnlichen Trend gebe es bei den Betrieben, die für ihre Grüne Soße noch Kräuter zukauften und daneben noch anderes Gemüse produzierten. "Viele fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen. Ohne den Schutz ihrer Felder plagen sie Zukunftsängste", erklärt der Verbandssprecher. Ein Betrieb nach dem anderen verschwinde.
Mühsame Suche nach einem Nachfolger
Das liegt auch daran, dass mancher Gemüsebauer keinen Nachfolger findet. Deshalb ist Horst Krämer mit seinen 75 Jahren weiter auf seinem Hof und auf dem Feld mit seinem Traktor unterwegs. "Ich habe zwar eine Tochter, aber die war von Anfang an gegen diesen Beruf", sagt Krämer. Stattdessen sei sie Rektorin an einer Grundschule.
Zwar ist der 75-Jährige längst im Rentenalter, aufhören will er jedoch nicht. Doch wenn er dazu gezwungen wäre, was wäre dann mit dem Betrieb? "Das steht in den Sternen", meint Krämer achselzuckend.
Eine andere Gärtnerei, die nicht namentlich genannt werden will, hat aus demselben Grund den Betrieb in diesem Jahr weitgehend aufgegeben. Ein Interview will dort niemand dazu geben.
Es fehlt generell oft an Personal
Manchem Hof fehlt es an Saisonarbeitern. Außerdem suchen viele Betriebe nach Angaben des hessischen Gartenbauverbands händeringend nach Auszubildenden. In dem Punkt immerhin hatte der 75 Jahre alte Gemüsebauer Horst Krämer Glück. Er konnte für seinen Betrieb eine junge Frau gewinnen.
"Ich arbeite gerne in der Natur und habe zu Hause selbst einen Garten", erzählt die 26 Jahre alte Eileen Burba. Sie hat ihre Ausbildung zur Gemüsegärtnerin gerade erst begonnen. Ob sie sich dauerhaft mit Kräutern beschäftigen will und ob der Betrieb sie später übernehmen wird, muss sich erst noch zeigen.