Inflation führt zu Schließungen Unverpacktläden stecken in der Krise
Unverpacktläden tragen dazu bei, Plastikmüll zu reduzieren. Auch in Hessen gibt es davon etliche. Doch die ersten Geschäfte leiden massiv darunter, dass zu wenig Kundschaft kommt. In Zeiten hoher Inflation halten viele ihr Geld zusammen.
Gedrückte Stimmung im Unverpacktladen Gramm.genau in Frankfurt: Dort hat mittlerweile der Abverkauf begonnen. An der Verkaufstheke hängt eine Liste von Lebensmitteln, die noch im Lager sind. Die Kundin Sabine Glässer lässt sich Mehl, Gummibärchen und Müsli in Tupperdosen füllen, die sie selbst mitgebracht hat.
Sollte der Laden bald komplett schließen müssen, wäre das für sie ein Verlust. "Dann müsste ich von Nudeln über Snackbrezeln bis hin zu Gewürzen wieder alles im Supermarkt kaufen und da gibt es das ja nur verpackt in Plastik." Dabei wolle die ganze Familie im Sinne des Klimaschutzes gerade darauf verzichten.
Ist Nachhaltigkeit einfach zu teuer?
Plastik vermeiden - Das haben sich die Unverpacktläden vor Jahren zur Aufgabe gemacht. Nach Angaben des Branchenverbandes gibt es in Hessen aktuell 32 solcher Geschäfte. Dort können sich Kunden mit Hilfe von Schütten lang haltbare Lebensmittel meist selbst in mitgebrachte Gläser, Flaschen und Stoffbeutel abfüllen. Teilweise werden sie auch – wie in Frankfurt – von Mitarbeitern bedient. Manche Läden haben darüber hinaus frisches Obst und Gemüse, Putzmittel, Shampoos und weitere Artikel im Sortiment – alles plastikfrei.
Regional, bio und etwas teurer
Die Lebensmittel haben in der Regel Bio-Qualität und stammen von regionalen Lieferanten. Daher seien sie häufig teurer als Vergleichbares im Supermarkt, meint Cornelia Rädler, die beim Frankfurter Laden Gramm.genau bedient und dort Teilbereichsleiterin ist. "Das schreckt natürlich Kunden ab." Aber oft habe diese Ware bessere Qualität und auch geschmacklich merke man einen Unterschied.
Gramm.genau wechselt den Eigentümer
Solche nachhaltigen Produkte scheinen sich Verbraucher trotzdem immer weniger zu leisten, in Zeiten hoher Inflation. Zuletzt sind die Verbraucherpreise im Oktober zwar nicht mehr so stark gestiegen wie in den Monaten zuvor, aber die Inflationsrate lag in Hessen immer noch bei 3,6 Prozent.
Deshalb bleiben auch bei Gramm.genau nach eigenen Angaben die Kunden aus. Seit Monaten würden die Umsätze drastisch sinken. Im Februar fand sich mit der landwirtschaftlichen Genossenschaft "die Kooperative" ein neuer Eigentümer, der das Geschäft bereits als Abholdepot für die eigenen Biokisten nutzte, mit Bio-Essen für den Mittagstisch belieferte und schließlich komplett übernahm. Schon vorher sei der Laden angeschlagen gewesen, man habe dessen Defizite aufgefangen.
Unverpacktladen trifft Fahrradwerkstatt
Wie es mit dem 2019 gegründeten Geschäft weitergeht, dazu entwickelt aktuell eine Arbeitsgruppe ein neues Konzept. Noch diesen Monat soll eine Entscheidung fallen. "Die Kooperative" als neuer Eigentümer setzt schon jetzt auf Aktionen wie etwa Weinabende, um zusätzliche Kunden anzulocken. Außerdem könne man Räume künftig gemeinsam nutzen, meint der Vorstand der Genossenschaft Christoph Graul "Denkbar wäre, einen Unverpacktladen mit einer Radwerkstatt und den Büros einer Klimainitiative zu kombinieren." So könne man sich eben auch die Kosten teilen.
Dass der Unverpacktladen irgendwie überleben kann, hofft auch der 40-jährige Frankfurter David Roderus, der dort nach eigenen Angaben mit seiner einjährigen Tochter regelmäßig einkauft und gleichzeitig seine Bio-Kiste abholt. Er bedauere, dass viele seiner Freunde das Einkaufen mit eigenen Behältern als zu umständlich und das Sortiment als zu klein empfänden.
Keine Förderung vom Land Hessen
Mit sinkenden Umsätzen kämpft auch der Laden "Unverpackt" in Darmstadt und hat in Folge bereits zwei Filialen schließen müssen. "Die gestiegenen Energiekosten, die allgemeine Inflation lässt die Leute ihr Geld zusammenhalten", meint die Inhaberin des Geschäfts Bettina Will. Das bereite ihr schlaflose Nächte. Es sei schade, dass nachhaltige Lebensmittel hierzulande generell so wenig geschätzt würden. Sie kenne viele weitere hessische Läden, die ebenfalls Probleme hätten.
Ministerium: "Gut für Abfallvermeidung"
Das hessische Umweltministerium hält die Unverpacktläden für wichtig. "Sie helfen, durch den Verzicht auf oft unnötige Verpackungen und die Verwendung von Mehrwegbehältnissen weniger Abfall zu produzieren", meint Petra Meyer-Ziegenfuß, Leiterin der Abteilung Abfallwirtschaftsplanung. Sie förderten regionales Einkaufen und einen nachhaltigen Lebensstil. Allerdings sei eine finanzielle Förderung einzelner Gewerbetriebe nicht möglich. Auch vom Wirtschaftsministerium gibt es keine Unterstützung.
Ladenbetreiber zeigen sich enttäuscht
Nach all den finanziellen Krisenhilfen der vergangenen Jahre, auch in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, ist das für Bettina Will, die Betreiberin des Darmstädter Unverpacktladens "bitter". Man betreibe diese Geschäfte immerhin mit viel Herzblut und großem Engagement und schließlich habe sich auch das Land Hessen die Vermeidung von Plastikmüll auf die Fahnen geschrieben, so Will.
Der Frankfurter Unverpacktladen Gramm.genau will nach Angaben der Betreiber möglichst ohne finanzielle Unterstützung auskommen. Das sei nicht das richtige Mittel und nur in allerhöchster Not sinnvoll. Vielmehr hoffe man weiter auf ein gesellschaftliches Umdenken.
Sendung: hr-iNFO, 09.11.2023, 12.21 Uhr.
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