Krisen als Katalysator Inflation und teure Kredite machen Unternehmen zu schaffen
Ob Baugewerbe oder Energiekonzerne: Es sind schwierige Zeiten für viele hessische Unternehmen. Einerseits werden für Kredite hohe Zinsen fällig. Anderseits leiden viele Firmen unter den hohen Preisen für Rohstoffe. Das bremst auch Investitionen.
Zwar hat sich die Inflation in Hessen zuletzt etwas abgeschwächt. Sie ist aber weiter auf einem hohen Niveau. Wie das Statistische Landesamt in Wiesbaden mitteilte, legten die Verbraucherpreise im September im Jahresvergleich um 4,7 Prozent zu.
Die Preise für Energie stiegen etwas stärker, und zwar binnen Jahresfrist um 5,1 Prozent, für Strom sogar um 22,6 Prozent. Die Preise für Nahrungsmittel zogen im September um 7,4 Prozent an. Überdurchschnittlich teurer wurden Brot, Getreideerzeugnisse und Gemüse.
ESWE: "Investitionen, die wir so noch nie hatten"
Für den Wiesbadener Energieversorger ESWE sind die gestiegenen Energiepreise ein Problem, denn er muss für seine Kunden Strom und Gas einkaufen. "Seitdem der Krieg in der Ukraine begonnen hat, sind die Preise explodiert", berichtet Vorstandsvorsitzender Ralf Schodlok. Sie hätten sich zwar mittlerweile etwas beruhigt. Aber wenn dieser Winter kalt werde, könnten sie erneut nach oben gehen.
Neben den schwankenden Energiepreisen ist für ESWE die Energiewende eine Herausforderung. Die Stadt Wiesbaden wolle ihre Wärmeversorgung umstellen, statt mit Gas und Öl mit Fernwärme und Wärmepumpen heizen, meint ESWE-Vorstand Schodlok: "Das erfordert Investitionen, die wir in so einem Ausmaß noch nie hatten."
Nach eigenen Aussagen braucht das Energieunternehmen dafür viele Millionen Euro, die es sich bei Banken leihen will. Allerdings würden für diese Kredite immer höhere Zinsen fällig, für ein Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren seien es mittlerweile rund vier Prozent. Das sei vier Mal so viel wie noch vor wenigen Jahren.
Kredite mit bis zu neun Prozent Zinsen
Die Kombination von hoher Inflation und hohen Zinsen macht auch kleinen Firmen zu schaffen. Dazu zählt Binary Affairs, eine IT-Unternehmensberatung aus Dreieich. Die Gründerin Magdalena Jantea berichtet, durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten bleibe ihr am Ende des Monats einfach weniger übrig.
Aktuell befindet sich die Firma zudem in einer Investitionsphase und nimmt dafür Kredite in Anspruch, für die bis zu neun Prozent Zinsen fällig werden. "Das tut weh", räumt Jantea ein. Aber die Firma brauche Geld, um eine Internetplattform aufzubauen, über die Seminare und Workshops organisiert werden sollen.
Anforderungen bei Krediten verschärft
Angesichts höherer Ausgaben muss die Firmeninhaberin die Preise für diese Veranstaltungen neu kalkulieren: "Da erlauben wir uns, statt 59 Euro oder 79 Euro die 90-Euro-Marke zu sprengen." Und gleichzeitig spart man bei den Personalkosten. Das Unternehmen stellt eher jüngere Mitarbeiter mit geringeren Gehaltsansprüchen ein. Die wolle man aufbauen und langfristig an sich binden.
Binary Affairs gehört zu den Geschäftskunden der VR Bank Dreieich-Offenbach. Vorstandsmitglied Jens Prößer erzählt, so wie diese Firma würden viele Projekte mit spitzem Bleistift rechnen. Und um bei einer Bank an einen Kredit zu kommen, müssten sie außerdem mehr eigenes Geld mitbringen als vor etwa einem Jahr. "Die Anforderung kann gar nicht Jeder und Jede erfüllen und dann überlegen wir gemeinsam, wie man noch an Eigenkapital kommen könnte", so Prößer.
Oft springen befreundete Unternehmen ein oder es finden sich weitere Kapitalgeber, um ein Projekt zu retten. Probleme haben allerdings nach Aussagen des Bankers insbesondere Baufirmen und Handwerker, die ihnen zuarbeiten. Denn vom Holz bis zum Zement sind viele Baumaterialien teurer geworden, die Finanzierungskosten sind gestiegen. Gleichzeitig sinkt aber die Nachfrage nach Immobilien.
Oft sind Krisen ein Katalysator
Es seien herausfordernde Zeiten, räumt letztlich auch Vorstandsmitglied Prößer ein: "Das ist zwar natürlich nicht schön, aber es findet sich auch nicht immer eine Lösung, am Ende gibt es auch den Fall der Insolvenz." Es treffe vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen.
Laut Statistischem Landesamt Hessen mussten im ersten Halbjahr 2023 rund 640 Unternehmen Insolvenz anmelden, gut acht Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Die meisten Insolvenzen verzeichnete das Baugewerbe. Oft seien die Krisen der letzten Jahre dabei ein Katalysator, meint Prößer von der VR Bank Dreieich-Offenbach: "Wenn jemand bereits vorher in Schwierigkeiten war, dann haben die sich durch die hohe Inflation und die steigenden Zinsen verschärft."
Sendung: hr-iNFO, 28.9.2023, 16:25 Uhr
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