Integration Wie ukrainische Geflüchtete in den Arbeitsmarkt finden

Oksana Penkovska hat endlich einen Job gefunden. Die Ukrainerin ist vor knapp zwei Jahren aus ihrer Heimat nach Hessen geflüchtet, seit wenigen Wochen arbeitet sie nun bei einem Unternehmen im Odenwald. Der Weg in den Arbeitsmarkt war, wie bei vielen anderen Geflüchteten, nicht ganz einfach.  

Oksana Penkovska
Oksana Penkovska in ihrem Büro bei der Erbatech GmbH in Erbach Bild © hr / Abdullah Al Samman
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Oksana Penkovska sitzt in ihrem Büro bei der Erbatech GmbH in Erbach und klickt sich durch verschiedene Programme. Sie berechnet gerade die Produktionskosten des Textilveredelung-Unternehmens. Der Job mache ihr Spaß, sagt sie, sie sei gerne hier: "Ich habe ein sehr gemütliches Büro und einen guten Arbeitsplatz und die Leute sind sehr lieb zu mir."

Die 42-jährige Ukrainerin ist vor knapp zwei Jahren wegen des Krieges in ihrer Heimat nach Deutschland geflüchtet und lebt nun in Bad König im Odenwald. Von Anfang an war ihr klar: Sie will in Deutschland arbeiten und nicht bloß herumsitzen und warten. Berufserfahrung hat sie genügend. Penkovska arbeitete 20 Jahre lang in der Ukraine im Bereich Finanzen und Controlling. Dennoch: Eine Stelle zu finden war nicht einfach, die 42-Jährige musste geduldig sein.

Mangelnde Sprachkenntnisse und bürokratische Hürden

So wie Penkovska geht es auch anderen Geflüchteten. "Meistens kommen Geflüchtete in die Zielländer ohne Sprachkenntnisse, weil sie ihre Herkunftsländer schnell verlassen müssen und keine Zeit haben, die Sprache zu lernen", sagt Professorin Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Nach der Ankunft müssten Geflüchtete also erst mal Deutsch lernen und ihre Abschlusszeugnisse anerkennen lassen. Erst dann könnten sie auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland einsteigen.

Prof. Dr. Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Bild © IAB_credit_Murr_fabric

So war es auch bei Penkovska. Nachdem sie ihren Deutsch-Kurs für "fortgeschrittene Sprachkenntnisse" (Stufe B1) in Bad König erfolgreich abgeschlossen hatte, hätte sie sechs Monate lang auf den Folgekurs in ihrem Landkreis warten müssen. Der Grund: Es gab keine freien Plätze. Der B2-Kurs ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber hilfreich, um einen Job zu finden.

Weil sie nicht über Monate untätig rumsitzen wollte, suchte sie nach Alternativen und fand einen freien Kurs im knapp 40 Kilometer entfernten Darmstadt. Dafür musste sie zunächst einen Berechtigungsschein vom Jobcenter holen, damit sie einen Kurs außerhalb ihres Kreises besuchen konnte. Nebenbei bemühte sie sich, ihr Abschlusszeugnis in Wirtschaftsmanagement anerkennen zu lassen. Das sei aber nicht so schwierig gewesen, sagt sie.  

Komplizierter sei die Anerkennung der Berufsabschlüsse von Geflüchteten in reglementierten Berufen, bestätigt Yuliya Kosyakova von der Bundesagentur für Arbeit. Also etwa in den Bereichen Medizin oder Bildung. "Die Anerkennung dauert bei diesen Abschlüssen länger. Außerdem gibt es ein hohes Risiko der Nichtanerkennung wegen der Nichtvergleichbarkeit der Bildungssysteme", so Kosyakova. 

Erwerbsquote auf über 20 Prozent gestiegen

Im vergangenen Sommer lag die Erwerbsquote geflüchteter Ukrainerinnen und Ukrainer bei rund 19 Prozent, im späten Herbst stieg sie auf 24 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt hätten viele ihre Sprachkurse erfolgreich abgeschlossen oder seien kurz davor gewesen, erklärt Kosyakova. Und dann könne die Integration in den Arbeitsmarkt beispielsweise durch Beratung intensiviert werden. 

Kateryna Danilova, Beraterin beim Projekt "Faire Integration" (EVW)
Kateryna Danilova, Beraterin beim Projekt "Faire Integration" (EVW) Bild © privat

In Hessen gibt es verschiedene Beratungsstellen, die Geflüchtete unter anderem aus der Ukraine bei der Jobsuche unterstützen. Kateryna Danilova vom Projekt "Faire Integration" vom Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen berät ihre Klientinnen und Klienten zum Beispiel auf Deutsch, Ukrainisch und Russisch. Sie und ihre Kolleginnen versuchen, mit ukrainischen Netzwerken zu arbeiten und schreiben in ukrainische Facebook-Gruppen, um Hilfsbedürftige zu erreichen. "Manchmal sind wir auch in Flüchtlingsheimen und stellen unsere Angebote vor oder besuchen andere Projektträger und verteilen Flyer."

Integration hilft dem deutschen Arbeitsmarkt

Wenn sie die Menschen erreichen und ihnen bei der Jobsuche helfen können, sei das nicht nur für die Geflüchteten gut, meint Danilova. Es helfe auch dem deutschen Arbeitsmarkt. Denn Lehrkräfte, Pflegepersonal und Ärztinnen und Ärzte fehlten überall – und viele der Menschen aus der Ukraine hätten Qualifikationen in diesen Bereichen.  

Auch die Ukrainerin Oksana Penkovska ließ sich beraten. Sie fand Kateryna Danilova und ihr Team über das Internet. Sie sei von Anfang an sehr aktiv gewesen und habe mit Einheimischen und Einrichtungen wie AWO, Diakonie und Jobcenter Kontakt aufgenommen, erzählt Penkovska. Das habe ihr sehr bei der Jobsuche geholfen.

"Ich bin Deutschland und den Deutschen für alles sehr dankbar, was sie für uns Ukrainer gemacht haben", sagt sie. "Ich wünsche allen meiner Landsleute, so einen Arbeitsplatz zu finden." Damit das gelinge, meint Penkovska, könnten einige ihrer Landsleute ein bisschen aktiver werden.

Weitere Informationen

Migrationsberatungsstellen in Hessen

Eine Übersicht über Migrationsberatungsstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finden Sie hier.

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Es braucht Zeit

Yuliya Kosyakova von der Bundesagentur für Arbeit ist aber zuversichtlich, dass das klappt. Bis Geflüchtete ihren Weg in den deutschen Arbeitsmarkt fänden, brauche es einfach ein bisschen Zeit. Von den Menschen, die 2015/2016 nach Deutschland kamen, hätten nach sechs Jahren gut 50 Prozent einen Job gehabt. Nach sieben Jahren seien es schon über 60 Prozent gewesen.

Und bei Geflüchteten aus der Ukraine könne das sogar noch schneller gehen, meint sie: Immerhin müssten sie kein Asylverfahren durchlaufen, und ein anfängliches Beschäftigungsverbot gebe es für sie auch nicht. 

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 22.1.2024, 19:30 Uhr

Redaktion: Susanne Mayer

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Quelle: hessenschau.de