Jobmotor oder Millionengrab? Was der umstrittene Kassel Airport für Nordhessen bedeutet
Für die einen ist es eine Geldverbrennungsanlage, für die anderen ein Symbol für den Glauben an ganz Nordhessen: Der Kassel Airport bringt zwar nur in Teilzeit Menschen an ihr Ziel, will mit einer neuen Studie nun aber selbst sein Potenzial offenlegen.
Der Kassel Airport steht für ein Plus an Steuereinnahmen, ist Jobmotor und damit ein Gewinn für die Region: Das legt eine Untersuchung des Zentrums für Recht und Wirtschaft des Luftverkehrs (ZFL) nahe.
Die Studie unter der Leitung des Ökonomen Richard Klophaus bescheinigt dem umstrittenen Flughafen in Calden (Kassel) "eine zentrale Rolle als Wirtschafts- und Standortfaktor für die nachhaltige Entwicklung der Region Nordhessen".
Am Montag wurde die Studie in Calden vorgestellt. Dass sie durchaus zu positiven Ergebnissen kommt, mag nicht überraschen. Denn beauftragt wurde sie von der Flughafen GmbH Kassel, also dem Betreiber selbst. Für Flughafen-Geschäftsführer Lars Ernst bestätigen die Ergebnisse die Bedeutung des Airports. Dieser sei "schon jetzt ein großer Gewinn für die Region".
Flughafen "ein Gewinn für die Region"
Studien-Autor Klophaus hat für seine Untersuchung die Beschäftigungszahlen erhoben. Demnach seien 2024 insgesamt 1.287 Jobs in 40 am Airport angesiedelten Unternehmen nachgewiesen worden. Im Vergleich zu 2012, einem Jahr vor der Umwidmung vom Verkehrslandeplatz zum Verkehrsflughafen, bedeute dies einen Anstieg von rund 83 Prozent.
Insgesamt kommt die Studie auf 3.432 direkt, indirekt und induzierte Arbeitsplätze rund um den Flughafen. Damit sind zum einen Jobs in der Produktion gemeint, aber auch Mitarbeitende in Unternehmen der Lieferketten sowie Arbeitsplätze, die entstehen, weil direkte und indirekte Arbeitnehmer ihr verdientes Geld in dem Umlauf bringen.
Studie: Steuereinnahmen übertreffen Kosten des Flugbetriebs
Der Studie zufolge beläuft sich die gesamtwirtschaftliche Bruttowertschöpfung, also die Summe aller wirtschaftlichen Aktivitäten rund um den Airport, im vergangenen Jahr auf 291 Millionen Euro. Laut Klophaus bedeutet das für das Land Hessen, Stadt und Landkreis Kassel und die Gemeinde Calden als Gesellschafter Steuereinnahmen in Höhe von 72,6 Millionen Euro.
Damit kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Steuereinnahmen die jährlichen Kosten des Flugbetriebs "deutlich übertreffen". Auf dem Papier steht jährlich immer noch ein Defizit von rund 5 Millionen Euro zu Buche.
Mit dem verkürzten Blick auf Flugzahlen werde man der Bedeutung des Projekts für die Region nicht gerecht, beteuert die Studie. "Durch seine Rolle als Verkehrsinfrastruktur und Werbegebiet" liefere der Airport wichtige wirtschaftliche Impulse und: Perspektivisch könnte er seine Bedeutung demnach noch stärken: "durch innovative Konzepte wie Regionalflüge und Elektroflugzeuge".
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Grüne kritisieren Studie
Kritik kommt von der Opposition. "Keiner kann ernsthaft glauben, dass sich ZF Luftfahrt, Airbus und Co. in Kassel-Calden angesiedelt haben, weil man von dort einmal pro Woche nach Gran Canaria fliegen kann", sagte Kaya Kinkel, Sprecherin für Wirtschaft der Grünen-Landtagsfraktion, laut Mitteilung. "Das Gewerbegebiet in Calden bringt Arbeitsplätze und Wertschöpfung in die Region, was wir begrüßen."
Davon unabhängig sei aber die Entwicklung des Flughafens zu bewerten, für den nach wie vor eine Strategie fehle, wie das jährliche Defizit reduziert werden kann. "Der Airport gehört dringend auf einen unabhängigen Prüfstand", forderte Kinkel.
Negative Schlagzeilen - vor allem wegen Urlaubsflügen
Zuletzt hatte es immer mehr negative Schlagzeilen gegeben. Vor allem, weil Fluggesellschaften den Airport aus ihrem Angebot gestrichen hatten. So gab die Fluggesellschaft Corendon im November bekannt, Calden nicht mehr anzufliegen. Zuvor hatte Sundair sein in Calden stationiertes Flugzeug aufgegeben und damit die einzige fest stationierte Maschine abgezogen.
Dazu gab es im Winter keine regelmäßigen Flugverbindungen für Touristen. Lediglich einzelne Flüge nach Madeira, Finnland und Norwegen und einige Sonderreisen wurden angeboten. Seit dem Wochenende finden wieder wöchentliche Flüge nach Gran Canaria statt. Die Passagierzahlen hatten sich nach der Corona-Delle in 2022 und 2023 wieder auf überschaubarem Niveau erholt.
2024 nutzten mit 82.983 Passagieren deutlich weniger Menschen den Airport als Start- und Zielflughafen als in den Jahren zuvor. Dabei macht der Reiseflugverkehr nur circa drei Prozent der Starts und Landungen aus. Insgesamt fanden laut einer Flughafen-Sprecherin 23.230 Flugbewegungen statt, 699 davon im Bereich der klassischen Ferienflieger.
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Flughafen als Ort des Protests
Im Oktober vergangenen Jahres hatten die Aktivisten der Letzten Generation die Debatte um den Kassel Airport erneut angefacht. Dieser mache jährlich Millionenverluste und werde mit Steuergeldern künstlich am Leben erhalten, lautete ihre Kritik.
Sie hatten dazu den Austausch mit Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) gesucht. Dieser sprach sich gegen eine Subventionierung des Flugbetriebs aus und schlug vor, städtische Anteile am Flughafen an das Land Hessen zu verkaufen. An seinen Äußerungen gab es teils scharfe Kritik.
Land Hessen hält Airport Kassel für ein "wichtiges Infrastrukturprojekt"
Hessens Finanzstaatssekretär Uwe Becker (CDU), zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen GmbH Kassel, hält den Flughafen für ein wichtiges Infrastrukturprojekt. Für jeden Euro, die das Land für die betriebswirtschaftlichen Kosten aufwende, erhalte man drei bis vier Euro zurück, so Becker. Das sei ein "gutes Geschäft".
Becker warnte davor, den Flughafen ausschließlich anhand der Urlaubsflüge zu bewerten. Wer nicht an den Kassel Airport glaube, so Becker, "der glaubt nicht an Nordhessen".
Erfolg nicht nur in Flugbewegungen und Passagierzahlen messen
Auch der Hessische Industrie- und Handelskammertag (HIHK) sieht den Airport Kassel positiv. Die Studie habe demnach gezeigt, dass sich die Bedeutung des Flughafens sich nicht allein in Flugbewegungen und Passagierzahlen messen lasse, heißt es in einem Statement.
Der Flughafen sei ein "wichtiger Standortfaktor für die Region", so Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller - und gleichzeitig Geschäftsgrundlage für die dort ansässigen Unternehmen.
Ansässiges Unternehmen verzeichnet deutlichen Aufschwung
Der Flugzeughändler Piper Deutschland AG operiert seit 1968 vom Flughafen Kassel-Calden aus. 2013 zog das Unternehmen, das die Bereiche Verkauf, Wartung und Reparatur sowie Ersatzteilversorgung abdeckt, vom alten Flugplatz an den neuen Kassel Airport. Weilbach fehlt bei der Debatte um den Flughafen "der Blick in die Zukunft". Er sieht im Kassel Airport großes Potenzial für die regionale Wirtschaft und hält dessen Bedeutung für unterschätzt.
Für den Standort habe sich das Unternehmen bewusst entschieden. Vorstandschef Patrick Weilbach sieht die Infrastruktur des Kassel Airport als Möglichkeit, neue Geschäftsfelder für das Unternehmen zu erschließen. Seit 2019 hätten sich Umsatz und Anzahl der Beschäftigten verdoppelt. Derzeit suche man weitere Mitarbeiter.