Ende des Nebenkostenprivilegs Mieter in der Kabel-Falle

Mit dem Ende des Nebenkostenprivilegs dürfen Kabel-TV-Gebühren nicht mehr über die Mietnebenkosten abgerechnet werden. Viele Mieter sind dennoch an Verträge mit Gebäudenetzbetreibern gebunden. Die Verbraucherzentrale Hessen gibt Betroffenen Ratschläge.

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Das Nebenkostenprivileg ist gefallen: Trotzdem sehen sich viele Kunden gezwungen einen TV-Kabelanschluss bei den Gebäudenetzbetreibern abzuschließen. Bild © picture-alliance/dpa
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Jahrzehntelang legten die Hausverwaltungen und Hauseigentümer die Kosten für den Kabel-TV-Anschluss einfach auf die Mietnebenkosten um. Das ist nun vorbei. Am 1. Juli dieses Jahres fiel das sogenannte Nebenkostenprivileg.

Mieter, die keinen Kabel-TV-Anschluss wollen, müssen dafür auch nicht mehr bezahlen. Die Idee: Mieter sollten selbst entscheiden können, was sie möchten. Soweit die Theorie.

Gebäudenetzbetreiber verlangen Durchleitungsgebühr

Tatsächlich endet die große Freiheit oft schon an der eigenen TV-Kabeldose im Wohnzimmer. Denn von dort bis zum Hausübergabepunkt im Keller sind vielfach nicht die großen Unternehmen wie Vodafone oder Pyur zuständig, sondern sogenannte Gebäudenetzbetreiber – in Hessen etwa die Medicom Dreieich GmbH oder die Rehnig Group.

Diesen Unternehmen drohten nach dem Fall des Nebenkostenprivilegs nun Umsatzeinbußen – nämlich dann, wenn sich Mieter entscheiden, nur noch einen Kabelinternet- und Telefonvertrag abzuschließen. Schließlich lässt sich auch übers Internet das Fernsehen streamen.

Anbieter drohen mit Kappung der Leitung

Deshalb kamen diese Gebäudenetzbetreiber offenbar auf eine neue Geschäftsidee: Wie die Verbraucherzentrale Hessen berichtet, haben viele Mieter inzwischen ein Schreiben von diesen Unternehmen erhalten, in denen mitgeteilt wird, dass ein Kabelinternet- und Telefonvertrag mit Vodafone oder Pyur nur möglich ist, wenn sie einen TV- und Kabelanschlussvertrag mit ihnen abschließen oder eine Durchleitungsgebühr entrichten. Andernfalls drohe die Kappung der Leitung.

Damit wird Mietern ein kostenpflichtiger TV-Kabelanschluss aufgezwungen und die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs ein Stück weit unterlaufen.

Verbraucherzentrale: "Aus unserer Sicht unangemessen"

"Eine solche Durchleitungsgebühr ohne technischen Grund ist aus unserer Sicht unangemessen", sagt Olesja Jäger, Referentin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Hessen. 

Die Verbraucherzentrale berichtet von einigen Kunden, denen Vodafone ihre Kabel-Internetverträge schon gekündigt hat. Dies geschah, nachdem die privaten Gebäudenetzbetreiber die Weiterleitung der Internet-Signale beendet hatten und Vodafone deshalb keinen Internetzugang mehr bieten konnte.

Keine Stellungnahme der Unternehmen

Betroffene Mieterinnen und Mieter sähen sich nun mit der Herausforderung konfrontiert, entweder eine alternative Internetversorgung zu finden, also ihre alten Telefonleitungen von der Telekom wieder zu benutzen, oder höhere Kosten in Form der Durchleitungsgebühr zu tragen, so die Verbraucherzentrale. Das belaste die Mieter doppelt und schränke ihre Wahlfreiheit ein.

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Gebäudenetzbetreiber und Durchleitungsgebühr

Eigentlich ist der Vermieter als Eigentümer für die Kabel im Haus verantwortlich. Er kann jedoch die Verwaltung der Fernseh-, Telefon- und Internetkabel (Netzebene 4 oder NE-4) des Hauses an einen externen Dienstleister auslagern - um etwa eine Fachfirma mit der Wartung zu betrauen. Manchmal beauftragen Vermieter diese Wartung direkt bei den Netzbetreibern, also Vodafone zum Beispiel.

Manchmal übernehmen dies auch Drittunternehmen, sogenannte Gebäudenetzbetreiber. In der Vergangenheit wurden die Kosten für diese Wartung über die Nebenkostenabrechnung abgerechnet, heute wird ein separates Entgelt für die Nutzung des Netzes verlangt, die Durchleitungsgebühr. Ob es rechtmäßig ist eine solche Gebühr für die teils Jahrzehnte alte Koaxkabel-Installation in den Gebäuden zu erheben, werden vermutlich irgendwann einmal die Gerichte entscheiden.

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"Die Kosten liegen teilweise über den bisher über die Nebenkosten abrechenbaren Kabelfernsehgebühren", so Jäger. Medicom Dreieich GmbH oder die Rehnig Group sahen sich bislang nicht in der Lage, dem hr die Hintergründe ihrer Geschäftspraxis zu erläutern.

Verbraucherzentrale prüft juristische Mittel

Die Verbraucherzentrale rät Mietern, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und keine voreiligen Vertragsabschlüsse zu tätigen. Sollten es keine Alternativen zum Internetanschluss über Kabel geben, so empfiehlt die Verbraucherzentrale den TV-Vertrag mit dem Gebäudenetzbetreiber zunächst abzuschließen.

Ob die fraglichen Durchleitungsgebühren rechtlich zulässig sind, werde durch die Verbraucherzentralen geprüft und gegebenenfalls juristisch angegriffen.

Dann müssten die Gerichte urteilen, ob für die teils Jahrzehnte alte Koaxkabel-Installation im Haus tatsächlich Gebühren zu entrichten sind. Wenn nicht, könnten die Betroffenen einen Rückzahlungsanspruch haben.

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Das Ende des Nebenkostenprivilegs

Ab dem 1. Juli gilt, dass Vermieter die Kosten fürs Kabelfernsehen nicht mehr über die Nebenkostenabrechnung an Mieter weiterreichen können. Mieter müssen sich selbst darum kümmern, wie sie TV empfangen wollen. Beim Kabelfernsehen zählen Vodafone und Pyur zu den großen Anbietern. An das Kabelnetz von Vodafone sind in Hessen nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Haushalte angeschlossen. Bei Pyur sind es knapp 70.000 Haushalte, der Großteil davon in Frankfurt und Offenbach. 

Alternativ zum Kabel lässt sich Fernsehen unter anderem per Antenne (DVB-T2) oder Satellit empfangen. Für beide Wege haben aktuelle Fernsehgeräte meistens Empfänger eingebaut. Für DVB-T2 ist dann nur noch eine Antenne notwendig, die es für unter 20 Euro gibt. Ältere Fernseher lassen sich mit einem kleinen Receiver (ab unter 30 Euro) nachrüsten. Kostenlos ist dann der Empfang der öffentlich-rechtlichen Sender. Für die privaten Kanäle ist ein "Freenet"-Abo notwendig, das zum Beispiel im Jahr 99 Euro kostet. Mehr Informationen: Empfang von DVB-T2 in Hessen

Satellitenschüsseln gibt es schon für unter 50 Euro. In Mehrfamilienhäusern ist das Anbringen an der Fassade jedoch oft nicht erlaubt und vom Vermieter bzw. Verwalter abhängig. Wer einen Südbalkon hat, kann die Schüssel aber eventuell mit einem "Balkonständer" aufstellen. Flache Sat-Antennen kosten ab knapp 100 Euro. Mit dem alten Standard DVB-S empfängt man wie im Kabelfernsehen auch die privaten Sender kostenlos in SD. Im neueren Standard DVB-S2 sind wie bei DVB-T2 die öffentlich-rechtlichen Sender kostenlos und die privaten per Abo zu empfangen.

Informationen über alle Empfangswege bei der Verbraucherzentrale

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Quelle: hessenschau.de