Klimaschutz bei Häusern Gesucht: Grüne Manager in der Immobilienbranche

Die Politik fordert von der Immobilienbranche mehr Klimaschutz. Um die grüne Transformation zu bewältigen, suchen die Unternehmen händeringend nach Energieberatern. Auch sonst ist die Branche dabei, neu denken zu lernen.

Energieberater bei der Arbeit
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Solarmodule zieren die Fassade des "Plantinums" in Wiesbaden bis unter das Dach. Im Inneren des sechsstöckigen Büroturms, in dem die Hessenagentur sitzt, ersetzt Holz vielerorts den herkömmlichen Beton. Ein 400 Quadratmeter großer, unterirdischer Eis-Energiespeicher dient zum Heizen und Kühlen. In der Tiefgarage befinden sich Ladestationen für E-Bikes und batteriebetriebene Autos.

Ein Leuchtturmprojekt des Frankfurter Projektentwicklers OFB, denn das sogenannte Energie-Plus-Gebäude erzeugt über das Jahr gesehen mehr Energie, als es für den eigenen Betrieb benötigt. Gebäude wie diese sollen die grüne Transformation voranbringen. Die Immobilienbranche weiß: Die Emissionen müssen schleunigst runter, um die Klimaziele zu erreichen. 

Platinum Wiesbaden
Das Platinum in Wiesbaden (Visualisierung) Bild © OFB Projektentwicklung

Nach Angaben der Europäischen Union entfallen in der EU auf Gebäude rund 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs, mehr als die Hälfte des Gasverbrauchs (hauptsächlich für Heizung, Kühlung und Warmwasser) und 36 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen.

ESG-Manager in Immobilienbranche

Projektentwickler, Bauunternehmen und Investoren brauchen deshalb vor allem eines: Fachpersonal, das sich mit dem Einsparen von Energie auskennt. Solche ESG-Manager werden derzeit händeringend gesucht, wie Bushra Nadeem, Geschäftsführerin der Frankfurter Personalberatung Artes Recruitment, sagt. Und diese sind rar. ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung). 

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Die bei Immobilienunternehmen begehrten Energieberater sollten auf jeden Fall handwerkliche Expertise mitbringen, meint Bushra Nadeem. Ihre Personalberatung vermittelt Fach- und Führungskräfte der Bau- und Immobilienbranche. Ihr Bruder Shahid Nadeem ist bei Artes Recruitment auf Erneuerbare Energien spezialisiert und nennt als wichtige Felder für ESG-Berater im Immobilienbereich Sanitär, Heizung, Klimaanlagen oder Elektrotechnik und Energietechnik.

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ESG

ESG-Manager beziehungsweise Nachhaltigkeitsbeauftragte sind auch in Unternehmen anderer Branchen begehrt. Auch dort gelten Standards für umweltfreundliches, sozialverträgliches und nachhaltiges Wirtschaften. Wer speziell in der Immobilienbranche als ESG-Managerin oder -Manager arbeiten will, sollten sich etwa mit der nachhaltigen Planung von Neubauten oder der klimafreundlichen Modernisierung von älteren Gebäuden auskennen.

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Personalberaterin: "Schockstarre ist vorbei"

Außer ESG-Managern suchten die Unternehmen derzeit vor allem Risikocontroller, sagt Bushra Nadeen. Denn nicht nur der Nachhaltigkeitsaspekt, auch die Immobilienkrise habe die Berufswelt in der Branche verändert. "Ende 2022 gingen die Investments stark zurück. Die Veränderung ging damit einher, dass viele Investmentmanager sowohl auf der Makler-Ebene als auch auf der Investorenseite weniger bis gar nichts mehr zu tun hatten", sagt Bushra Nadeen. Auch die Projektentwicklung sei davon betroffen gewesen.

Doch diese Schockstarre sei inzwischen vorbei, meint die Personalberaterin: "Die Willenskraft ist seit Anfang des Jahres wieder stärker geworden." Jetzt gehe es verstärkt um Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien.

Experte: "Es gab früher zu wenige Vorgaben"

Auch für Tobias Just von der Immobilienakademie mit Standorten am Kloster Eberbach in Eltville (Rheingau-Taunus) und an der Uni Regensburg lautet das Zauberwort ESG. In Jahren des Aufschwungs bis 2022 habe die Immobilienwirtschaft das Thema nicht ernst genug genommen, meint Just. "Das hatte zwei Gründe: Es ging der Branche relativ gut, und es gab nicht genug regulatorische Vorgaben, so dass man auch nicht die Not hatte, etwas zu unternehmen."

Die Bundesregierung verfolge nun das Ziel, bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudesektor zu erreichen. Das bedeute, "dass die Gebäude nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen und der verbleibende Energiebedarf überwiegend durch erneuerbare Energien gedeckt wird", erklärt Tobias Just.

EU übt Druck auf die Immobilienbranche aus

Auch die EU macht Druck: Als Beispiel nennt Immobilienexperte Just die EU-Taxonomie, die 2022 in Kraft getreten ist. "Die Möglichkeiten des Greenwashings sind reduziert", sagt er. Bei der EU-Taxonomie handelt es sich um eine Verordnung der EU-Kommission, die verbindliche Standards für nachhaltiges Wirtschaften festlegt. Investoren sollen zum Beispiel anhand der klaren Kriterien der Verordnung erkennen, ob ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet oder eher nicht. Größere Unternehmen sind zu einem jährlichen ESG-Bericht (Nachhaltigkeitsbericht) verpflichtet.

Bushra Nadeem
Personalberaterin Bushra Nadeem Bild © ARTES Recruitment

Die Abgeordneten im Europaparlament legten im vergangenen Jahr neue Sanierungsvorgaben nach: In Wohngebäuden soll der Energieverbrauch zum Beispiel bis 2030 im Schnitt um 16 Prozent und bis 2035 um bis zu 22 Prozent sinken. Aktuell sind etwa 35 Prozent der Gebäude in der EU älter als 50 Jahre, fast 75 Prozent des Gebäudebestands sind nicht energieeffizient.

Grüne Transformation kostet Milliarden

Um den Nachwuchs in der Immobilienbranche adäquat zu schulen, wurde laut Just an der Uni Regensburg schon vor Jahren ein eigener Nachhaltigkeitsbereich aufgebaut. Die Immobilienakademie ist eine Art Business School, angesiedelt an der wirtschaftlichen Fakultät. "Auch bei den Weiterbildungen stoßen wir auf eine gesunde Nachfrage", sagt Just: "Im Moment nehmen wir durchaus wahr, dass viele Immobilienunternehmen genau diese Fachqualifikation suchen."

Die grüne Transformation fordert Milliarden-Investitionen in Neubauten, Renovierungen und Nachrüstungen. "All das ist teurer als die Standardausrüstung, die man vielleicht aus den 1980er und 1990er Jahren übernommen hätte", sagt Just. Es gehe zum Beispiel darum, Fassaden zu dämmen, Dächer mit Dämmmaterial zu unterlegen und nachhaltige Standards bei der Belüftung oder Fußbodenheizung umzusetzen.

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Wohnungen in Hessen

In Hessen gehören zweieinhalb von den insgesamt rund drei Millionen Wohnungen Privatleuten. Das macht mehr als 85 Prozent des hessischen Wohnungsbestands aus, wie der Verband Haus & Grund Hessen mitteilt. 
Die Eigentümer investieren demnach jährlich mehr als 7,1 Milliarden Euro in ihre Immobilien. Die Investitionen sichern oder schaffen laut Verband pro Jahr rund 135.000 Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen. 

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Projektentwickler: "Wir brauchen einen digitalen Zwilling"

Projektentwickler, die größere Immobilienprojekte planen, bedenken all das schon früh mit, wie OFB-Geschäftsführer Bernd Schade sagt. "Früher hat man Nachhaltigkeits-Zertifikate gerne genommen, um sich grün zu zeigen", räumt er ein. Das Thema Marketing habe im Vordergrund gestanden. Heute sei das anders, so Schade. Nur noch ESG-konforme Projekte seien vermarktungsfähig, die Immobilienbranche werde unter anderem durch weitreichendere ESG-Regularien zum Handel getrieben.

"Jeder Projektentwickler muss eigentlich heute schon überlegen, wie er diese Kriterien zukünftig erfüllen kann, sonst wird er Schwierigkeiten bekommen, eine Finanzierung für seine Projekte zu bekommen", sagt der OFB-Geschäftsführer. 

Das Platinum in Wiesbaden
Das Platinum in Wiesbaden ist ein sogenannter Holz-Hybrid-Bau (Visualisierung). Bild © OFB Projektentwicklung

Bei der nachhaltigen Gebäudeentwicklung schwebt Schade unter anderem eine digitale Lösung vor: "Wir brauchen einen digitalen Zwilling des Gebäudes, das real steht. Das heißt: "Wir brauchen alle Informationen des Gebäudes als digitale Daten."

Dabei gehe es zum Beispiel um diese Fragen: Welche Materialien wurden für den Bau des Gebäudes verwendet und wo wurden diese verbaut? Welche Materialien sind zertifiziert? Welchen Wärme- oder Kühlbedarf haben die technischen Anlagen und wie viel Energie verbrauchen sie? Standard ist eine umfassende digitale Planung in der Immobilienbranche laut Schade allerdings noch nicht. 

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de