Klimawandel Der Riesling kommt an seine Komfortgrenze
Wassermangel, Erosion und Trauben mit Sonnenbrand – der Klimawandel setzt dem beliebten Riesling aus dem Rheingau zu. Dennoch halten Winzer vorerst an ihm fest, denn ein Umstieg auf Rotwein birgt Risiken.
Der frische Weißwein aus dem Rheingau ist berühmt, rund 75 Prozent der Reben sind Riesling. Der Klimawandel könnte dort allerdings für den "Cool-Climate"-Wein zum Problem werden. Denn wenn es noch wärmer und trockener wird, kommt der Riesling an seine Komfortgrenze.
Der Riesling habe dichte Trauben, erklärt Yvette Wohlfahrt von der Hochschule Geisenheim University (Rheingau-Taunus). Und diese seien anfällig für Pilzbefall und Fraßschäden.
Die Trauben roter Sorten verkraften laut Wohlfahrt die Klimaveränderung im Rheingau von Natur aus besser. "Gerade beim Cabernet sieht man, dass die Traube mit dem wärmeren Klima viel besser zurechtkommt, sie hat eine viel dickere Beerenschale", sagt sie. Das merke man auch, wenn man sie drücke: Sie sei sehr biegbar. "Das nennen wir Lockerbeerigkeit."
Weinbaugrenzen werden sich verschieben
Die Wissenschaftlerin erforscht systematisch Auswirkungen der Klimaveränderungen auf verschiedene Rebsorten. Sie und andere Experten sind sich sicher: Die Weinbaugrenzen werden sich verschieben. Es wird von wetterfesterem Anbau bis hin zu angepassten Reben nachgedacht.
Damit der Riesling überleben kann, versuchen die Winzerinnen und Winzer, die Weinberge kühl zu halten: mit mehr Schatten und mehr Bodenfeuchte. Es werden etwa Streifen zwischen den Reihen und Weinreben begrünt, damit die Nährstoffe und die Feuchtigkeit im Boden gehalten werden.
Um einer Erosion entgegenzuwirken, setzt die Hochschule in Kooperation mit einzelnen Winzerinnen und Winzern außerdem auf kleinere Terrassen in Hanglagen. Das bedeutet zugleich aber weniger Anbaufläche – und damit auch weniger Ertrag.
Die Weinanbaufläche im Rheingau umfasst laut dem Deutschen Weininstitut derzeit rund 3.200 Hektar. Die Winzerinnen und Winzer im Rheingau tragen demnach etwa drei Prozent an der Gesamtproduktion deutscher Weine bei. Im kleineren hessischen Anbaugebiet, der Bergstraße, stehen auf rund 460 Hektar Reben.
Experimente mit Tempranillo
Es gibt erste Winzer, die aufgrund der Klimaveränderungen darüber nachdenken, auf ihren Weinbergen mit roten Rebensorten wie Tempranillo zu experimentieren. In Rheinhessen oder in Baden-Württemberg gibt es schon einzelne Versuche dazu.
Im Rheingau können sich allerdings die wenigsten Winzer vorstellen, im großen Stil auf Rotweine umzustellen. Auf den Weinbergen des Familienweinguts Jung Dahlen in Eltville-Erbach steht zum Beispiel momentan vor allem Riesling. Weitere Rebsorten, wie Spätburgunder, werden im kleineren Rahmen angebaut.
"Ich kann schon sagen: Ich mache den Riesling weg und den Spätburgunder hin", sagt Jungwinzer Sandro Mohr. "Aber ich habe dann erstmal drei Jahre lang an dem Stock keinen Ertrag dran." Mache er das auf 20, 30, 40 Prozent seiner Fläche, bedeute das einen großen Aufwand und eine große Einbuße.
Experten: Es ist riskant, einen Weinberg umzustellen
International bekannt ist momentan als Rheingau-Rotwein bisher nur der Spätburgunder vom Assmannshäuser Höllenberg im Mittelrheintal. Mit seinem hohen Schieferanteil und dem Rhein zu Füßen gilt der steile Weinberg als eine sehr gute Rotweinlage. Dort werden schon seit dem 13. Jahrhundert rote Reben angebaut.
Einen Weinberg ad hoc umzustellen, gilt in der Branche als riskant. Selbst wenn es nicht gleich spanischer Tempranillo, sondern nur ein heimischer Roter sein soll. Im Moment dürfte Tempranillo sowieso höchstens als Versuchsanbau gepflanzt werden.
Unvorstellbar sei das dennoch nicht, sagt Gergely Szolnoki, Professor für Marktforschung am Institut für Wein- und Getränkewirtschaft. "Damit möchte ich sagen, dass es tatsächlich Winzer gibt, die mit der Idee spielen, Tempranillo hier in den besseren Lagen zu pflanzen."
Vermarktung dürfte schwierig werden
Szolnoki, der sich mit dem deutschen und internationalen Weinmarkt beschäftigt, sieht im Falle eines Umstiegs auf Tempranillo allerdings eine große Herausforderung für Produzenten. Die Vermarktung des Weines könne schwierig werden: "Rioja dürfte man ihn sowieso nicht nennen", meint er.
Die Winzerinnen und Winzer müssten rüberbringen, dass es sich nicht um einen Fake, sondern um einen Qualitätswein handelt. "Das ist bestimmt eine richtige Herausforderung, wenn man nicht nur ein oder zwei Hektar Tempranillo anpflanzen würde."
Menschen konsumieren weniger Wein
Neben dem Klimawandel und bürokratischen Hürden stehen Weinproduzentinnen und -produzenten noch vor weiteren Herausforderungen: Der Weinkonsum ist in den letzten Jahren stetig zurückgegangen, wie Szolnoki erklärt. Der Pro-Kopf-Verbrauch betrug demnach 2022 noch 23 Liter.
Die EU-Kommission bezifferte den bundesweiten Rückgang unlängst mit 22 Prozent. In Frankreich sieht es ähnlich aus. Dort musste im August sogar überschüssiger Wein vernichtet werden, um die Preise zu stabilisieren. Die Winzer wurden mit Millionensummen entschädigt.
Neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Gastronomie-Schließungen machen der gesamten Weinbranche außerdem die Inflation und die gestiegenen Energiepreise zu schaffen.
Szolnoki blickt dennoch optimistisch in die Zukunft: Die Weinernte, die vor wenigen Wochen begonnen hat, laufe stabil. "Und es wird wieder mehr exportiert", sagt er.
Sendung: hr-iNFO, 20.9.2023, 13:04 Uhr
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