Zahntechnik-Hersteller Dentsply Sirona Krise bei größtem Arbeitgeber reißt Millionenloch in Bensheim

Im Haushalt der Stadt Bensheim klafft ein riesiges Loch. Der Hauptgrund: Im Kreis Bergstraße kriselt es beim größten Arbeitgeber, der Firma Dentsply Sirona. Das wird Folgen für viele Menschen in Bensheim haben.

Mittelalterlicher Turm in Bensheim - als Rest der Stadtmauer - rechts daneben fließt ein schmaler Bach, die Lauter. Bäume säumen den Bachlauf. Im Hintergrund: Häuser
Die Idylle in Bensheim ist durch die Finanzsorgen getrübt. Bild © IMAGO / Depositphotos
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Die Mitarbeiter von Dentsply Sirona in Bensheim schweigen. Beim größten Arbeitgeber im Kreis Bergstraße möchte niemand etwas ins Mikrofon oder vor der Kamera sagen. Unter der Hand sprechen sie von "großer Unruhe, schlechter Stimmung und starker Verunsicherung".

Das Unternehmen stellt technische Produkte für Zahnärzte her. Ein langjähriger Mitarbeiter sagt: "Früher sind pro Jahr 15.000 Behandlungsstühle für Zahnärzte produziert worden. Jetzt sind es noch etwa 7.500."

Immerhin: Elf Monate Kurzarbeit in Teilbereichen der Produktion konnten im September beendet werden. Für sein Unternehmen sieht der Mitarbeiter dennoch "insgesamt eine düstere Perspektive".

Weniger Jobs, mehr Dividende?

Martin Sperber-Tertsunen, Betriebsbetreuer der IG-Metall und Mitglied im Aufsichtsrat von Sirona Dental Systems, berichtet von Stellenabbau. 60 Jobs in der ersten, jetzt noch einmal 30 weitere in der aktuellen Restrukturierung. Er sagt, die Belegschaft sei erbost, weil die Aktionäre dennoch eine um 14 Prozent erhöhte Dividende bekommen sollen.

Die Geschäftsleitung von Dentsply Sirona konnte dem hr "kurzfristig keinen Gesprächspartner anbieten", um ihre Sicht zu schildern. Trotz einer Interviewanfrage mit zwei Wochen Vorlauf. In einer knappen E-Mail ist von einem "verbesserten Auftragseingang" die Rede. Aber auch davon, "dass das wirtschaftliche Umfeld weiterhin von hoher Unsicherheit geprägt ist."

Millionen an Gewerbesteuer fehlen in Bensheim

Die Krise bei dem Unternehmen hat nicht nur für die Mitarbeiter spürbare Folgen. Es stellt die Stadt Bensheim vor große Probleme. Christine Klein (SPD) ist seit vier Jahren Bürgermeisterin von Bensheim. Sie will erst Mitte Juni in konkreten Zahlen erfahren haben, wie groß der Einbruch bei der Gewerbesteuer ist.

Für das laufende Jahr klafft ein Haushaltsloch von 43,2 Millionen Euro, denn die Kommune muss Unternehmen wie Dentsply Sirona mehr als 30 Millionen Euro bereits gezahlte Gewerbesteuer zurückerstatten. Hinzu kommt das ohnehin schon geplante Defizit von über zwölf Millionen Euro.

Grundsteuer B soll um 234 Prozent steigen

Dass mit Dentsply Sirona einer der ganz großen Gewerbesteuer-Zahler schon seit mehreren Jahren in der Krise steckt, das wussten Klein und viele andere schon länger. Die Dimension sei jedoch überraschend, so Klein. Mittlerweile ist klar, dass in den kommenden Jahren deutlich weniger Gewerbesteuer fließen wird.

Kleins erster Schritt, um das Haushaltsloch zu schließen: eine Haushaltssperre, die seit dem Sommer gilt. Im zweiten Schritt soll die Grundsteuer B (für bebaute oder unbebaute Grundstücke) um 234 Prozent steigen.

Das träfe viele Bensheimer, zum Beispiel auch Tatjana Steinbrenner. Die Geschäftsführerin des Kaufhaus Ganz in Bensheim hat für sich überschlagen: "Bei uns waren es knapp 40.000 Euro. Und wenn die Erhöhung kommt, sind wir bei über 80.000." Auch sie wird sich überlegen müssen, wie ihr Unternehmen darauf reagiert.

Gebühren für Dienstleistungen könnten steigen

Wahrscheinlich werden auch die Gebühren für städtische Dienstleistungen steigen. Welche und wann? Das ist noch unklar. Natürlich stellt sich für die Stadt auch die Frage, wo gespart werden kann - oder muss.

Theater, Museum, Schwimmbad, Musikschule, 54 Vereine, 34 Kindertagesstätten, neun Dorfgemeinschaftshäuser und zehn Feuerwehren - das alles und noch viel mehr gibt es in Bensheim und wird finanziell von der Stadt unterstützt und getragen.

Dass die Kita-Gebühren alle zwei Jahre um sieben Prozent steigen, das ist schon beschlossen. Aber dabei wird es nicht bleiben. Die Sportvereine fürchten, dass sie künftig Nutzungsgebühren für die Sportstätten zahlen müssen. Das Kulturprogramm der Stadt steht zur Disposition, die Stadtbibliothek wird vorerst nicht so ausgebaut werden können, wie geplant. Und die Neugestaltung des Marktplatzes, in deren Planung schon sehr viel Geld geflossen ist, liegt auf Eis.

Bürgermeisterin Klein: "Keine Schnellschüsse"

Bürgermeisterin Klein warnt vor Schnellschüssen. Man müsse jetzt "in Ruhe" überlegen, gemeinsam mit den Bürgern. Sie sagt, der größte Teil des Gesamtetats von etwa 130 Millionen sei fest gebunden. Es gebe also ohnehin nur wenig Spielraum.

Aus der Bensheimer SPD heißt es, die Stadt habe schon seit Jahren über ihre Verhältnisse gelebt. So oder so müssten die Verhältnisse jetzt verändert werden.

Sendung: hr1,

Quelle: hessenschau.de