Lieferengpässe bei Kliniken Warum es zu wenig Kochsalzlösung gibt
Kochsalzlösung ist in Krankenhäusern unverzichtbar - und einfach herzustellen. Dennoch klagen Kliniken über Lieferengpässe. Reserven gibt es noch, doch auch die werden knapp.
Kochsalzlösung kostet nur wenige Cent und ist für Krankenhäuser und Arztpraxen extrem wichtig - und doch könnten Krankenhäuser bald nicht mehr genug Reserven haben.
Die 0,9-prozentige Natriumchlorid-Lösung wird vielseitig eingesetzt: als Trägerflüssigkeit von Medikamenten, aber auch zum Spülen von Kathetern, Wunden und bei Operationen. Kurz gesagt: Kochsalzlösungen sind unverzichtbar dort, wo es um die Gesundheit der Menschen geht. Und ausgerechnet die können zahlreiche Hersteller derzeit nicht ausreichend und pünktlich liefern.
Problem: kein adäquater Ersatz für Kochsalzlösung
Im Klinikum Schwalmstadt fließen täglich allein 100 Liter durch Kanülen und Beutel. "Es ist ein essenzielles Medikament, das wir in den Kliniken brauchen", sagt Andreas Hettel, Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik in Schwalmstadt. Für die Lösung gebe es "keinen adäquaten Ersatz".
Christoph Lang vom Verbund der Asklepios Kliniken Schwalm-Eder zeigt sich überrascht vom Mangel. Die Lösung sei ein "Artikel der Grundversorgung", und man sei davon ausgegangen, dass dieser in Massen hergestellt werde.
Noch sei die Versorgung sichergestellt. Der Betreiber Asklepios habe ein riesiges Zentrallager mit großen Reserven für alle seine Kliniken. Auch deshalb kann der Krankenhausverbund den Mangel noch abfangen.
Fehlende Glasflaschen für Kochsalzlösung
Doch warum ist die Kochsalzlösung aktuell so knapp? An fehlendem Wasser oder Salz kann es nicht liegen. Hersteller wie B. Braun in Melsungen (Schwalm-Eder) oder Fresenius Kabi mit Sitz in Bad Homburg (Hochtaunus) verweisen auf Produktionsprobleme eines Lieferanten.
So räumte B.Braun auf Nachfrage Probleme bei der Produktion ein. Man könne "die bisher stark erhöhten Liefermengen" bei der Produktgruppe der Injektionsflaschen bis zum Ende des Jahres nicht einhalten, heißt es.
Und auch Fresenius verweist auf einen Lieferengpass bei einem Lieferanten für 50- und 100-ml-Glasflaschen. Diesen habe man bereits im März und im Mai an die zuständigen Behörden gemeldet.
Den Kunden könne man deshalb nur mit rund 80 Prozent des durchschnittlichen Bedarfs der letzten Monate versorgen, so ein Sprecher. Einen weiteren Grund für den Engpass sehe man aber auch in einer erhöhten Nachfrage im Markt für isotonische Kochsalzlösungen. Wo genau die Flaschen produziert werden, wird nicht erklärt.
Bremsen EU-Vorgaben die Produktion aus?
Der Bundesverband Pharmazeutische Industrie (BPI) beobachtet in den vergangenen Jahren einen massiven Preisverfall bei allen medizinischen Produkten. Viele Hersteller seien daher auf Lohnfertiger und Abfüller außerhalb Europas ausgewichen, erklärt Thomas Brückner vom BPI.
Die Produktion von Arzneimitteln werde somit für Hersteller hierzulande immer komplizierter - auch weil immer mehr Vorgaben von der EU kämen. So beispielsweise die Verschärfung der Gesetzesgrundlage für die Herstellung von sterilen Arzneimitteln. Aus Sicht des BPI habe es keine Notwendigkeit gegeben, die Herstellungsbedingungen von Kochsalzlösung zu verschärfen.
Versorgung "auf Kante genäht"
"Dramatisch wird es in Notfallsituationen" fasst Steffen Gramminger, Geschäftsführender Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG), die Misere zusammen. Die fehlenden Glasflaschen als Grund für den Mangel an Kochsalzlösung seit Sommer hält er für plausibel. Bisher habe man noch keine Operationen verschoben, so Gramminger, aber "es ist alles auf Kante genäht".
Der Verband der Krankenhausträger in Hessen habe bereits das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angefragt, zu Herstellern Kontakt aufgenommen und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geschrieben. Das Versprechen laute, man habe den Engpass bis zum Ende des Jahres behoben.
So richtig glauben kann Gramminger das nicht. Zumal das fehlende Produkt die Krankenhäuser in mehrfacher Hinsicht vor Probleme stelle. So müsse die Logistik des Krankenhauses "noch genauer auf den Punkt passen", so Gramminger. Vor allem für geplante Operationen brauchten die Kliniken viel von der Spülflüssigkeit.
Begrenzter Lagerplatz sorgt für Probleme
In den Krankenhäusern hofft man derweil auf ein Ende der Mangelversorgung, wie beispielsweise in Hanau. Das Klinikum ist ein städtisches Krankenhaus mit begrenztem Lagerplatz. Deshalb hat man hier stets nur eine kleine Reserve vorhalten können.
Das 30-köpfige Team der Klinikumsapotheke kümmert sich um die Medikamentenversorgung des Krankenhauses. Daneben werden von hier aus zwei weitere Kliniken versorgt, eine Klinik in Darmstadt und eine in Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig).
Doch nicht nur das. Auch die Rettungsdienste in ganz Frankfurt und Hanau statten Apothekenchef Danny Brell und sein Team mit Medikamenten und Infusionslösungen aus. Laut Brell herrscht ein "eklatanter Mangel an Kochsalz- und Infusionslösungen". Der betreffe mittlerweile auch Praxen und die Versorgung ambulanter Patienten.
Hanau: OP-Termine auf der Kippe
Das hat Auswirkungen auf den Klinik-Alltag. Einige OP-Termine standen hier bereits auf der Kippe. Dabei kommen die meisten Präparate von deutschen Herstellern - jedenfalls auf den ersten Blick.
Die Lieferketten seien komplex geworden, bestätigt Brell den Standpunkt des BPI, nicht alles werde an einem Ort produziert. Und so sei zwar der Inhalt aus Deutschland, Glasflasche und Deckel würden aber woanders produziert.
Dass sich die Lage bis zum Ende des Jahres entspannt, glaubt Brell nicht. Er hat wenig Hoffnung, dass "sich bis Mitte/Ende nächsten Jahres die Gesamtsituation der Lieferengpässe verbessert".