Zufrieden oder ausgebrannt? Wie hessische Unternehmen ihre Beschäftigten bei Laune halten
Mobiles Arbeiten, Coaching, Mitarbeiter-Events: Mit welchen innovativen Arbeitsmodellen binden Arbeitgeber ihre Beschäftigten ans Unternehmen? Wir haben bei Opel, B.Braun, Lufthansa und anderen Konzernen nachgefragt. Eine Auswahl.
Glückliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels Gold wert. Denn wer im Job zufrieden ist, wechselt seltener und arbeitet effizienter. Die Realität sieht aber oftmals anders aus: Nach einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts Gallup fühlt sich fast ein Fünftel der deutschen Beschäftigten emotional nicht an sein Unternehmen gebunden. Das sei ein Höchststand seit 2012, heißt es in der Studie. Viele der Befragten sind sogar aktiv auf der Suche nach einem neuen Job.
Wie können Unternehmen dem entgegenwirken und eine mitarbeiterorientierte Arbeitswelt schaffen? Wir haben bei der Lufthansa, der Deutschen Bank, bei Opel und anderen Konzernen nach ihren Angeboten für Mitarbeitende gefragt. Und lassen diese vom New-Work-Experten Tobias Reitz aus Darmstadt einschätzen, der Unternehmen in Veränderungsprozessen begleitet.
- Homeoffice und mobiles Arbeiten
- Flexible Arbeitszeiten
- Mitarbeiterumfragen
- Mitarbeiter-Events
- Gesundheit und Fitness
Homeoffice und mobiles Arbeiten
Früher war es eher verpönt, spätestens seit der Corona-Pandemie hat sich das Arbeiten aus dem Homeoffice aber etabliert. Und das kommt bei den Beschäftigten laut einer Studie der TU Darmstadt auch richtig gut an.
Beim Autohersteller Opel aus Rüsselsheim besteht zum Beispiel inzwischen eine dauerhafte, flexible Homeoffice-Lösung. Beschäftigte könnten zwischen null und fünf Arbeitstagen pro Woche im Homeoffice variieren - je nach Tätigkeitsfeld, sagte Opel-Sprecher Andreas Steiner. Bei der B.Braun Group mit Sitz in Melsungen (Schwalm-Eder) sind nach eigenen Angaben bis zu drei Tage Homeoffice pro Woche möglich.
Etwas strenger geht es bei der Deutschen Bank zu. Für sie ist das Büro weiterhin der primäre Arbeitsplatz, auch wenn das Geldinstitut an einem "hybriden Arbeitsmodell" festhält. Neue Richtlinien stellen laut Sprecher Christian Streckert unter anderem die Präsenz der Führungskräfte im Büro sicher.
Bei der Lufthansa Group geht das mobile Arbeiten in manchen Bereichen dank einer Betriebsvereinbarung über das Arbeiten in den eigenen vier Wänden hinaus. "Die Regelung enthält auch die Möglichkeit von 30 Tagen Mobilarbeit im europäischen Ausland", erklärte Airline-Sprecher Marc Baron.
Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) akzeptiert es, wenn ihre Beschäftigten mobil aus dem Ausland arbeiten. Das geschieht im Rahmen einer sogenannten Workation, wie Daniela Geretshuber, Mitglied der PwC-Geschäftsführung, erläuterte. Die Anzahl der Länder, von denen aus gearbeitet werden kann, wurde inzwischen auf 40 erhöht.
Das sagt unser Experte zum Homeoffice
Flexibel und selbstbestimmt über den Arbeitsort entscheiden zu können, gehört für Experte Tobias Reitz aus Darmstadt zu einer modernen Arbeitswelt dazu. Was beim Homeoffice und beim mobilen Arbeiten zu beachten ist: "Teams und Unternehmen sollten smarte Kriterien für die Wahl des passenden Arbeitsortes entwickeln und Strukturen schaffen, die alle Arbeitsweisen auch wirklich möglich macht", sagte er dem hr. Wenn jemand beispielsweise von zu Hause nicht gleichberechtigt an Meetings teilnehmen könne, habe er keine wirkliche Wahlfreiheit.
Tobias Reitz ist Experte für "New Work" und Mitbegründer des Unternehmens "quäntchen + glück". Unter dem Begriff "New Work" werden alle Entwicklungen zusammengefasst, die für eine moderne, mitarbeiterorientierte Arbeitswelt Bedeutung haben.
Flexible Arbeitszeiten
Ob Gleitzeit, Teilzeit oder Jahresarbeitszeitkonten und Ampelkonten: Neben dem Homeoffice bieten Unternehmen auch flexible Arbeitszeiten an. Beim Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen gibt es diese schon länger. "Die Mitarbeiter können ab 6.30 Uhr mit ihrer Arbeit beginnen, die Uhr läuft dann bis 19.30 Uhr", sagte Sprecher Matthias Haupt. In Ausnahmefällen könne davon abgewichen werden, insbesondere bei Dienstreisen.
Pricewaterhouse Coopers will den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach eigenen Angaben viel Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeiten gewähren. "In den meisten Bereichen werden die Überstunden auf einem persönlichen Jahresarbeitszeitkonto gesammelt und können ausgezahlt oder in Freizeit umgewandelt werden", erklärte Daniela Geretshuber.
Auch Opel ist daran gelegen, das Berufs- und Privatleben der Beschäftigten in Einklang zu bringen, wie Sprecher Andreas Steiner mitteilte. Der Autobauer verfüge über verschiedene Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise das Gleitzeitmodell oder Teilzeitvarianten. Beim Medizintechnik-Hersteller B.Braun gibt es etwa Eltern- und Pflegeteilzeitprogramme, um Flexibilät zu ermöglichen, wie Sprecherin Mechthild Claes dem hr mitteilte.
Das sagt unser Experte zum flexiblen Arbeiten
Die eigenen Arbeitszeiten selbstbestimmt anpassen zu können und gute Kompromisse zwischen Berufs- und Privatleben zu finden – das ist für den New-Work-Experten Reitz genauso wichtig wie mobiles Arbeiten. "Gut finde ich das Ampelkonto. Denn flexibles Arbeiten funktioniert nur, wenn Teams und Unternehmen für Transparenz sorgen", sagte er. Das Ampelkonto stellt eine Weiterentwicklung des Arbeitszeitkontos dar - bei "Grün" läuft alles nach Plan, bei "Rot" haben sich zum Beispiel zu viele Überstunden angesammelt.
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Mitarbeiterumfragen
In vielen modernen Konzernen und Institutionen finden Mitarbeiterbefragungen statt. Zum Teil können darin auch Führungskräfte bewertet werden – etwa bei PwC. "Es gibt einmal jährlich eine unternehmensweite Abfrage der Bedürfnisse, über eine groß angelegte Befragung. Darüber hinaus erhalten die Mitarbeiter:innen durch das Upward Feedback die Möglichkeit, ihre Führungskräfte zu bewerten und ihnen wichtige Impulse mitzugeben“, erklärte Daniela Geretshuber von der Geschäftsführung.
Opel fragt ebenfalls ab, was die Beschäftigten brauchen. "Opel und Stellantis ist es wichtig, zielgerichtet auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen. Darum findet regelmäßig eine umfangreiche Mitarbeiterumfrage statt, die mit einer Umfrage zur mentalen Gesundheit verbunden ist", so Sprecher Steiner. Die analysierten Ergebnisse fließen demzufolge in konkrete Aktionspläne ein.
Anonymisierte Befragungen zum Arbeitsalltag gibt es ebenfalls bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn. Diese finde alle drei Jahre statt. Aus den Ergebnissen leitet die GIZ laut Sprecher Louis Leible-Hammerer passende Maßnahmen ab: "Sowohl als Beratungsangebote, etwa zum Umgang mit Stress, als auch längerfristig in ihrer Unternehmens- und Personalstrategie."
Das sagt unser Experte zu Mitarbeiterbefragungen
Mitarbeitenden zuzuhören, sei erstmal eine gute Sache, findet Experte Reitz. Richtig sinnvoll sei eine Befragung aber erst, wenn Organisationen die Erkenntnisse nutzen, um sich zu verbessern. "Zu oft verstauben Ergebnisse aus Befragungen in Konzeptpapieren und Power-Point-Folien", kritisierte er. Denn Mitarbeitende seien schnell befragt – doch echte Veränderung, die die Betroffenen involviere, brauche Zeit, Geld und Energie.
Mitarbeiter-Events und Workshops
Teambuilding lässt sich bei Sommerfesten, Weihnachtsfeiern oder gemeinsamen Sportevents gut üben. Die Lufthansa betont, dass sie großen Wert auf eine mitarbeiterorientierte Führung legt. "Für die Lufthansa Group ist New Work ein großes und wichtiges Thema. Wir veranstalten regelmäßig Mitarbeitenden-Events, um Kolleginnen und Kollegen zusammenzubringen – digital und analog, in Teams und auch aus unterschiedlichen Abteilungen und Geschäftsbereichen", sagte Pressesprecher Marc Baron dem hr.
Opel organisiert für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedliche Events. Dazu gehören nach eigenen Angaben beispielsweise der jährliche Opel-Firmenlauf und Fahrzeugpräsentationen. Angeboten werden auch Mitarbeiter-Fahraktionen mit den neuesten Modellen sowie wechselnde Gewinnspiel-Aktionen.
Auf Sportevents setzt auch B.Braun. Es finden zum Beispiel Fußballturniere statt, wie Sprecherin Mechthild Claes sagte. Zudem gebe es Abteilungsevents, Jubilarfeiern, Workshops und Weiterbildungskurse.
Das sagt unser Experte zu Mitarbeiter-Events und Workshops
Veranstaltungen von, für und mit Mitarbeitenden sind für Experte Reitz nicht wirklich neu. "Sie können aber 'New Work' werden, wenn man mit guten Methoden dafür sorgt, dass beim Sommerfest abteilungsübergreifend miteinander gesprochen wird, Menschen wirklich in den Austausch kommen und nicht immer nur die gleichen Kleingruppen miteinander an einem Tisch sitzen und Bratwurst essen.“
Zum Teambuilding beitragen können auch Workshops und Weiterbildungen. Es geht Reitz um eine neue Art, auf Augenhöhe gemeinsam zu lernen. Was es da zu beachten gelte: "Gibt es digitale Schulungsangebote? Gibt es sogenanntes Peer-to-Peer-Learning, also das Lernen von Kolleginnen und Kollegen? Und wie verankert man eigentlich das Gelernte in der Organisation, sodass auch Kolleginnen und Kollegen davon profitieren?". Hier gibt es seiner Meinung nach viele Potenzialräume für Organisationen, wenn es um Schulung und Weiterbildung geht.
Gesundheit und Fitness
Die eigene Gesundheit ist ja bekanntlich nicht nur eine Privatangelegenheit. Viele Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden dabei, mental und körperlich gesund zu bleiben: mit Gesundheitsuntersuchungen, Yogatraining oder einem eigenen Fahrradverleih.
Bei der GIZ am Standort Eschborn gibt es Achtsamkeits-, Fitness- und Yogakurse des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Diese finden laut GIZ auch teils online statt. "Hinzu kommen Seminare, beispielsweise zu augenschonendem Arbeiten, sowie Betriebssportgruppen und eine Kindertagesstätte", so der Sprecher.
Auch die B. Braun Group bietet Gesundheit-Check-ups an. Als weitere Beispiele, die zum Wohlbefinden des Personals beitragen sollen, nennt der Konzern: Familienteilzeit, Bike Leasing, Ladestationen für E-Bikes sowie Gesundheitsangebote online und in Präsenz. Auch Pflegeversicherungen und eine Altersvorsorge gehören dazu.
Das sagt unser Experte zur Gesundheitsvorsorge
Experte Reitz findet es gut, dass das Thema Gesundheit – zunehmend auch das Thema mentale Gesundheit – von Unternehmen ernst genommen wird. Er betont aber zugleich: "Wenn Strukturen und Prozesse in Unternehmen Mitarbeitende überlasten und überfordern, dann wird das unternehmensweite Achtsamkeitstraining zum Pflaster." New Work würde eher bedeuten, gemeinsam an den krank machenden Strukturen zu arbeiten, anstatt nur einen zusätzlichen Yogakurs zu sponsern.
Für Reitz sind die Pflege- und Rentenvorsorge ein wichtiges Element auf dem Weg zu einer menschenzentrierten Arbeitswelt. "Vielleicht weniger hip als eine Urlaubs-Flatrate – aber vor allem mit flexibel gestalteten und auf den Einzelfall angepassten Paketen ein wirksames Mittel für eine menschlichere Arbeitsumgebung."
Sendung: mex. das marktmagazin, 3.4.2024, 20.15 Uhr
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