Medizin der Zukunft? Klinikum Kassel testet Drohnen für Transporte
Gewebeproben, Organe oder Blutkonserven schnell mit der Drohne von A nach B transportieren: Das ist das Ziel eines Pilotprojekts, das jetzt in Kassel vorgestellt wurde. Bis zum ersten Flug wird es aber wohl noch eine ganze Weile dauern.
Über der Pathologie am Klinikum Kassel schwebt eine Drohne in der Luft. An Bord befinden sich Gewebeproben, die umgehend im Labor analysiert werden müssen. Die Zeit drängt, denn die Patientin, der diese sogenannte Schnittstelle entnommen wurde, liegt noch in Narkose. Vom Ergebnis der Analyse hängt ab, wie es im OP-Saal weitergeht.
Was wie eine Szene wie aus einem Science-Fiction-Film anmutet, soll schon bald Realität werden. Das zumindest ist das Ziel des Projekts Airmour, das am Dienstag in Kassel vorgestellt wurde. Ziel der Akteure, darunter das Regionalmanagement Nordhessen und der Klinikkonzern Gesundheit Nordhessen Holding (GNH), ist es, noch in diesem Jahr erste Testflüge mit Gewebeproben, Organen, Blutkonserven oder Medikamenten zu absolvieren.
Drohnen sollen Operationen beschleunigen
Nordhessen ist eine von mehreren europäischen Pilotregionen für den Einsatz von pilotlosen Drohnen im Medizinsektor. An dem vom Technischen Forschungszentrum VTT in Finnland koordinierten Projekt sind 13 Akteure – darunter Forschungsinstitute, Zivilluftfahrtbehörden und Notdienstbetreiber – aus sechs Ländern beteiligt. Neben Deutschland zählen dazu Finnland, Norwegen, Schweden, Luxemburg und die Niederlande. Die EU finanziert Airmour mit rund sechs Millionen Euro.
In Zukunft sollen die Drohnen-Einsätze laut Irina Berger, der Leiterin des Pathologischen Instituts am Klinikum Kassel, zu einer schnelleren und schonenderen Operation von Patienten und Patientinnen beitragen. "Mit einer Drohne ist es möglich, eine Gewebeprobe während einer laufenden Operation innerhalb weniger Minuten auf dem Luftweg vom Krankenhaus in die Pathologie zu bringen." Aktuell dauere das mit dem Auto mitunter bis zu einer Stunde, sagt Berger. Eine schnellere Analyse verkürze die Zeit des Patienten in Narkose und schone Ressourcen im Krankenhaus.
Es gibt Sicherheitsbedenken
Bergers Szenario klingt nach Medizin von morgen, ist aktuell aber offenbar nicht mehr als Zukunftsmusik. Denn das Projekt, das vor zwei Jahren ambitioniert angegangen wurde und auf drei Jahre angelegt ist, geriet ins Stocken.
Hauptgrund sind die strengen Regeln der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA). Drohnen ab einem bestimmten Gewicht dürfen nicht einfach so über Städte fliegen, wie Projektmanagerin Eunice Njoki im Gespräch mit dem hr erklärt. "Wir müssen sicherstellen, dass die Sicherheit am Boden nicht gefährdet ist."
Dass von einer unbemannten Drohne, die sich im urbanen Luftraum über den Köpfen zahlreicher Menschen bewegt, eine gewisse Gefahr ausgeht, versteht sich von selbst. Dass es dafür exakte Vorschriften gibt, wohl auch. "Wenn wir täglich 15 Mal von A nach B wollen, braucht es dafür ein klares Konzept", so Njoki. Derzeit müsse für jeden einzelnen Flug erst eine Genehmigung eingeholt werden.
Noch ist das Gesetz im Weg
Kai Georg Bachmann, der Geschäftsführer des Regionalmanagements, sieht das Airmour-Projekt deshalb als Brücke von der Vision in die Realität. Das Projekt solle helfen, offene Fragen auszumachen und Herausforderungen zu bewältigen. "Ohne Anwendung in der Praxis bleiben sie im Ungefähren", sagte er. Vieles sei noch Neuland.
Vor einem Regelbetrieb von Drohnen im Medizinsektor müsse deshalb erst einmal die Gesetzgebung angepasst werden. Heißt: Bis die erste Drohne während einer OP abhebt, könnte wohl noch ein wenig Zeit verstreichen.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 07.03.2023, 19:30 Uhr
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