Arbeitsmarkt im Juli Mehr junge Arbeitslose und viele freie Ausbildungsstellen

Die Arbeitslosigkeit in Hessen hat im Juli zugenommen - auch, weil tausende junge Menschen darauf warten, dass ihre Ausbildung oder ihr Studium losgehen. Wer aktuell noch keinen Vertrag unterschrieben hat, dem macht der Wirtschaftsminister Hoffnung: Auch die Zahl der freien Ausbildungsplätze sei hoch.

Die Grafik zeigt die Arbeitslosenquote - weiße Schrift auf einem dunkelblauen Rechteck - von Juli 2024 in der Höhe von 5,6%. Der daneben stehende Pfeil zeigt nach oben, da im Vormonat die Quote bei 5,4% lag. Im Hintergund ist ein fotografischer Ausschnitt der Bundesagentur für Arbeit zu sehen.
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Im Juli waren in Hessen 197.059 Menschen arbeitslos - ein Anstieg um rund 5.000 seit Juni, wie die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch berichtete. Die Arbeitslosenquote nahm demnach von 5,4 auf 5,6 Prozent zu.

Diese Entwicklung sei aber zu erwarten gewesen, betonte Frank Martin, Geschäftsführer der Regionaldirektion Hessen. Viele junge Menschen würden sich jetzt nach dem Ende ihrer Ausbildung oder ihrer Schulzeit arbeitslos melden, bis sie im Herbst einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz hätten oder eine Folgeschule besuchten.

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So sei die Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen von 15 bis 25 Jahren im Vergleich zum Juni um rund elf Prozent gestiegen. Diese 2.000 Menschen würden vermutlich überwiegend auf eine Anschlusstätigkeit warten, "ein üblicher Prozess im Sommer". Im Herbst rechnet Martin wieder mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit.

Mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in Unternehmen

Für einen "nennenswerten Abbau" fehle es in den kommenden Monaten aber voraussichtlich an konjunkturellem Rückenwind, sagte Martin. Die Unternehmen hielten sich derzeit mit Einstellungen zurück. Im Vergleich zum Juli 2023 seien aktuell etwa 15.500 mehr Menschen arbeitssuchend gemeldet.

Eine positive Entwicklung gab es bei der Beschäftigung, wie Martin sagte. Aktuell hätten 28.000 mehr Menschen einen Job als vor einem Jahr. "Gerade die Beschäftigung von geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern steigt um einige hundert pro Monat", erklärte er. "Das ist erfreulich." In Hessen sei die Zahl der Beschäftigten schneller gestiegen als in anderen Bundesländern. 19.400 Ukrainerinnen und Ukrainer gehen derzeit in Hessen einer Beschäftigung nach.

Noch 13.000 Ausbildungsplätze frei

Trotzdem fehlt es in Hessen weiterhin an Fachkräften und auch Auszubildenden. Vor dem Start des neuen Ausbildungsjahrs am Donnerstag wies Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) darauf hin, dass bis zum Jahr 2028 etwa 200.000 Fachkräfte fehlen könnten - davon rund 135.000 ohne akademische Ausbildung. "Insbesondere kleine und mittlere Betriebe, gerade im Handwerk, im Handel und in der Industrie, können ihre freien Stellen nur schwer besetzen", sagte Mansoori.

Der Minister rief sowohl junge Menschen als auch die Betriebe auf, Möglichkeiten der Nachvermittlung zu nutzen. Wer heute noch keinen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat, habe nach wie vor gute Chancen, in eine duale Ausbildung einzusteigen, hieß es.

Aktuell sind nach den Zahlen der Arbeitsagentur noch rund 13.500 gemeldete Ausbildungsstellen unbesetzt. Die meisten offenen Stellen gab es zum Stichtag 15. Juli für Kaufleute im Einzelhandel (rund 1.200), Verkäuferinnen und Verkäufer (rund 1.100) und Handelsfachwirte (rund 700).

Den Angaben zufolge begannen im vergangenen Jahr knapp 36.000 junge Menschen eine Ausbildung in einem hessischen Betrieb. Rund 87.000 befanden sich 2023 insgesamt in einer dualen Ausbildung.

Unternehmerverbände: Längerer Arbeitsweg zumutbar

Außerdem meldete die Regionaldirektion Hessen für Juli rund 49.500 offene Arbeitsstellen. Das seien zwar rund 2.400 mehr als im Juni, aber in etwa so viele wie zu dieser Saison üblich.

Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) forderte, die Jobcenter müssten häufiger überregional vermitteln, damit mehr Arbeitslose eine passende Stelle finden können. "Ein längerer Arbeitsweg ist zumutbar, denn auch viele Erwerbstätige nehmen täglich Pendelzeiten von ein bis zwei Stunden und mehr in Kauf", sagte Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert.

DGB kritisiert "Diffamierung erwerbsloser Menschen"

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte am Mittwoch die Debatte um das Bürgergeld. Dies sei eine "herabwürdigende Scheindebatte", sagte die DGB-Bezirksvorsitzende Renate Sternatz. "Die deutsche Wirtschaft leidet nicht unter 'Faulheit', sondern unter mangelnden Investitionen und der angezogenen Schuldenbremse." Die "anhaltende Diffamierung erwerbsloser Menschen" sei beschämend. Eine verschwindend geringe Zahl lehne tatsächlich angebotene Arbeit ab.

Redaktion: Anja Engelke

Sendung: hr-iNFO,

Quelle: Jutta Nieswand, hessenschau.de, dpa/lhe