Wohnen auf der Baustelle Frankfurter Mieter wehren sich gegen Ex-Bayern-Star Salihamidžić

Der Ex-Sportvorstand des FC Bayern München investiert sein Geld in Immobilien. Im Frankfurter Gallus lässt er ein Haus umbauen. Einige Mieter fürchten, dass ihre Wohnungen teureren Residenz-Apartments weichen müssen. Die Stadt prüft, ob das überhaupt zulässig ist.

Hasan Salihamidžić
Hasan Salihamidžić war Sportvorstand beim FC Bayern München. Bild © picture-alliance/dpa
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Frankfurter Mieter wehren sich gegen Ex-Bayern Star Salihamidžić

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Ephrem Tesfay führt ein Leben wie auf einer Baustelle. Er wohnt als Mieter in einem Wohnheim im Frankfurter Stadtteil Gallus. Er berichtet, dass Mitte April vergangenen Jahres plötzlich Handwerker angerückt seien. Sie hätten die Böden rausgerissen und die gemeinschaftlich genutzte Toilette und Dusche auf seinem Stockwerk entfernt.

Das ganze Haus hätten sie umgebaut. "Überall steht Baumaterial herum", berichtet Tesfay. Durch den Staub sei sein Asthma so schlimm geworden, dass er bei einem Freund übernachten habe müssen.

Klage gegen den Vermieter

Einige Wochen zuvor hatten die Mieter des Wohnheims nach eigenen Angaben ein Schreiben erhalten: Es gebe einen neuen Eigentümer, nämlich Hasan Salihamidžić, Ex-Fußballprofi und zu dem Zeitpunkt noch mächtiger Sportvorstand der Profifußballabteilung des FC Bayern München. Und der lässt seitdem das Haus renovieren. 

Auch Tesfay soll sein Zimmer für einen Umbau räumen. Er bekam ein anderes Zimmer in dem Haus angeboten, um dort vorübergehend zu wohnen. Doch er lehnte ab. Er befürchtet, dass er seine bisherige, dann renovierte Unterkunft nicht mehr für 360 Euro werde mieten können. Für andere Zimmer im Haus werden nach der Renovierung nach Aussage von Tesfay nun rund 800 Euro pro Monat aufgerufen.

Ein Bild von Ephrem Tesfay
Mieter Ephrem Tesfay klagt gegen Vermieter Hasan Salihamidžić. Bild © hr

So eine hohe Miete könne er sich nicht leisten, sagt Tesfay dem hr. Inzwischen hat er vor dem Amtsgericht Frankfurt Klage gegen Salihamidžić eingereicht. Er klagt unter anderem auf Mietminderung, weil er sich durch die Bauarbeiten stark beeinträchtigt gefühlt hat. Der Verhandlungstermin wird für die nächsten Wochen erwartet.

Furcht davor, verdrängt zu werden

Spätestens jetzt hat Tesfay einen starken Gegner. Er, der Lagerarbeiter in einem Werkzeughandel, zieht vor Gericht gegen einen Mann, der vom FC Bayern München vor kurzem allein für seine Abfindung mehrere Millionen Euro kassierte. Er glaube an den Rechtsstaat und wolle, dass ihm die als Mieter zustehenden Rechte gewährt werden, sagt er.

Tesfay und zwei weitere Mieter aus dem Haus beschreiben unhaltbare hygienische Zustände während der Bauarbeiten, die sich seit Monaten hinziehen. "Sie fürchten, dass sie aus dem Haus gedrängt werden sollen", sagt David Görge, der Ephrem Tesfay vor Gericht vertritt. 

Der Anwalt wirft Salihamidžić vor, seine Mieter durch die Umbaumaßnahmen überrumpelt zu haben. Diese seien nicht schriftlich angekündigt worden. Das Mietrecht sieht aber vor, dass eine Modernisierung mindestens drei Monate vorher bekannt gegeben werden muss - und zwar schriftlich. 

Die Mieter in dem Haus im Frankfurter Gallus befürchten noch etwas anderes. Sie vermuten, dass ihr neuer Vermieter ihre Zimmer in Residenz-Apartments umwandeln möchte: Wohnen auf Zeit statt normaler Mietwohnungen.

Hausverwalter schildert Situation völlig anders

Hasan Salihamidžić lässt das Haus im Gallus von der Firma Renditus verwalten. Deren Geschäftsführer Michael Schramm sagt dem hr, er arbeite seit vielen Jahren mit dem früheren Fußballstar zusammen: "Ich bin Freund und Berater, aber auch Manager vieler Investitionen, die er tätigt."

Gelb gestrichenes Mehrparteienhaus im Frankfurter Gallus, das dem Ex-Fußballstar Hasan Salihamidžić gehört
Dieses Haus im Frankfurter Gallus gehört dem Ex-Fußballstar Hasan Salihamidžić. Bild © hr

 

Die Situation im Haus im Gallus erklärt Schramm völlig anders als Tesfay und die anderen Mieter, die sich wehren. Er glaubt, hätten diese nicht herausgefunden, dass der Besitzer ein Prominenter sei, bei dem man viel Geld holen könne, wäre alles friedlich verlaufen.

Schramm sagt, alle Mieter seien vorab über die Umbaumaßnahmen informiert worden. Das bestreiten die Mieter, mit denen der hr gesprochen hat. Der Renditus-Chef berichtet, es habe Aushänge gegeben für eine Info-Veranstaltung für alle Mieter. Auf dieser hätten seine Mitarbeiter Gesprächsprotokolle angefertigt.

Nach Aussage von Schramm waren die meisten Mieter in dem Wohnheim im Gallus damit einverstanden, während der Umbauarbeiten in Ausweichzimmer im Haus zu ziehen. Einige seien bereit gewesen, sich gegen Zahlung eines Geldbetrags woanders eine Bleibe zu suchen. Auch sei Mietern mietfreies Wohnen auf einer anderen Etage während der Arbeiten angeboten worden, versichert Schramm. Die sanierten Wohnungen mit Bad hätten sie dann zu höheren Mieten haben können.

Anwalt sieht Hinweise auf Umbau zu Residenz-Apartments

"Niemand in dem ganzen Gebäude hat eine Mieterhöhung bekommen", sagt Schramm: "Wir haben so viele Angebote gemacht, wir verstehen die Klage nicht." Salihamidžić selbst hat sich nicht geäußert. Für ihn spricht sein Immobilienmanager.

Tesfays Anwalt Görge sieht mehrere Hinweise darauf, dass das Haus in eine Apartment-Residenz mit entsprechend höheren Mietsätzen umgewandelt werden soll. Zum einen sei im Haus plötzlich ein Aushang an "die neuen Mieter" aufgetaucht, denen man "einen angenehmen Aufenthalt" wünsche. Absender: eine Firma namens Apartment Residenz.

Ein Toilette mit Bauschutt und offenen Wänden, ein Zettel weist auf die eingeschränkte Nutzung hin
Nur eingeschränkt nutzbar: Eine der Toiletten im Wohnheim im Gallus in Frankfurt. Bild © hr

In einem der neuen Mietverträge ist die Rede von einem "eingerichteten Apartment" und einer ungewöhnlich kurzen 14-tägigen Kündigungsfrist. Für Görge sind das Hinweise, dass die Wohnungen zu Apartments auf Zeit umgewandelt werden sollen.

Verwalter: Wohnheim-Charakter soll erhalten bleiben

Schramm stellt die Sache anders dar: Das Begrüßungsschreiben sei ein Fehler seines Büros gewesen, das sei schon am veralteten Briefkopf zu erkennen. Die kürzeren Kündigungsfristen, so Schramm, kämen vielmehr den Mietern entgegen, etwa Monteuren aus Osteuropa, die nur für kurze Zeit in Frankfurt seien und flexibel sein wollten.

Der Chef der Renditus GmbH stellt klar: Der Wohnheim-Charakter des Hauses im Frankfurter Gallus solle erhalten bleiben. Er habe nicht vor, darin Residenz-Wohnungen einzurichten wie in anderen seiner Objekte.

Mieter genießen Schutzrechte

Gert Reeh hat Zweifel daran, dass bei der Modernisierung des Hauses alles rechtlich einwandfrei abläuft. Reeh ist Mietrechtsanwalt und Vorsitzender des Mieterschutzbundes Hessen. "Niemand muss auf einer Baustelle wohnen", sagt er.

Mieter hätten bei umfangreichen Umbauarbeiten Schutzrechte, etwa Anspruch auf angemessenen Ersatzwohnraum. Reeh weist darauf hin, dass bei Modernisierungsumbauten die Miete um maximal 15 Prozent innerhalb von drei Jahren angehoben werden darf.

 

Der Experte vom Mieterschutzbund sieht in dem Fall ein Beispiel für einen Trend auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt. Investoren fänden immer weniger freie Flächen, um Immobilien zu bauen. Daher hielten sie nach bestehenden Häusern Ausschau, um ihr Geld mit hohen Renditeerwartungen zu investieren. Dabei würden sie dann etwa auf alte Wohnheime wie jenes im Gallus mit ihren günstigen Zimmern stoßen. "Diese wollen sie ertüchtigen und in teurere Apartmentwohnungen umwandeln", sagt Reeh. All das weist Immobilienmanager Schramm von sich.

Stadt: Sanierung war nicht genehmigt

Die Umwandlung von Mietwohnungen in solche Apartments ist in Frankfurt nicht überall erlaubt. Die Stadt versucht gegen Wohnraumzweckentfremdung vorzugehen, damit Wohnungen eben nicht als Ferien- oder Residenz-Apartments genutzt werden: etwa mit dem sogenannten Milieuschutz. Das Haus von Salihamidžić im Gallus liegt in so einem Schutzgebiet. Dort dürfen Mietwohnungen weder zu Eigentumswohnungen noch zu Beherbergungsstätten umgewandelt werden.

Die in dem Haus vorgenommenen Umbaumaßnahmen wären genehmigungspflichtig gewesen. Zuständig für die Überwachung der Milieuschutzsatzung ist die städtische Bauaufsicht. Auf hr-Anfrage teilt das übergeordnete Planungsdezernat mit, die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen im Haus seien nicht genehmigt worden. Die Stadt will den Fall nun prüfen. 

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 26.01.2024, 19.30 Uhr

Redaktion: Stephan Loichinger

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Quelle: hessenschau.de