Schwieriger Lückenschluss Millionenschwerer Rheingau-Radweg endet mitten auf Bundesstraße
Über 137 Millionen Euro kostete der Rheingau-Radweg bei Rüdesheim mit dem Ausbau der B42. Mitte Juli wurde der Radweg nach 17 Jahren Bauzeit feierlich eröffnet. Doch tatsächlich fehlt ein letztes Teilstück noch immer.
Seit an Seit und mit offenem Jackett radelten Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) und Bundesverkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP) Mitte Juli über den neuen Rheingau-Radweg. Luksic sprach von einem "erstklassigen Erlebnis", Al-Wazir schwärmte von der "attraktiven Route im malerischen Flusstal", die "ganz sicher" den Tourismus am Mittelrhein fördern werde.
Gut 12.000 Euro für jeden Meter
Nach 17 Jahren Bauzeit konnte an diesem Tag endlich der 11,3 Kilometer lange Radweg an der Bundesstraße 42 zwischen rheinland-pfälzischer Landesgrenze und Rüdesheim (Rheingau-Taunus) dem Verkehr übergeben werden. Parallel dazu wurden die B42 ausgebaut und stellenweise Stützwände zur parallel verlaufenden Bahnstrecke errichtet. Günstig war das Bauprojekt nicht: insgesamt 137,5 Millionen Euro, was umgerechnet 12.168 Euro für jeden Meter bedeutet.
Wegen des schmalen Uferstreifens, auf dem neben der B42 auch eine Bahnlinie verläuft, wurde der Radweg größtenteils auf sogenannten Kragarmen oberhalb des Rheins errichtet. Das kostet. Aber immerhin: In der Pressemitteilung hießt es nicht ohne Stolz: "Radweg von Rüdesheim zur Landesgrenze fertig." Oder doch nicht?
Auch hessenschau.de berichtete an dem Tag über die Fertigstellung des Radwegs, wie andere Medien von Stern bis Süddeutscher Zeitung auch. Und doch gibt es da einen Haken.
Plötzlich endet der Radweg
"Mit einem Kind würde ich den Radweg an der B42 ganz sicher nicht fahren", ärgert sich Kai Menze. Der 46-jährige Frankfurter ist mit seinem Rad oft im Rheintal und Rheingau unterwegs, ist auch schon viele Kilometer Umleitung und ein paar Hundert Höhenmeter über den Rüdesheimer Ortsteil Presberg hochgekraxelt, als die B42 wegen Bauarbeiten gesperrt war. Aber vor diesen letzten Metern der Radstrecke nach Rüdesheim hat Menze richtig Bammel.
Tatsächlich endet der Rheingau-Radweg von Westen kommend unvermittelt kurz vor dem Rüdesheimer Ortsschild. Radfahrer müssen für die letzten 600 Meter auf die vielbefahrene, nicht mal sechs Meter breite Bundesstraße wechseln und dann im Gegenverkehr die Straße queren, um in die Innenstadt zu gelangen. An der Gefahrenstelle mahnen zwar Zweirad-Überholverbotsschilder. "Doch wirklich hält sich kaum einer daran", sagt Menze.
Lückenschluss auf Abstellgleis
Aber wie kann es sein, dass nach so vielen Jahren Bauzeit der Radweg noch immer nicht fertig ist? Immerhin war ja schon 2006 mit dem ersten Abschnitt der Strecke von der Landesgrenze nach Lorch (Rheingau-Taunus) begonnen worden.
Die Radwegeführung habe ursprünglich im Zusammenhang mit einer Verlegung der Bahnstrecke bei Rüdesheim in einen Tunnel gestanden, erklärt die Verkehrsbehörde Hessen Mobil auf Anfrage. Doch dieses Projekt sei im Jahr 2012 aufgegeben worden.
Drei Jahre später begannen die Planungen für einen provisorischen Lückenschluss. Provisorisch deshalb, weil eine endgültige Radwegeführung "im Zusammenhang mit der geplanten Beseitigung eines Bahnübergangs als kreuzungsfreie Lösung vorgesehen ist", wie Hessen Mobil erläutert. Die Planungen für dieses Projekt laufen noch.
Nutzungsdauer des Provisoriums: zehn Jahre
Derweil soll der provisorische Radweg nun auf einem heutigen Abstellgleis der Bahn entstehen. "In Abstimmung mit der Deutschen Bahn ist der Baubeginn im Jahre 2024 vorgesehen", teilt Hessen Mobil mit. Fertigstellung unklar. Die geplanten Kosten: etwa 1,8 Millionen Euro. Die Nutzungsdauer des Provisorium ist auf zehn Jahre angelegt.
Die Geschichte des Rheingau-Radwegs ist also noch lange nicht zu Ende erzählt. Bis die Strecke in Gänze zu einem "erstklassigen Erlebnis" für Radfahrer werden kann, wird noch einiges Wasser das "malerische Flusstal" hinunterfließen müssen.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version hieß es, allein der Radweg habe 137,5 Millionen Euro gekostet, tatsächlich wurden im Rahmen des Bauprojekts aber auch die B42 ausgebaut und stellenweise Stützwände zur parallel verlaufenden Bahnstrecke errichtet. Wir haben das nachträglich präzisiert.