Wird die Commerzbank bald italienisch?

Die italienische Großbank Unicredit liebäugelt schon lange mit der Commerzbank in Frankfurt. Nun hat sie ihre Beteiligung an Deutschlands zweitgrößter Privatbank aufgestockt. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu einer möglichen Übernahme.

Verdi-Protest vor der Zentrale der Commerzbank in Frankfurt gegen eine mögliche Übernahme durch die italienische Unicredit
Empörte Mitarbeiter: Verdi-Protest vor der Zentrale der Commerzbank in Frankfurt gegen eine mögliche Übernahme durch die italienische Unicredit Bild © picture-alliance/dpa
  • Link kopiert!

Nach schwierigen Jahren ist die Commerzbank wieder auf Erfolgskurs. Das scheint Begehrlichkeiten zu wecken. Die italienische Großbank Unicredit besitzt bereits Aktien der Frankfurter Privatbank und versucht, ihren Anteil immer weiter auszubauen.

Ob ihnen eine Übernahme gelingt? Der Widerstand in der Politik ist jedenfalls groß. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Wirtschaftskrimi.

Audiobeitrag
Bild © picture alliance / Daniel Kubirs| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags

Was ist bisher passiert?

Bisher hielt die italienische Unicredit neun Prozent der Commerzbank-Aktien. Mit Hilfe von Finanzinstrumenten hat sie sich nun den Zugriff auf weitere Aktien gesichert. Damit könnte sie bald 21 Prozent der Commerzbank-Aktien halten, sobald die Finanzaufsicht den Kauf genehmigt.

Die Unicredit hat dort einen Antrag eingereicht, damit sie ihren Anteil langfristig sogar auf fast 30 Prozent ausbauen kann. "Ab einem Anteil von 30 Prozent wären die Italiener verpflichtet, den übrigen Aktionären ein öffentliches Übernahmeangebot zu machen", sagt der Frankfurter Aktionärsschützer Klaus Nieding. Eine Entscheidung steht aus.

Diese fällt die bei der Europäischen Zentralbank angesiedelte Bankenaufsicht. "Da diese für einen wirklich europäischen Bankenmarkt wirbt, ist eine Genehmigung mit Auflagen wahrscheinlich", sagt Florian Heider, wissenschaftlicher Direktor am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE.

Welchen Plan verfolgt Unicredit mit der Commerzbank?

Es ist nicht das erste Mal, dass die Unicredit Interesse an der Commerzbank zeigt. Sie könnte sie übernehmen, wie 2005 die HypoVereinsbank. "Deren Filialen könnte sie mit denen der Commerzbank zusammenlegen", erklärt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management.

Sie könnte auch in den zentralen Abteilungen der beiden Banken Personal abbauen. So ließen sich Kosten einsparen. Die HypoVereinsbank hat nach der Übernahme durch die Unicredit schon einen harten Sparkurs hinter sich. All das ist zu diesem Zeitpunkt aber noch Spekulation.

Was bedeutet das für die Commerzbank und den Standort Frankfurt?

"Die Belegschaft lehnt den Übernahmeversuch der Unicredit ab", sagt Stefan Wittmann, Vertreter der Gewerkschaft Verdi im Aufsichtsrat der Commerzbank, zu den Plänen. Viele Mitarbeitende seien verzweifelt und fürchteten um ihre Arbeitsplätze.

Wie Volker Brühl, Geschäftsführer des Centers for Financial Studies, vermutet, könnten in der Frankfurter Zentrale 5.000 Stellen gefährdet sein. Dabei hat die Frankfurter Privatbank bereits etliche Sparrunden hinter sich: Die Zahl der Mitarbeitenden ist von in Spitze 60.000 Vollzeitkräften auf 38.000 gesunken, von 1.200 Filialen sind 400 übrig.

Würde die Unicredit die Commerzbank übernehmen, gäbe es vermutlich weitere Stellenstreichungen, schätzt auch Florian Heider, der wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE. Aber dass die Italiener die Frankfurter Bank völlig schwächen würden, denkt er nicht. "Denn die Kreditvergabe an den deutschen Mittelstand kann ja nicht vom Hauptsitz der Unicredit aus Mailand geschehen."

Im Gegenteil sieht der wissenschaftliche Direktor sogar Chancen, wenn die Frankfurter Bank zu einer privatwirtschaftlich funktionierenden europäischen Bank werden würde.

Was merken die Kunden davon?

Die Kunden könnten das Pech haben, dass sie irgendwann vor verschlossenen Filialtüren stehen. Die Commerzbank komme bundesweit momentan auf 400 Filialen, die HypoVereinsbank auf etwas weniger, rechnet Volker Brühl, Geschäftsführer des Centers for Financial Studies, vor.

Er schätzt, dass die Unicredit im Zuge einer Übernahme der Commerzbank von all diesen Filialen rund 200 schließen könnte.

Welche Reaktionen gab es bisher aus der Politik?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt die Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit ab und spricht von einer "unfreundlichen Attacke". Die Commerzbank bezeichnet Scholz als erfolgreiche Bank, die insbesondere den Mittelstand finanziere.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) zeigt sich beunruhigt über die aktuellen Entwicklungen. "Die Commerzbank ist ein wichtiges Flaggschiff für den Finanzmarkt in Hessen, und wir sollten alles tun, um den Ausverkauf solcher Flaggschiffe zu verhindern."

Rhein macht die Bundesregierung dafür verantwortlich, dass sie den Übernahmeversuch der Unicredit überhaupt erst möglich gemacht habe. Mit einem Anteil von über 16 Prozent jahrelang größter Einzelaktionär bei der Commerzbank, hatte der Bund Anfang des Monats Commerzbank-Aktien verkauft - und Unicredit hat zugegriffen. Daraufhin erklärte die Bundesregierung am Freitag, sie werde keine weiteren Aktien verkaufen, damit die Commerzbank eigenständig bleibe.

Wie geht es in den nächsten Tagen weiter?

Bis Mittwoch läuft die Strategiesitzung der Commerzbank mit Vorstand und Aufsichtsrat in Glashütten (Hochtaunus). Es gehe hauptsächlich darum, wie die Bank eigenständig bleiben könne, sagt Stefan Wittmann, der für Verdi im Aufsichtsrat der Bank sitzt. "Es wird besprochen werden, wie wir mit unseren Kosten stärker haushalten und die Erträge steigern können."

Am Dienstag beschloss der Aufsichtsrat der Commerzbank bereits, wer an die Spitze des Vorstandes rückt und die Nachfolge von Manfred Knof übernimmt. Er hatte Anfang September angekündigt, dass er keine zweite Amtszeit anstrebe. Wie erwartet wird Vize-Vorstandschefin und Finanzvorständnin Bettina Orlopp neue Vorstandschefin. Sie solle ihre neue Aufgabe "zeitnah" übernehmen.

Redaktion: Katrin Kimpel

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de