Nach der Karstadt-Kaufhof-Pleite Leere als Chance: Die neuen Konzepte für Innenstädte
Sieben Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen in Hessen machen dicht. Zurück bleibt die Frage, was mit den Immobilien passieren soll. Bislang gibt es nur für das Haus auf der Frankfurter Zeil einen Nachmieter.
Sieben Standorte des insolventen Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof sollen geschlossen werden. Es sind große Immobilien, die in der Vergangenheit Hunderttausende in die Innenstädte gelockt hatten. Doch diese Zeiten sind nun anscheinend vorbei. Was können Städte gegen die Verwaisung ihrer Innenstädte tun?
Wichtig sei vor allem, dass die Verantwortlichen die Dringlichkeit erkennen und gemeinsam an einem Strang ziehen, sagt der Präsident des Handelsverbandes Hessen, Jochen Ruths. Die Schließungspläne von Galeria-Karstadt-Kaufhof seien "nur die Spitze des Eisbergs", wie die Präsidentin des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK), Kirsten Schoder-Steinmüller, sagt.
Auch viele kleinere Geschäfte hätten in den vergangenen Monaten geschlossen. Schuld daran seien die Corona-Pandemie, Fachkräftemangel, gestiegene Energiepreise und die Konsumflaute gewesen. Der Handel sei nicht mehr alleiniges Zugpferd, um Menschen in die Innenstädte zu locken.
"Es wird deshalb nicht mehr so wie es früher einmal war. Den Wandel müssen wir nun gemeinsam gestalten", so die HIHK-Präsidentin.
Aachener Modekette bestätigt Anmietung der Frankfurter Zeil-Filiale
Einen Wandel - und auch einen möglichen Hoffnungsschimmer für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Frankfurt gab es am Mittwoch. Die Modekette "Aachener" teilte mit, dass sie das Galeria-Haus an der Einkaufsstraße Zeil anmieten werde.
Das Unternehmen habe die Mietverträge für insgesamt vier Immobilien - darunter auch drei weitere Filialen in Deutschland - bereits unterschrieben, erklärte die Modekette. Für eine Reihe weiterer Galeria-Standorte gebe es "weit fortgeschrittene Verhandlungen". Alle bisherigen Galeria-Beschäftigten würden übernommen, wenn sie das wünschten.
Hanau sichert sich Vorkaufsrecht
Anders in Hanau. Hier hatte sich die Stadt, deren Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filiale ebenfalls auf der Streichliste steht, das Vorkaufsrecht für Immobilien in Innenstadtlagen gesichert.
Als die Schließungspläne kürzlich bekannt wurden, konnte Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) rasch reagieren. Die Stadt wolle schnellstmöglich in den Besitz der Galeria-Immobilie kommen und sei bereits im Gespräch mit der Eigentümergesellschaft. Auch die betroffenen Beschäftigten werde man nicht alleine lassen.
In Darmstadt soll nach der geplanten Schließung einer der beiden Galeria-Filialen in der Stadt etwas Neues entstehen. Die Entwicklung war nach den Worten von Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) absehbar.
Die freiwerdenden Flächen wolle man zum Leben erwecken und ein neues Innenstadtkonzept entwickeln. "Wir wollen einen Ort mit Gastronomie und Einzelhandel, konsumfreien Treffpunkten, Raum für gesellschaftliches Engagement, Wissen, Arbeit, Produktion und neuen Räumen für die Stadtbibliothek schaffen", sagte Partsch.
Mischnutzung der Gebäude könnte helfen
Eine solche Mischnutzung ist es, die Innenstädten wieder helfen könne, glaubt HIHK-Chefin Schoder-Steinmüller: "Es braucht Nutzungsvielfalt statt Monostrukturen in den Innenstädten", sagte sie.
Ähnlich sieht das Stadtmarketing-Experte Silvio Zeizinger vom Handelsverband Hessen: Wohnen und Arbeiten, Kinderbetreuung und Kulturangebot, Gastronomie und Einzelhandel - dies alles nah beieinander und passgenau zugeschnitten auf die jeweiligen Standortfaktoren wie Einwohnerentwicklung, Lage und Bausubstanz, Kundenfrequenz und Nahmobilität sei der beste Ansatz.
Genug Menschen sind in der Innenstadt
An Menschen, die in Innenstädten ihre Freizeit verbringen möchten, fehlt es nicht. Die Frankfurter Einkaufsmeile Zeil ist samstags voll. Die Menschen laufen dicht gedrängt. Die Innenstadt sei nach wie vor wichtiger Treffpunkt und Ort der Begegnung, heißt es aus dem Planungsdezernat.
Frequenzmessungen hätten ergeben, dass die Zahl der Passanten auf der Zeil mittlerweile wieder so hoch sei wie vor Corona. Allerdings seien die Umsätze niedriger - was auch dem Online-Handel geschuldet sein dürfte.
Um die Aufenthaltsqualität auch künftig zu erhalten, denkt die Frankfurter "Initiative Innenstadt" über Alternativen zum Shopping nach, etwa aus den Bereichen Sport und Kultur. Shopping funktioniere zwar noch - wenn auch auf weniger Fläche und im Mix mit anderen vielfältigen Angeboten, sagt Stadtmarketing-Experte Zeizinger.
Aus seiner Sicht sollten die Kommunen Leerstand auch als Chance begreifen, solange er nicht überhand nimmt. Denn wo Flächen frei werden, entstehe auch Freiraum für Neues.