Nach Kritik von Verbraucherschützern Wie viel Sparkasse ist genug - und wie viel nötig?
Mehr Filialen, mehr Zinsen, mehr Gemeinwohl: Das fordern Verbraucherschützer von den hessischen Sparkassen. Die winken ab. Auch Experten sehen Verbesserungspotenzial eher an anderer Stelle.
Das Hessische Sparkassengesetz ist den Verbraucherschützern an vielen Stellen nicht genau genug. Dort ist bisher allgemein formuliert, dass die Sparkassen Bankgeschäfte aller Art anbieten sollen, gerade vor Ort, in den Regionen. Insbesondere sollen sie Privatleute und Unternehmen mit Krediten und Bargeld versorgen.
Wie viele Filialen die Sparkassen dafür betreiben müssen, ist allerdings nicht gesetzlich festgelegt. Vor allem an diesem Punkt haken die Verbraucherschutzzentralen aus mehreren Bundesländern nun ein.
Aktuell verfügen die 33 hessischen Institute über knapp 920 Filialen mit Mitarbeitern und Selbstbedienungscenter ohne Personal, aber mit Automaten zum Geldabheben und Formulareinzug. Zehn Jahre zuvor waren es etwa um die Hälfte mehr. Größere Schließungswellen gab es beispielsweise zuletzt in Kassel und Frankfurt.
Sparkasse: Weniger Kunden in den Filialen
Die Frankfurter Sparkasse sei dort, wo ihre Kunden seien, betont Pressesprecher Dennis Vollmer. Deren Verhalten habe sich geändert. "Die kommen immer seltener in die Filialen. Stattdessen nutzen sie Online-Banking immer häufiger", so Vollmer. Daher trenne sich die Sparkasse von unrentablen Filialen und baue ihre digitalen Einheiten wie etwa virtuelle Beratungscenter aus.
Dazu werde immer häufiger bargeldlos bezahlt, weshalb immer weniger Bargeld gebraucht werde, heißt es ergänzend bei der Kasseler Sparkasse. Auch hier begegnet man diesem Trend, indem man Standorte in Kassel und im Kasseler Umland schließt. Auch ein durch eine Geldautomatensprengung stark beschädigtes Beratungscenter in Breuna (Kreis Kassel) will die Sparkasse nicht wieder aufbauen.
Die Zahl der Sparkassengeldautomaten ist bundesweit in den vergangenen zehn Jahren um knapp 4.000 geschrumpft. Damit gibt es in ganz Deutschland immer noch etwa 22.000 Geräte. Zahlen für Hessen stellte der hiesige Sparkassenverband trotz mehrmaliger hr-Nachfrage nicht zur Verfügung.
Verbraucherzentrale: Für Ältere vor Ort sein
"Aus dem Sparkassengesetz geht aber hervor, dass die Sparkassen gerade im ländlichen Raum einen klaren Versorgungsauftrag haben", meint Philipp Wendt, Vorstandssprecher der Verbraucherzentrale Hessen. Das bestätige ein Rechtsgutachten, das man in Auftrag gegeben habe. "Die Sparkassen müssen dort weiter Filialen und Geldautomaten betreiben, weil gerade ältere Menschen oft nur darüber Zugang zu Bankprodukten haben und vom Online-Banking ausgeschlossen sind", sagt Wendt.
Der Verbraucherschützer geht noch einen Schritt weiter: "Wir fordern, dass der hessische Landesgesetzgeber den Sparkassen konkrete Vorgaben machen sollte, wie viele Filialen sie bereitstellen müssen." Für Gemeinden mit über 2.000 Einwohnern solle eine Filiale Pflicht sein - wie bei der Post. Ähnliche Regelungen solle es für die Geldautomaten geben.
Landesregierung: Vorschriften nicht sinnvoll
Beim Land Hessen stößt dieser Vorschlag auf Ablehnung. Für die Sparkassenaufsicht ist dort das Wirtschaftsministerium zuständig. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, solche Regelungen seien nicht sinnvoll, weil damit regionale Unterschiede, Unterschiede bei den Kunden und eine Veränderung ihres Verhaltens nicht berücksichtigt werden könnten. Im Zweifel könne es sogar das Geschäftsmodell der Sparkassen, die immer noch das engmaschigste Filial- und Geldautomatennetz in ganz Hessen anböten, in Gefahr bringen.
Auch Ralf Jasny, Sparkassen-Experte der Frankfurt University of Applied Sciences, hält Vorschriften wie die von den Verbraucherschützern vorgeschlagenen für unsinnig. Gleichzeitig kritisiert er die Sparkassen: Sie seien schnell dabei, Filialen zu schließen, hätten aber wenige Ideen, wie sie diese attraktiver gestalten könnten. "Diese Filialen gehören zu ihrem Grundkonzept, sie sind ihr großer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Banken", hebt Jasny hervor.
Experte: Besser Gemeinschaftsfilialen
Jasny lobt Alternativen wie den Sparkassenbus der Darmstädter Sparkasse. Er hält es auch für vorstellbar, dass Filialen etwa in Kiosken oder Supermärkten zunehmend integriert werden - wie bei der Post. Gemeinschaftsfilialen, wie sie zum Beispiel die Taunus Sparkasse mit der Frankfurter Volksbank betreibt, hält der Experte ebenfalls für zukunftsträchtig.
Ein weiterer Kritikpunkt der Verbraucherschützer: Obwohl die Zinsen zuletzt wieder deutlich gestiegen seien, mache sich das bei den Sparkassen bislang wenig bemerkbar, beobachtet Verbraucherschützer Wendt. "Man findet kaum angemessen verzinste Sparprodukte", bemängelt er.
Dabei stehe im Sparkassengesetz auch, dass die Sparkassen das Sparen fördern müssten, erinnert Wendt. "Es ist nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes, einen Gewinn zu erzielen", heißt es dort.
Laut einer bundesweiten Auswertung des Verbraucherportals Verivox zahlen Sparkassen zum Beispiel bei Tagesgeldkonten im Schnitt nur 0,3 Prozent, während bei anderen Finanzinstituten mitunter schon über 3 Prozent zu haben sind. Ein Viertel der Sparkassen verzichtet in Deutschland laut Verivox gänzlich auf Tagesgeldzinsen. Dazu zählt die Sparkasse Darmstadt.
Mehr Zinsen erst bei mehr Risiko
"Zinsen zahlen wir erst auf Sparprodukte mit einer vereinbarten Laufzeit", erläutert der Pressesprecher der Sparkasse Darmstadt, Peter Lehr. Man empfehle den Kunden eine langfristige Geldanlage. Je nach Risikoneigung lege man ihnen auch Wertpapierprodukte ans Herz. Damit seien weit über 3 Prozent Rendite möglich, aber Verluste freilich nicht ausgeschlossen.
"Auf die Zinspolitik der Sparkassen kann und darf die Sparkassenaufsicht in Hessen nicht einwirken", teilt das Wirtschaftsministerium in Wiesbaden dazu mit. Das sei Sache der Finanzaufsicht Bafin, die zuständig sei für den kollektiven Verbraucherschutz.
Die Bafin wiederum teilt mit, die Zinspolitik der Sparkassen sei keine aufsichtsrechtliche, sondern eine geschäftspolitische Entscheidung. Damit wollen die Aufseher auch in diesem Punkt nicht eingreifen.
Sendung: hr4, 28.06.2023, 12.17 Uhr
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