Protest von Stadtwerken, Chancen für Verbraucher Was bringt die neue EU-Verordnung zu E-Ladesäulen?
Elektromobilität ohne E-Ladesäulen ist undenkbar. Manche Stromtankstelle auf dem Land steht aber vor dem Aus, weil die EU den Einfluss von Stadtwerken beschneiden möchte. Für Verbraucher könnte das von Vorteil sein.
Bei der Elektromobilität waren die hessischen Stadtwerke Vorreiter. Sie gehörten zu den ersten, die hierzulande E-Ladesäulen aufgebaut hätten, erzählt Ulrich Erven, Mobilitätsexperte bei der Landesenergieagentur Hessen. Er berät mit seinem Team Kommunen beim Aufbau der Ladeinfrastruktur.
Allerdings werde es jetzt gerade für kleinere Stadtwerke zum Problem, dass sie meist auch noch Netzbetreiber seien, sagt Erven: "Ab dem neuen Jahr greift eine europäische Regelung, dass die, die das Stromnetz betreiben, nicht zugleich E-Ladesäulen betreiben dürfen."
Anlass dieser Gesetzesänderung ist, dass die Stadtwerke als Netzbetreiber die Ladesäulen einfach aufstellen können, während andere Unternehmen damit mehr Aufwand haben, weil sie zum Beispiel erst Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen. Die EU will Monopole verhindern und für mehr Wettbewerb unter den Anbietern sorgen.
Was sinnvoll klingt, stellt etliche hessische Energieversorger vor Herausforderungen. Nach Angaben der Landesenergieagentur sind in Hessen insgesamt 20 betroffen.
Ladesäulen sind oft ein Verlustgeschäft
Dazu gehört zum Beispiel die Firma Enwag aus Wetzlar. Sie ist der wichtigste Energieversorger vor Ort, der sich dort ebenfalls um die Stromnetze kümmert und im Großraum Wetzlar rund 37 Ladesäulen besitzt. "Wir könnten diese im Zuge der Neuregelung zum neuen Jahr in eine andere Gesellschaft ausgliedern und weiterbetreiben", meint Geschäftsführer Berndt Hartmann: "Aber es ist fraglich, ob das dann überhaupt noch wirtschaftlich ist."
Die Ladesäulen sind laut Hartmann schon jetzt größtenteils ein Verlustgeschäft, weil sie oft nicht genug genutzt würden. Aus Sicht des Geschäftsführers würde alles noch teurer, wenn die Ladesäulen in eine eigene Firma ausgelagert werden müssten, weil es dafür zusätzliches Personal bräuchte. Es müssten neue Dokumente wie Jahresabschlüsse erstellt werden, die ein Wirtschaftsprüfer prüfen müsste.
Stadtwerke machen weiter wie bisher
Im Ergebnis will die Firma Enwag die EU-Regelung erst einmal schlicht ignorieren. "Wir werden die Säulen bei uns ganz normal im Unternehmen belassen", sagt Geschäftsführer Hartmann: "Wenn es hart auf hart kommt und der Gesetzgeber sagt, wir müssen die stilllegen, dann werden wir sie abschalten."
Auch die Maintal-Werke wollen im Grunde weitermachen wie bisher. Sie haben in Maintal (Main-Kinzig) rund 15 Ladesäulen. Warum Brüssel für noch mehr Bürokratie sorge, kann Geschäftsführer Tillmann Hosius nicht nachvollziehen: "Wir sind hier vor Ort längst nicht die Einzigen. Es gibt in Maintal schon intensiven Wettbewerb und noch viele weitere Anbieter, die hier auch ihre Ladesäulen haben."
Brief an Habeck bringt keinen Erfolg
Die neue EU-Regelung sorgt auch bei anderen hessischen Stadtwerken für Kopfschütteln. Sie sei äußerst ärgerlich und nicht nachvollziehbar, heißt es bei den Stadtwerken der Vogelsberg-Kreisstadt Lauterbach, die vor Ort sieben Ladesäulen aufgestellt haben.
Man habe sich wie andere kleinere Stadtwerke an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gewendet und eine Ausnahme gefordert, berichtet Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller - vergeblich. Die Stadtwerke würden die Ladesäulen nun voraussichtlich an die Stadt direkt übertragen.
Die Stadtwerke Hünfeld (Kreis Fulda) wiederum besitzen genau eine Ladesäule. Eigentlich sollten weitere dazukommen. Aufgrund der Gesetzesänderung sieht der kaufmännische Geschäftsführer, Manuel Gollbach, aber davon ab: "All diese Bürokratie und dieser Verwaltungsaufwand stehen in keinem Verhältnis mehr." Die Stadtwerke wollen die Ladesäule daher verkaufen, "in zwei Wochen unterschreiben wir den Vertrag", so Gollbach. Wer die Ladesäule übernimmt, sagt er nicht.
Andere Anbieter drängen auf den Markt
In vielen anderen Fällen dürften sich allerdings kaum Käufer finden, wenn sich Ladesäulen nicht rechnen, schätzt Ulrich Erven von der Landesenergieagentur Hessen: "Kurzfristig kann es deshalb durchaus sein, dass die eine oder andere wenig rentable Ladesäule am Ende nicht weiterbetrieben wird - gerade auf dem Land."
Würden Verbraucher bisher just eine dieser dann womöglich entfernten Ladesäulen nutzen, könne das bei ihnen für Ärger sorgen. "Schließlich sind wir alle Gewohnheitstiere", so Erven.
Für dramatisch hält der Mobilitätsexperte die Entwicklung aber nicht. Schließlich seien zuletzt in Hessen viele neue Ladesäulen von anderen Anbietern dazugekommen.
Nach aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur können Verbraucher landesweit an rund 11.600 Stellen mit ihrem Elektroauto Strom zapfen. Durch die Neuregelung werde der Wettbewerb verstärkt, sagt Erven: "Wir werden hier in der Landesenergieagentur täglich angerufen von Unternehmen, die in die Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum investieren wollen."
Abschied von den "Angst-Säulen"?
Mehr Wettbewerb bedeutet für die Elektroautofahrer in der Regel günstigere Preise und mehr technologische Innovation. Die Anbieter setzen laut Erven zunehmend auf die stärker gefragten und für sie lukrativeren Schnellladesäulen, während die Ladesäulen der Stadtwerke oft einfache Ladesäulen waren. "Die waren gerade in der Anfangszeit wichtig, um den Leuten die Angst zu nehmen, dass sie mit ihrem Elektroauto ohne Strom dastehen könnten", berichtet der Mobilitätsexperte.
Verbraucher könnten also profitieren von der neuen EU-Regelung. Ulrich Erven ist überzeugt, dass es insgesamt mehr als genug E-Ladesäulen gebe, auch mit Blick auf die Zahl der Elektroautos. Rund 141.000 rein elektrisch betriebene Autos sowie 93.800 Plug-in-Hybrid-Autos habe es zuletzt in Hessen gegeben - bei vier Millionen Fahrzeugen insgesamt.
Dazu komme, dass Elektroautofahrer ihr Auto immer noch deutlich häufiger zu Hause oder auf der Arbeit aufladen als im öffentlichen Raum, sagt Erven. Die Landesenergieagentur geht aber davon aus, dass in Zukunft mehr Ladesäulen gebraucht würden, da die Zahl der Elektroautos steigen dürfte.