Schweinepest und kaum Schlachtmöglichkeiten Neue Schlachthalle in Modautal mildert Nöte südhessischer Schweinehalter
Kaum Schlachtkapazitäten und dann auch noch die Afrikanische Schweinepest - südhessische Schweinebauern kämpfen derzeit mit allerlei Problemen. Eine neue Schlachthalle in Modautal schafft nun ein wenig Abhilfe.
Der Bauernhof Wiesenmühle liegt umgeben von Feldern und Bäumen etwas abseits der Wohnbebauung von Münster im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Nebel hüllt das Anwesen an diesem Morgen ein. Das ländliche Idyll lässt kaum etwas erahnen von den Nöten, mit denen kleine Schweinezuchtbetriebe wie der von Hofbetreiberin Susanne Ries derzeit zu kämpfen haben.
"Es fehlt an Schlachtkapazitäten, damit Tiere ohne lange Transportwege geschlachtet werden können", benennt Ries eines der Hauptprobleme. Der letzte große Schlachthof der Region in Brensbach (Odenwald) war im vergangenen Jahr wegen Insolvenz geschlossen worden.
Danach mussten die Tiere teilweise zu Schlachthöfen nach Fulda, Bayern oder Baden-Württemberg gefahren werden - bis diese sie wegen der in Südhessen grassierenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) auch nicht mehr nehmen konnten, da nur speziell zugelassene Betriebe Schweine aus dem Infektionsgebiet schlachten dürfen.
Juniorchef mit zündender Idee
Umso größer die Erleichterung der Landwirte darüber, dass vor Kurzem eine entsprechende neue Schlachthalle auf dem Aschwiesenhof im nahe gelegenen Modautal (Darmstadt-Dieburg) in Betrieb genommen wurde. Bis zu 80 Schweine und sechs Rinder werden hier pro Woche geschlachtet. "Das bricht so ein bisschen die Spitzen", sagt Züchterin Ries.
Die Idee zu der Schlachthalle hatte Dennis Roßmann, gelernter Landwirt und Metzgermeister. Sein Vater Dieter hat eine Metzgerei im Ort. "Wir haben hier einen gut funktionierenden Betrieb", dachte sich Sohn Dennis. Aber er wollte die Metzgerei des Vaters irgendwie weiterentwickeln.
Das war gar nicht so einfach. Moderne Hygienetechnik, automatisch überwachte Schränke, Betäubungsraum – die Halle ist nach den neuesten Standards ausgerüstet. Rund acht Millionen Euro hat sie gekostet, das Land hat dazu 1,8 Millionen Euro beigesteuert.
Minister: "Gewinn für die Region"
"Das ist ein Gewinn für die Region und für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die weiterhin Fleisch aus artgerechter und regionaler Produktion kaufen können", sagt Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU). Er hat sich kürzlich selbst vor Ort ein Bild von der neuen Einrichtung gemacht.
Das Hauptgeschäft sei nach wie vor die eigene Metzgerei, stellt Seniorchef Dieter Roßmann klar. Aber: "Dieser Betrieb soll auch ein Vorteil für die Region sein. Damit die Landwirte ihr Schlachtvieh hier absetzen können."
Landwirt spricht von "Riesenglück"
Einer dieser Landwirte ist Philipp Lautz aus Ober-Ramstadt (Darmstadt-Dieburg). "Es ist ein Riesenglück", sagt er. "Das Tier hat keinen Stress, kommt hier gut an. So muss es heutzutage einfach sein."
Denn ansonsten ist die Hauptanlaufstelle für Schweinehalter aus der sogenannten Sperrzone II, in der der Landkreis Darmstadt-Dieburg teilweise liegt, ein Schlachtbetrieb in Schleswig-Holstein – fast 600 Kilometer von Südhessen entfernt.
Da auf diesen Transporten keine Tiere aus unterschiedlichen Betrieben vermischt werden dürfen, sei es gerade für Halter mit wenigen Tieren schwierig, einen geeigneten Transport zu organisieren, weiß Züchterin Ries. "In so einen Lkw passen ja 120 Mastschweine rein, die die gar nicht haben." Gerade für kleine Zuchtbetriebe ist die neue Schlachthalle in Modautal deshalb ideal.
Vermarktungsproblem für Fleisch aus Sperrzone
Ein weiteres Problem, mit dem Züchter zu kämpfen haben, sieht Ries in der Vermarktung. Der Lebensmitteleinzelhandel werbe zwar gerne mit Regionalität, sagt sie, wolle aber oft keine Tiere aus der Sperrzone II abnehmen.
Dabei brauche man als Verbraucher vor dieser Ware nicht die geringste Angst zu haben - und das nicht nur, weil die Schweinepest für Menschen ungefährlich ist.
"Das sind im Moment die am besten untersuchten Tiere", erklärt die Züchterin. Blutproben, amtstierärztliche Untersuchungen vor dem Transport: "Wenn man Fleisch mit dem Ausschluss von ASP essen will, dann muss man gerade Tiere aus der Sperrzone II nehmen", wirbt Ries.
Davon versuchen die Züchter und Halter auch den Einzelhandel zu überzeugen. Es gebe zwar Gespräche, berichtet Ries, diese verliefen aber sehr zäh. "Wir bekommen immer nur zu hören, wir sollen uns in Geduld üben." Doch die Tiere fressen und wachsen. "Wir brauchen mehr Vermarktung", wünscht sich die Landwirtin.
Kein "Schlachthof"
Metzger Dennis Roßmann vermarktet seine Tiere direkt – im eigenen Hofladen. Die Schlachthalle nutze man derzeit zu 60 Prozent für die eigene Produktion, 40 Prozent seien "Lohnschlachtungen", die er für andere durchführt.
Mehr als vier Tonnen Lebendgewicht dürfe man pro Tag auch nicht schlachten, sagt Roßmann. "Sonst fallen wir unter das Bundes-Immissionsschutzgesetz, und dazu müsste erst ein Antrag auf Kapazitätserweiterung gestellt werden", skizziert er bürokratische Hürden.
Roßmann legt auch großen Wert darauf, dass seine Halle kein "Schlachthof" sei. Er wisse von einem Kollegen, der im Taunus einen Schlachtraum in ähnlicher Größenordnung geplant habe. Ein Lokalpolitiker habe dies fälschlicherweise als "industriellen Schlachthof" bezeichnet. Der Widerstand in der Bevölkerung sei daraufhin so groß gewesen, dass die Pläne aufgegeben wurden.
Ein großer Tropfen auf den heißen Stein
Minister Jung hat versprochen, das Land werde derartige Projekte im Sinne des Tierwohls und der regionalen Erzeugung auch weiterhin fördern. Neben finanzieller Unterstützung helfe man kleinen Betrieben auch mit Entbürokratisierung, etwa durch eine Reduktion der Produktproben für kleine Schlachtbetriebe, teilt das Ministerium auf Anfrage mit.
Im Modautaler Beispiel sehen weder Ries noch Roßmann die Lösung aller Probleme. Auf die Frage, ob seine Schlachthalle nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei, antwortet Dennis Roßmann: "Sagen wir mal so: es ist ein großer Tropfen."
Infektionszahlen steigen
Die Afrikanische Schweinepest grassiert unterdessen weiter. Auch wenn in einigen Regionen die Auflagen in den letzten Wochen gelockert wurden, bleibt die Infektionslage in Südhessen akut.
Allein seit Ende September wurden laut Umweltministerium in den Landkreisen Groß-Gerau, Bergstraße und Darmstadt-Dieburg rund 100 infizierte Kadaver registriert.
In der Sperrzone II gilt deshalb weiterhin ein Wegegebot, um keine Tiere aufzuschrecken, die das Virus weiterverbreiten könnten. Damit ist hier auch Pilzesammeln - den zurzeit herrschenden perfekten Bedingungen zum Trotz - abseits der ausgewiesenen Wege tabu.