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Hanau zweifelt an neuer Zensus-Berechnung

Hanau von oben.

Hanau wirbt für sich seit zwei Jahren mit dem Slogan "kleinste Großstadt Hessens", doch nach den neuen Zensus-Daten hat Hanau dafür nicht mehr genug Einwohner. Angesichts der finanziellen Auswirkungen will die Stadt notfalls rechtlich dagegen vorgehen.

"Wir sind 100.000! Wir sind Großstadt! Wir sind Hanau!", steht unter dem rund zwei Jahre alten Image-Video von "Hessens kleinster Großstadt" auf der Plattform Youtube. Die Euphorie von damals ist seit einigen Tagen im Hanauer Rathaus jedoch verflogen.

Nach den neu veröffentlichten Daten des Zensus zählte Hanau zum Stichtag 15. Mai 2022 nur noch 93.632 Einwohnerinnen und Einwohner – knapp 7.000 zu wenig für den Status einer Großstadt.

Stadt Hanau zweifelt an Zensus-Ergebnissen

Für Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sind die Zahlen völlig unverständlich. "Der Zensus ist nicht plausibel", teilte er am Freitag mit.

Erst im Oktober 2022 hatte das Hessische Statistische Landesamt (HSL) der Stadt verkündet, die 100.000-Einwohner-Schwelle für die Einstufung als Großstadt überschritten zu haben. Die Rechnung habe auf dem Zensus 2011 basiert, dessen Daten mit denen des Meldeamtes fortgeschrieben wurden.

Streit um Datenberechnung

Laut HSL sind die neuen Zensus 2022-Daten genauer: Durch Stichprobenbefragungen seien dabei etwaige Ungenauigkeiten aus dem Melderegister ausgeglichen worden.

Die Methodik sei "umfassend wissenschaftlich geprüft", zudem habe das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil 2018 bestätigt, dass der Zensus die "realitätsgerechte Ermittlung der Bevölkerungszahl" sicherstelle.

Anders sieht das der Hanauer Oberbürgermeister: "Weshalb eine statistische Erhebung, die im Kern eine Hochrechnung auf der Basis von rund zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger darstellt, präziser sein soll als eine Einwohnermeldestatistik, kann ich nicht nachvollziehen", so Kaminsky.

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Der Zensus

  • Alle zehn Jahre führen die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder den Zensus als "Bestandsaufnahme der Bevölkerungszahl" durch – eine Art Volkszählung.
  • Nach 2011 hätte der nächste Zensus 2021 stattfinden sollen, wurde aufgrund der Pandemie aber auf 2022 verschoben.
  • Die Bevölkerungsdaten der Verwaltungsregister werden für den Zensus durch eine verpflichtende Stichprobenbefragung von bundesweit rund zehn Prozent der Bevölkerung ergänzt.
  • Die Zensus-Ergebnisse sind Grundlage dafür, wie viel Gelder Städten und Gemeinden zugewiesen werden.
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Für Mitte August habe das Landesamt der Stadt Hanau ein Gespräch über die Datenberechnung zugesagt. Sollte es keine "plausible Korrektur der Daten nach oben" geben, schließe die Stadt den Rechtsweg nicht aus, so Kaminsky.

Finanzielle Einbußen in Millionenhöhe befürchtet

Dass die Frage um die knapp 7.000 Einwohner mehr oder weniger der Stadt Hanau so wichtig ist, liegt am Geld. Die neuen Zahlen hätten finanzielle "Auswirkungen in Millionenhöhe" für Hanau, so der Oberbürgermeister.

Schließlich sei die gesamte Finanzplanung nach den bislang angenommen Zahlen der Meldestatistik aufgestellt worden. Als Großstadt habe Hanau weniger Zeit für den kommunalen Wärmeplan und sei verpflichtet eine eigene Berufsfeuerwehr aufzustellen – zwei Bereiche, in die die Stadt bereits viel investiert habe.

Indizien für mehr Einwohner als durch Zensus berechnet?

Nicht nur die Rechenmethodik des Zensus sorgt bei Kaminsky und seine Kolleginnen und Kollegen im Rathaus für Zweifel an einem Rückgang der Einwohnerzahlen. Die Anzahl der angemeldeten Kita-Plätze sowie der Grundschüler in der Stadt würde im Vergleich zu den dazu erhobenen Zensus-Daten deutlich nach oben abweichen, erklärte Schuldezernent Maximilian Bieri (SPD).

Auch Stadträtin Isabelle Hemsley (CDU) stellte Argumente vor, die aus ihrer Sicht eher für ein Bevölkerungswachstum in Hanau sprechen: Gestiegener Frischwasserbedarf, mehr Wohnungen und Häuser, mehr Stromzähler, mehr Restmülltonnen und nicht zuletzt ein deutlicher Anstieg der Personen, die bei der Ausländerbehörde und im Wählerverzeichnis registriert seien.

Kreisfreiheits-Pläne nicht betroffen

Mit dem Überschreiten der 100.000 Einwohner-Schwelle vor rund zwei Jahren kündigte die Stadt Hanau auch an, zum 1. Januar 2026 kreisfrei werden zu wollen. Bislang ist Hanau Teil des Main-Kinzig-Kreises.

An den Plänen dürften die neuen Zensus-Ergebnisse nach Einschätzung der Stadt Hanau nichts ändern: Zwar können laut Hessischer Gemeindeordnung nur Städte ab 100.000 Einwohnern kreisfrei werden, allerdings gibt es eine Sonderklausel: "Die Einwohnergrenze gilt nicht für die Stadt Hanau", steht als Zusatzparagraph im Gesetz. Kaminsky spricht von der "Lex Hanau".

Sollte die "kleinste Großstadt Hessens" trotz aller Gegenanstrengungen per amtlichem Bescheid im Herbst ihren Großstadt-Status verlieren, würde sie den Status zusammen mit der Kreisfreiheit dann möglicherweise im Jahr 2026 nach fortlaufender Rechnung wieder erlangen, schätzt Oberbürgermeister Kaminsky.

Auch Fulda zweifelt an Zensus-Daten

Auch die Stadt Fulda zweifelt die Zahlen des aktuellen Zensus an, wie die Fuldaer Zeitung berichtete: Hier leben demnach nur noch 64.705 Menschen statt der bisher angenommenen mehr als 71.000 laut Melderegister. Allerdings sind die Auswirkungen für diese Datenlücke in Fulda, das ohnehin keine Großstadt, aber hessische Sonderstatus-Stadt ist, weniger folgenschwer als für Hanau.

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Vielerorts niedrigere Einwohnerzahlen

Laut Zensus kamen auch Frankfurt, Kassel, Darmstadt und Offenbach auf niedrigere Einwohnerzahlen als in der sogenannten Bevölkerungsfortschreibung. Lediglich Wiesbaden hatte ein leichtes Plus. In Hanau war der Ausschlag mit minus 6,7 Prozent am größten.

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